Hochtourenprojekt Ötztal-Wallis oder Zehn kleine Negerlein 06.-12.08.2004


Also angefangen hat das alles ja ganz solide mit der Ausschreibung einer Wildspitz-Tour auf der Website (leider derzeit inaktiv) vom Bergfreak... (danke, Uli!) Es dauerte nicht lange, bis die üblichen Verdächtigen alle "hier!" schrieen und sich mit großem Getöse in die Planung stürzten. Das gute alte Ötztal langte nimmer, es musste ein Viertausender her, für die meisten Teilnehmer der erste überhaupt. Ach was, einer, wenn schon denn schon! Also ins Berner Oberland auf die Konkordia wollten die Initiatoren ja schon lange, Jungfraueigermönch? Na ja, da steht doch neben den Fischerhörnern noch das Grünhorn rum...
Hm. Meldeten sich sogleich die Bedenkenträger (u.a. *schäm* die Autorin dieses Berichts) mit vielen Links, dass das Grünhorn viiiel zu schwierig für einen ersten Viertausender sei und die Fiescherhörner auch nicht ganz ohne und alle Wege über den Konkordiaplatz fuuuurchtbar weit...
Also nochmal von vorn: Der Klassiker soll's werden! das Allalinhorn.... und damit auch ALLE Interessierten ganz BESTIMMT raufkommen, über den Weicheierzustieg via Mittelallalin. Aber dann! Gleich am nächsten Tag weiter auf den Alphubel, und runter ins Tal und rauf auf die Hohsaashütte (machen wir doch mit links) und rauf aufs Weissmies, und dann kann man ja noch locker vom Hocker das Lagginhorn anhängen.... also auf ins Wallis!


Mischabelgruppe im Morgenlicht von Saas Almagell aus. Foto: Gisela

Die Hauptlast der Organisation hat übrigens Lisanne getragen, der dafür - und für ihre Richtigstellungen und Ergänzungen in diesem Tourenbericht - an dieser Stelle nochmal herzlichst gedankt sei. (Mit von der Partie waren außer ihr Berni, ich (Gisela), Tom, Uli sowie Jürgen (amadeon) und Jörg (jsem) aus der DAV-Community.)

Aber der Mensch denkt und Petrus lenkt und dann gibt es da noch das Prinzip 10 kleine Negerlein.

1. Ötztaler Wildspitze

Ötztal klappte zunächst prima, die Initiatoren hatten einen Teilnehmer mit Bergführerqualifikation gewonnen (Jörg), es regnete nicht, und es gab ein richtiges Bonbon: Lisanne hatte den Winterraum gebucht, der sich als eine Art luxuriöse Ferienwohnung entpuppte!!! Abends herrschte bestes Einvernehmen und stürmische Heiterkeit, als wir für die DAV-Community aus diversen gegebenen Anlässen der letzten Jahre die Einführung eines Baggerforums erwogen... was trotz Moderatorenanwesenheit (Uli) mangels Internetanschluss (den Göttern sei Dank) nicht zur Ausführung gelangte.

Am nächsten Morgen bröselte das erste Negerlein - ausgerechnet der ursprüngliche Initiator, Uli, klagte über Knieprobleme und traute sich die Besteigung der Wildspitze an diesem Tag nicht zu. Uli, das war jammerschade (hoffentlich ist das Problem mittlerweile im Schwinden begriffen), du hast echt was verpasst!
Petrus schien unentschlossen; es war zwar etwas bewölkt, die Sicht aber nicht schlecht.

Am Mitterkarjoch zeigte sich, was es heißt, Bergführerkompetenz in unserer Mitte zu haben: Nein, nicht durch die Firnrinne, durch die ich wenige Wochen vorher beim Eiskurs aufgestiegen war, sondern links daneben durch den Fels führe der "Normalweg", hieß es, und da war Felsklettern mit Steigeisen angesagt. Bis auf 2 Meter nasse steile Reibungsplatte mit eingebautem Zwergentod war das zwar etwas prickelnd, aber nicht weiter problematisch, und für alle Fälle hatte Jörg sogar von oben ein Seil eingehängt. Danke, Jörg, sowas ist immer gut für die Psyche... ;-)


Am Mitterkarjoch wird angeseilt. Foto: Gisela

Die Sicht war herrlich, bis wir uns dem Gipfel näherten. Offenbar hatte das Bakschisch für Petrus nicht weit genug gereicht, denn natürlich zog jetzt Nebel auf. Wir entschieden uns dafür, die Weicheiseite der Gipfelüberschreitung für den Abstieg aufzuheben und gingen rechtsrum über den Steilhang auf den Süd- und Hauptgipfel, der unter den gegebenen Umständen nicht zum Verweilen einlud.

Folgte als Schmankerl der Firngrat zum Nordgipfel - einige fanden an den wenigen Metern Schmalstelle angesichts der zu vermutenden Tiefblicke den Nebel hilfreich *hüstel* - und von dort der Einstieg in den Abstieg, der auch nur zum Schluß ein bißchen vereist war. Aber da muß man drüber. Tom führte bei der Gelegenheit gleich noch vor, wie man einen Sturz im Steilfirn fachgerecht bremst, und zwar "in echt" - und ohne Eiskurs! Das ist wahrer Bergsteigerinstinkt.


Verbindungsgrat zwischen Süd- und Nordgipfel. Foto: Gisela

Das Mitterkarjoch im Abstieg war dann auch nicht ohne... wenn einer auf Hochtour zieht, dann kann er was erleben!
Jörg und Berni waren den Firnsteilhang vom Mitterkarjoch fast völlig abgestiegen (free solo, versteht sich), ich steckte noch - gleichfalls ungesichert - mittendrin, als 2 m neben mir von oben ein Fremder im Starfightertempo kopfüber herunterkam. Wir hatten nicht einmal Zeit, richtig zu erschrecken, riefen ihm nur wiederholt zu, doch den Pickel einzusetzen; unten im Hang blieb er (der Schnee bremste schon ziemlich gut) "richtigrum" liegen und - zog seinen Pickel aus dem Rucksack.... "Diplom-Alpintrottel" war noch unser mildester Kommentar.
Später erzählten dann Tom, Jürgen und Lisanne, die oben beschlossen hatten doch mal auszuprobieren, wie eine Sicherung gelegt wird, dass in der fremden Gruppe etliche Leute ausgerutscht waren, sich mit Hechtsprüngen in unser Seil gerettet und es großteils ohne Absprache als Fixseil missbraucht hatten, so dass unsere Kameraden oben es kaum noch hatten halten können! Darauf angesprochen, wurde man patzig und erklärte das zu einem selbstverständlichen Anspruch an die allgemeine Bergkameradschaft...
Also wenn man vorher höflich fragt und die Sache klärt (und seine eigenen Ressourcen sachgerecht einsetzt!!!), mag das ja gerne gelten, aber auf diese Weise??? Übrigens ist auch die andere Hälfte unserer Gruppe das Mitterkarjoch dann ohne zeitraubenden Sicherungszauber frontal abgestiegen.


Blick nach Süden, Foto: Berni

Jedenfalls hatten wir nachmittags beim ehrlich verdienten "Russen" auf der Hütte ordentlich Gesprächsstoff.
Im (Tal-)Quartier wurden dann neue Pläne geschmiedet: Man könnte doch im Wallis gleich die Allalinhorn-Alphubel-Überschreitung in Angriff nehmen, dann spare man sich den Aufstieg von der Längfluehütte im Dunkeln durch den Eisbruch vom Feegletscher..... hm, abwarten.

2. Wallis, Allalinhorn

Boshaft wie er ist, vergeudete Petrus das schönste Wetter natürlich auf den Reisetag und bescherte uns eine herrliche Fahrt über Oberalp- und Furkapass mit reichlich Wohnwagenalarm und Bikerrudeln in motorisierter und unmotorisierter Ausführung (es war Sonntag). Der Campingplatz Kapellenweg in Saas Grund, wo Lisanne uns dankenswerterweise angemeldet hatte, ist einfach, preisgünstig und zweckmäßig, hat allerdings nur wenige Duschen.

Für die Auffahrt auf Mittelallalin (6:30 geht die erste Bahn) wird ordentlich abgezockt, 53 Fränkli muss man berappen. Oben ist man, solcherart vom Tal auf fast 3500 m katapultiert, erstmal völlig benommen. Da findet es dann keiner langweilig, dass die erste halbe Stunde der Weg über nicht sonderlich steile präparierte Pisten führt, die - wer weiß - vielleicht sogar der berühmte Chinese mit den Badelatschen schaffen würde. Ulis Knie war noch immer beleidigt, so dass sich 2 Dreierseilschaften ergaben. Die eine (Lisanne, Berni, meine Wenigkeit) zog bald an der anderen (Jörg, Tom, Jürgen) vorbei bergauf; die Spur schraubte sich erst eine recht steile Firnflanke querend (und komfortabel ausgetreten) aufs Feejoch, von dort geradeaus den Ostrücken hinauf zum Gipfel.
In der Flanke gab es die zweite Begegnung mit der feinen englischen Art, als ein ungeduldiger Einzelbergsteiger an meinem Seilende vorbeistapfte und direkt vor mir, bevor noch einer zur Seite treten konnte, mit unserem Seil zwischen den Beinen (!) die Spur für sich beanspruchte, bis er Berni fast auf den Hacken stand...


Foto: Berni

Oben gibt es nach all dem Firn einen Felsgipfel mit Gipfelrastplateau und einer Blockwerk-Gipfelpyramide mit Gipfelkreuz, die man nach Beweisfoto am besten sofort wieder verlässt, da höchstens 3 Leute sich dort drapieren können und alle Schlange stehen...


Foto: Gisela

Petrus zeigte ein halbherziges Einsehen und gönnte uns bei dunklem Himmel wenigstens einiges an Aussicht, die da oben wirklich grandios ist. Alles in allem ist das Allalinhorn ein netter Firnhatsch, auch Kinder waren in der Lage die Wegstrecke zu bewältigen. Aber man kann ja dem Beispiel des Vorsitzenden folgen und das Ganze ein andermal über den Hohlaubgrat zur Britanniahütte verschärfen.


Gipfelrast - naja, ganz oben war kein Platz. Foto: Gisela

Und dann ging das Rätselraten los, wo denn die zweite Seilschaft abgeblieben sei. Natürlich gab es kein Netz, Verständigung ging also nicht... also warten und dann weiter, runter aufs Feejoch und plangemäß langer Abstieg quer über den Feegletscher zur Längfluehütte. Man konnte ohne Seil über die Skipiste gehen, die quer durchs Spaltengelände führte. links und rechts waren die riesigen Spalten zusätzlich ausgebaggert, um in der Mitte die Piste aufzufüllen, die frisch gewalzt (und somit offensichtlich sicher) war. Das ganze Gebiet sah aus wie eine Baustelle, es stand außer den Liftmasten auch einiges an schwerem Gerät herum. Richtig gespenstisch, besonders bei dem düsteren Wetter - klar, auch ohne Schneeregen ging es nicht ab.


Feegletscher, Foto: Berni

Die Längfluehütte ist ein Alptraum! Beschallung wie beim Jagateerestaurant in der Skiarena, düster, teuer mit Kantinencharme, enge dunkle Lager...
Zu unserem freudigen Erstaunen tauchte hier auch Uli auf, der ganz allein von Mittelallalin quer über den Gletscher hierher gewandert war . Und endlich Nachricht, von Mittelallalin: das nächste Negerlein... Jörg hatte auch Knieprobleme bekommen und musste talwärts (den Gipfel hatte die Seilschaft, von uns ungesehen, irgendwann auch erreicht gehabt). Da mussten aus logistischen Gründen (Fahrgemeinschaft etc.) alle runter... ade, Alphubeltour!

Dass Tom bedauerlicherweise aus beruflichen Gründen ohnehin morgen, am Dienstag, würde die Biege machen müssen, war mittlerweile bekannt, schade, Tom. Da waren's nur noch - hm, wieviele eigentlich?
Um es endlich kurz zu machen: zwei.
Was die anderen angeht, so waren logistische Probleme (Heimfahrt und Mitfahrgelegenheit) eben logistische Probleme und Knieprobleme eben Knieprobleme, da kann man nix machen.

Ich bemerkte schon, dass Petrus ziemlich boshaft sein kann... am Dienstag gab es bis zum frühen Nachmittag schönstes Hochtourenwetter. Ach Alphubel...


Mischabelgruppe, Foto: Gisela

Andererseits muss man zugeben, dass der Verzicht auf die Übernachtung in diesem gräßlichen Bergrestaurant keinen wirklichen Verlust darstellt! Außerdem ist der Weg über die Täschhütte sowieso besser als der Eisbruch an der Längfluehütte. Und den ersten Viertausender hat Jede/r bekommen.
Das letzte Wort soll Lisanne haben:
"Das Wallis steht möglicherweise auch noch nächstes Jahr, und bis dahin sind wir garantiert zu Helden der Berge gereift, die alle geplanten Viertausender (und davon gibt es ja noch ne ganze Menge in der Schweiz) locker abhaken werden."
Eine Frau, ein Wort, Lisanne! :-)

scr. Gisela


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