22.08.-24.08.2005 Signalkuppe (4.554m) oder
der lange Weg auf die Kopfwehbüchse


Sonntag, 21.08.2005

Nachdem der Kindergeburtstag auf dem Breithorn erfolgreich beendet war, die Gefährten sich wieder in alle Winde zerstreuten, konnten wir uns dem Highlight des Jahres zu wenden. Unsere Alagna Runde - im März schon mal mit Skiern erfolgreich abgeloost und auf dem Rifugio Mantova eingeschneit - nun war sie fällig und es galt, den Sack endlich abzuholen.

Von Zermatt ging es flott über den Simplonpass, über Domodossola an den Lago di Orta und von dort über einen kleinen einsamen Pass ins Val Sésia bis an das Talende, wo Alagna liegt. Wir beschlossen, nicht noch eine Nacht im Regen auf dem Campingplatz in Alagna zu verbringen, sondern uns unser gemütliches Lieblingshotel Indren Hus zu gönnen. Mitten im Ortskern von Alagna gelegen, auf alt getrimmt und mit sehr zuvorkommendem Personal ausgestattet. Man spricht sogar deutsch - wäre für mich nicht nötig - kann aber hilfreich sein.

© Rolf 2005
Alagna Valsésia

Montag, 22.08.2005

Frisch erholt zogen wir auf die erste Seilbahn um 09:00 Uhr. In 2 Etappen geht es auf Punta Indren (3.260), wobei man sich immer fragt, wann dieser alte Seilbahnkasten abstürzt. Er vermittelt mir einfach ein mulmiges Gefühl.

So ganz viele Leute hatten nicht die gleiche Idee wie wir. Eine spanische 3er Seilschaft und eine deutsche 3er Seilschaft war noch an Board. Keiner hatte es eilig, aufzubrechen. Warum war klar : 30cm Neuschnee - Extrem-Spuring erfreut sich keiner großen Beliebtheit und ist weit davon entfernt eine neue Trendsportart zu werden. Die Spanier machten tapfer den Anfang - so schlimm war es auch nicht, es waren schon einige vor uns hochgetrampelt und eine Spur war vorhanden.

Es war wirklich interessant, wie die Gegend ohne tiefhängende Wolken aussah. Kaum wiederzuerkennen. Der Weg zum Rifugio Gnifetti auf 3.611 wird durch einen - vor allem bei Neuschnee- interessanten kleinen Klettersteig gewürzt. Die deutsche Gruppe zog mal Steigeisen auf. Bah - das kriegen wir auch so hin. War aber schon gut, dass ein fettes Hanfseil da hing, ein Abgang in dem Gelände wäre nicht nach meinem Geschmack gewesen.

Ab dem Ausstieg vom Klettersteig im Angesicht der Gnifetti, die majestätisch auf einem Felssporn thront, wurde es dann fies.

© Rolf 2005
Gnifetti

Der Wind kam von vorn und zwar heftig und das Tempo verringerte sich zusehends. Um die Hütte pfiff es dann noch gemeiner. Aber das kennen wir ja alles schon von unserem letzten Ausflug in diese Gegend. Zum Glück war das Klo nicht wieder 20 m von der Hütte entfernt.

In der Hütte ging es familiär zu. Das Telefon klingelte pausenlos und die nette Hüttenwirtin wurde nicht müde, erschöpfend Auskunft über Wetter, Verhältnisse und Prognosen zu geben. Das Abendessen war brauchbar, wenn auch der Preis für die Hütte mit rund 41 Oironen für Halbpension heftig ist. Herrlich international geht es dort oben zu. Einfach alle Sprachen. Also ein echtes Eldorado für mich, der beruflich seine Sprachkenntnisse leider nicht mehr anbringen kann.

Nach Rücksprache mit dem Hüttenwirt stellte sich heraus, daß für den nächsten Tag die Prognose Sonne und starken Wind hergab. Es war anzunehmen, daß die vorangegangenen Tage mit starken Schneefällen nicht ganz so viele Leute zum Aufstieg auf die Signalkuppe eingeladen hat. Also war Spurarbeit angesagt, die man am besten nicht nur zu zweit macht. Also hieß es Mitstreiter finden. Das ist wie üblich garnicht so einfach, denn plötzlich müssen alle am nächsten Morgen nicht so früh los.

Wir nahmen noch 3 unerschrockene Helden (Rolf, Stefan und Lothar) in unsere Seilschaftsmitte zwecks Unterstützung auf.

Dienstag, 23.08.2005

Frühstück war um 05:00 angesagt. In der Gaststube empfing uns harter Rocksound aus der Küche. Der Hüttenwirt war bestens drauf und es war schön laut: zum Wachwerden einfach. Das Frühstück war allerdings ziehmlicher Mist: Zwieback mit klebriger Marmelade und lasches Müsli. Eigentlich nix für einen harten Tag und eher zum Reinzwingen. Deutlicher Punktabzug.

Wie erwartet, gehörten wir zu den ersten Seilschaften, die loszogen, der Rest hatte es vorgezogen, etwas länger zu schlafen. Man muß ja auch nicht so früh los, wenn andere spuren. Der Anstieg über den an dieser Stelle nicht sehr spaltenreichen Gletscher führte an der Vincentpyramide vorbei. Viele der 4.000er Aspiranten zogen erst mal einen kleinen Akklimatisationsspaziergang auf diesen eher für eine Skitour tauglichen Buckel vor, bevor sie Richtung Signalkuppe aufbrechen wollten. Bis hierher war der Weg noch brauchbar gespurt. Wenn nur dieser alles durchdringende Wind nicht gewesen wäre.

© Rolf 2005
Lyskamm

© Rolf 2005
Panorama

Ab dem Balmenhorn wehte dann die Spur wesentlicher schneller zu. Zwischenzeitlich kam es immer wieder zu den üblichen, unkameradschaftlichen Verhaltensweisen: Unsere Seilschaft blieb stehen und alle anderen nachkommenden Seilschaften auch. Zur Tarnung nahm man dann noch den Rucksack ab. Ich konnte mir einen lauten mehrsprachigen Anschiß echt nicht mehr verkneifen. Ich plädiere für die Erhebung der Spurenmaut.

In der Ferne sahen wir einen 15m starke Seilschaft mit Bergführer im Abstieg von der Signalkuppe, der schöne breite Schneeschuhe trug und einen hervorragenden Graben mit seiner Truppe bastelte. Auch sonst war der Weg kaum mit Höhenverlusten verbunden und so entschlossen wir uns, Ihnen entgegen zu gehen. So, die letzten 250 hm bis zur Signalkuppe waren gerettet.

© Rolf 2005
…nur noch schlappe 300 hm bis zum Ziel

Es zieht sich dann noch den Berg hinauf und die letzten 100m gehen wirklich nur noch recht langsam und mit vielen Verschnaufpausen. Endlich oben angekommen nach ca. 8 Stunden Aufstieg. Herrliche Rundumsicht in alle Richtungen, der Wind hatte auch nachgelassen und es wurde fast kuschelig warm. Endlich ist das Ding eingesackt. Hat ja lange genug gedauert, bis es soweit war.

© Rolf 2005
der Gipfel - die Signalkuppe (Punta Gnifetti)

© Rolf 2005
Tiefblicke von der Hütte

© Rolf 2005
Zumsteinspitze, Dufourspitze und Nordend

Auch hier hatten wir das Glück, daß die Capanna Marghérita (höchstgelegene Hütte Europas) nicht besonders voll war. Das sieht sonst ganz anders aus. Wir bekamen ein schönes 6er Lager zugewiesen. An der Anzahl der dort gelagerten Matratzen konnte man sich ungefähr ausrechnen, wie viele Laufmeter das auf dem Gang ergaben, wenn es wirklich mal voll werden sollte.

So zum Abendessen wurde es dann merklich ruhiger auf der Hütte, da der eine oder andere doch langsam die Höhe zu spüren bekam. Ich kann mich lediglich über Appetitlosigkeit beklagen, was mir nicht wirklich schadet. Also am reichhaltigen Essen lag es nicht.

Plötzlich verlangte ein Bergheld aufgeregt nach Dexa für seinen ziehmlich lädierten Kumpanen. Naja, so schlimm wird es ja wohl auch nicht sein. 2-3 Aspirin werden auch ihre Wirkung entfalten. Der wurde dann mit 4 Mann auf ein Lager geschleppt und am nächsten Morgen sah er zwar nicht besonders fit aus, aber nicht tot oder höhenhirnödemkrank.

Besonders stand uns auch nicht der Sinn nach langer Tafelrunde und wir begaben uns alle recht früh auf's Lager. Auf üppigen Weingenuß haben wir lieber auch verzichtet. Dummerweise mußte nach Mehrheitsbeschluß das Fenster in der Kammer zu bleiben, was nicht gut ist. Richtig, die ohnehin schon dünnere Luft ist noch schneller verbraucht und das registriert der Körper mit ziehmlichem Unbehagen. Nach einige Rundgängen auf dem Gang und Fensteraufreißen, durch die sternklare Nacht gucken und Klogehen entschieden wir uns dann für Fenster auf im Zimmer . Eine weise Entscheidung, die zum ersehnten Restschlaf verhalf.

Mittwoch, 24.08.2005

Auch am nächsten Morgen kein Schädelbrummen. Frühstück 05:30 sogar mit Buffet. Lothar entledigte sich sofort der 2 gegessenen Kekse. O.k. den lassen wir jetzt mal liegen und nehmen uns die Zumsteinspitze vor. Liegt genau gegenüber der Signalkuppe und ist so 10m höher. Man muß ca. 100 m absteigen und an der anderen Seite wieder rauf. Klingt easy, ist es auch, aber nach einer Stunde mühsamem Schneestapfen in knietiefem und dann immer mehr hüfttiefem Schnee verließ uns dann die Lust dazu. Da hätten wir uns noch stundenlang hochwühlen können. Das lassen wir lieber und wenden uns den gespurten 4000ern zu.

Nach uns kamen noch unsere spanischen Zimmernachbarn, die allerdings nach ca. 2 Stunden im Gipfelhang aufgaben.

Unseren lädierten Mitstreiter konnten wir etwas erholter an der Capanna Marghérita wieder einsammeln. Rolf stellte fest, daß es doch besser gewesen wäre, am gestrigen Tag die Brille aufzusetzen. Die Augen gingen jedenfalls nicht mehr auf und er tappte halb blind am Seil hintendrein.
Glücklicherweise wuchs sich die Schneeblindheit nicht zu einer langwierigen Plage aus. Am nächsten Tag ging es ihm schon wieder besser.

Die Parrotspitze sah uns auch recht knietief aus. Es versuchten sich im Gipfelhang die ersten Tourengeher. Das machte keinen schlechten Eindruck, im Winter wollen wir ja wieder hin. Scheint eine klasse Abfahrt zu sein, auch nen bißchen steil, wie ich zugeben muß. Aber die Saison fängt in der SAN ja dieses Jahr schon im Oktober an und da hat Lisanne viel Zeit zum Üben.

Als nächstes die Ludwigshöhe, formschön, wahrscheinlich nur 30 hm Unterschied und in 20 Minuten erledigt. So lob ich mir 4000er Sammeln.

© Rolf 2005
auf der Ludwigshöhe

Als nächstes das Balmenhorn mit der Christusstatue und dem Biwak. Es führt eine Art Klettersteig hinauf, den wir mit Steigeisen gingen. Ohne wäre es bestimmt besser gewesen. Aber es soll ja auch nicht zu einfach werden. Schon wieder einer weggehauen.

© Rolf 2005
auf das Balmenhorn

© Rolf 2005
geistiger Beistand auf dem Balmenhorn

Die Vincentpyramide ließen wir aus. Das sah zu Fuß einfach zu langweilig aus und so langsam sollten wir an die letzte Seilbahn von Punta Indren nach Alagna denken. Die Gefährten verließen wir am Rifugio Gnifetti. So langsam wurden sie doch etwas lahmer im Abstieg.

© Rolf 2005
Abstiegskarawane

Wir entschieden uns für den Rückweg über das Rifugio Mantova (das kennen wir recht gut und mehrere Tage lang), denn der Klettersteig würde bestimmt im Abstieg mit dem Matschschnee nicht komfortabel werden. War auch auf diesem Weg schön rutschig und fies.

Bei einer Rast vergaß ich dann noch meine heilige Digicam. Das hab ich dann kurz vor der Seilbahn gemerkt und bin noch mal ne halbe Stunde zurückgelaufen. War natürlich weg und bleibt auch trotz aller Rückfragen auf den Hütten und der Seilbahn weg.

Die Seilbahn hätten wir dann fast noch verpaßt und wir hatten mittlerweile schon überlegt, auf welcher Hütte wir dann nächtigen.

Fazit: ältere Damen nicht zur Eile mahnen, die sind tüddelig und vergessen dann die Hälfte.

Meine Laune war natürlich für den Rest des Tages auf dem Nullpunkt. Da half auch das Lieblingshotel in Alagna und die warme Dusche nicht mehr.

Auf den Biancograt war mir die Lust damit auch vergangen, zumal der Wetterbericht für das Wochenende im Engadin nix Beständiges mehr hergab und man solch eine Unternehmung besser nur bei absolut stabilem Wetter angehen sollte.

Donnerstag, 25.08.2005

Heimreise und Sightseeing. Autofahren tu ich gern und Gegend gucken auch. Welche Reiseroute nehmen wir denn jetzt mal. Also möglichst wenig Autobahn und auf gar keinen Fall diesen langweiligen Bernhardino.

So richtig langwierig geht es über Varese an den Comer See, dann durch das Bergell, Maloja hoch, an den Oberengadiner Seen lang, Julier wieder runter und über die heimische Schweizer Autobahn wieder nach Frickingen.

Wenn ich ehrlich bin, war ich dann eigentlich auch wieder froh, mein Sofa zu haben. 4000er schlauchen irgendwie. Ich hab den Biancograt ja auch als Video und kann mir den Weg bis nächstes Jahr dann noch einfühlsam einprägen.

Alle schienen mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden. Ein 4000er muß doch dieses Jahr noch her. Das kann nicht alles gewesen sein.

Mmmhhh....... ich glaube schon.

Lisanne

P.S. an Rolf aus Rostock
Vielen herzlichen Dank für deine Fotos. Andernfalls hätten wir der Nachwelt die Story ohne Beweise verkaufen müssen und dann hätte es wieder geheißen: Es gibt keine direkte Seilbahn auf die Signalkuppe. Da kann Lisanne nicht hochgekommen sein.

 

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