Skitourenopening im Kaunertal 02.-03.10.05


Ein langes Wochenende und ein nicht besonders guter Wetterbericht passen einfach nicht zusammen. Für den Samstag und Sonntag waren Dauerregen angesagt und für den Montag - ich-weiß-auch-nicht-Wetter.

Nicht sehr verheißungsvoll, aber auch kein Grund, daheim in der Kanapee-Nordwand liegen zu bleiben. Wenn wir uns von solchen Wetterberichten aus der Ruhe bringen lassen würden, hätten wir dieses Jahr nichts zustande gebracht.

Wohin also? Die meisten Punkte konnte das Kaunertal auf sich vereinen. Egal was passiert, irgendwas geht da schon. Am besten natürlich die Weißseespitze Nordwand.

Das Auto war mit allem Geraffel bepackt, damit wir auch für jeden Fall gerüstet waren. An der Mautstation empfing uns die freundlichen Dame mit den Worten, daß es über Nacht einen halben Meter Neuschnee gegeben hätte und dieser sich auf der Mautstraße befinde, die somit für Sommerreifen nicht tauglich sei. Das ist uns schnurz, denn wozu gibt es Ketten, die das ganze Jahr im Auto lagern und damit die Einsatzbereitschaft unter widrigsten Bedingungen sicherstellen.

Wir fuhren höher und höher nur, was gab es nicht: Schnee auf der Straße. Denn auch im Kaunertal hat sich klammheimlich ein Gerät namens Schneepflug etabliert und hatte ganz vergessen, die Mautstation über seine Existenz und Einsatzbereitschaft zu informieren. Also nix Ketten aufziehen. Schade, ich wollte doch wissen, ob ich es noch kann und Jörg hatte verkündet, daß er sich zwar nicht die Finger schmutzig machen möchte, aber mir selbstverständlich mit Rat zur Seite zu stehen wird.

Es geht nichts über eine gerechte Aufgabenverteilung.

Auf dem Parkplatz an der Liftstation ist ganz gut Betrieb. Meine Güte, wo kommen die alle her. Ach ja es gibt schon Herbstferien und einige Leute aus dem hohen Norden nehmen für dieses Mini-Gletscherskigebiet tatsächlich eine Anreise von 500 und mehr Kilometern in Kauf.

© Lisanne 2005
positive Tendenz

Nordwandwetter ist es nicht, warf ich mal in die Runde (die Aufhellung, die das Tal zierte, zog sich nämlich recht schnell wieder zu), weil man die Nordwand eher nicht gut sehen konnte. Das leuchtet ein. Also der Normalweg. Jörg hätte es lieber probiert.

© Lisanne 2005
es zieht zu

Wir überlegten kurz, ob wir Yak eine kleinen Gefallen tun und den Lift bis zum Falginjoch nehmen wollen, verwerfen diesen Plan aber rechtzeitig, denn sonst hätten wir das nicht als erste Skitour bezeichnen können.

Zur Freude der Liftbetreiber spurten wir am Rande der Piste gewaltige 360 hm hoch. Welch ungewohnte Bewegung nach 4 Monaten Abstinenz und das letzte Stück zum Falginjoch steilt es wirklich mächtig auf. Wahrscheinlich 25°, denn Spitzkehren muß man noch nicht machen.

Am Falginjoch peilen wir erst mal die Lage. Nun ist es an Jörg, Bedenken zu äußern. Er findet den Westgrat der Weißseespitze zu verschneit, was auch stimmt. Für einen seitlichen Aufstieg mit Skiern fehlt noch der Schnee. Aber ein Gipfel muß heute her. Es wird nicht abgeloost.

Wir entschieden uns für die Direttissima eines namenlosen Hügels, der am Ende des Schlepplifts steht Gehört irgendwie zum Falginjoch und es kommt bestimmt keiner auf die Idee da im Winter hochzusteigen. Vielleicht ist es sogar eine Erstbesteigung? Das Terrain war schön rutschig mit dem Neuschnee, der Untergrund unergründlich. Mal glatte Platten, mal etwas Gras, mal Schotter: Es war einfach für jeden was dabei. Erinnerungen an den März kommen hoch. Werden wir unseren Rekord von 60 hm in 3 Stunden am Rifugio Mantova noch überbieten können?

Nein, leider nicht. Der Schnee war noch nicht tief genug und außerdem hatten wir die lästigen Skier unten abgestellt und somit nicht genügend Gepäck dabei, um die Aufstiegsgeschwindigkeit angemessen zu reduzieren.

Oben angekommen (so ca. 3.160m) hatten wir eine herrliche Rundumsicht von ca. 100 m Radius. Mehr ließen die Wolken nicht zu. Das macht aber nix, wir kennen die Gegend schließlich bei Sonnenschein. Auf dem Gipfel hatte jemand ein provisorisches Holzkreuz installiert. Also keine Erstbesteigung. Aber der ist aber bestimmt nicht unsere Falgin-Nord-Ostrinne im Winter gegangen.

Nach dem Aufstieg folgt der Abstieg, das weiß man. Manchmal überlegt man sich das nicht so genau bei aller Begeisterung. Kurze Rückfrage an mich, ob ich mir das seilfrei zutraue. Ich traue mir das zu, aber nach 3 Schritten weiß ich, daß es nicht besonders vernünftig ist. Es rutscht, man weiß nicht genau, wo man hintritt und ich bin mir sicher, daß ich bei einem Abgang eher nicht gut zum Stehen komme. Unter uns sind ein paar Felsen, von denen man todsicher einen trifft.

Ich bitte Jörg, das Seil auszupacken. Über uns machen wir einen Felszacken aus, der zunächst eher eine lockeren Eindruck macht, sich aber nach einigem Rütteln als fest erweist. Jörg findet die Idee auch nicht schlecht. So ein Seil zum Festhalten ist doch schon eine gewisse moralische Unterstützung und besser als nix.

© Lisanne 2005
…der Abstieg

© Lisanne 2005
unten angekommen

So wird der Abstieg eher unproblematisch, es haut mich zweimal wie erwartet hin, aber ich komme gut zum Stehen und hab ja mein Seil.

© Lisanne 2005
das war der Hügel

So, nun haben wir eine Skitour gemacht, sind auf einem Gipfel gewesen und jetzt wollen wir skifahren. Also runter mit den Fellen und rauf auf die Skier. Aber es fährt nicht, es klebt nur. Vor lauter Begeisterung über unsere schöne Rinne hatten wir nicht abgefellt und der Fellkleber, besonders ausgeruht von der langen Sommerpause schloß ein inniges Bündnis mit den Skiern. Verdammter Mist! Ich will doch nicht bergab laufen! Jörgs Skier ergaben sich nach einige groben Schwüngen, bei mir war nix zu machen. Es half kein Abschnallen und Abkratzen. Endlich die rettende Idee: Sonnencreme auf die Skier schmieren. Da hätte ich auch selbst drauf kommen können. Tatsächlich es half.

Die nächsten Schwünge fielen durch mangelnde Sicht und Mißtrauen in das Stollverhalten eher lausig aus und mündeten in einem ordentlichen Sturz. Jörg hat es auch hingehauen. Gerechtigkeit muß sein. Ein Saisonauftakt ohne Sturz ist nichts wert.

So ganz viel Spaß machte Skifahren bei den Sichtverhältnissen nicht, was jammerschade war, denn der Schnee war sehr gut. Aber man kann nicht alles haben. Somit war die Entscheidung gegen eine Halbtageskarte gefallen und die Rückfahrt beschlossen.

Nun noch kurz ein Einkehrschwung auf ein leckeres, alkoholfreies Bier???!!!! Tja, man wird älter und denkt an Gesundheit und Führerschein.

Alles in allem ein Tag nach unserem Geschmack. Schneetreiben, kaum Sicht, ein wenig Abenteuer und viel Spaß!

 

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