Samstag: Schlüsselstelle AbstiegHeute ist die -ebenfalls weitestgehend cleane- Nordwestkante (stellenweise V) des Pulpititurms (2613 m) fällig.
http://community.webshots.com/photo/103047311/103050323dBexWZ
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http://community.webshots.com/photo/103047311/103050597KqqlYa
Der KleFü konnte von der Kletterei gar nicht genug schwärmen. Er behält recht. Über bombiges Gestein geht es Seillänge um Seillänge aufwärts. Selbst in vielen gebohrten Routen habe ich mich (z.B. wg. zu hoch steckender Haken) nicht so wohl gefühlt wie heute. Nicht nur einmal verschwand mein gesamtes Schlingen- und Keilsortiment während nur einer Seillänge in Löchern und Rissen. Ehe wir uns versehen, ist die realtiv kurze Tour (7 * 35 bis 50 Meter im senkrechten Teil) unter uns. Es folgt ein super scharfer Grat, den wir trotz der geringen
Schwierigkeit (III) sichern. Denn zum Teil laufen wir wie auf Messers Schneide.
Doch das dicke Ende kommt. Eine harmlose I im KleFü verheißt einen bequemen Abstieg, dann stehen wir auch schon in einer 40 bis 50 Grad steilen, mit Feinschutt gefüllten Rinne. Das ist dann doch zu steil zum Abfahren. Zumal die Rinne laut KleFü "an ihrem Ende zu mehrmaligem Abseilen zwingt", d.h. eine unkontrollierte Abfahrt, und die ist bei dem Gefälle nicht mit 100% Sicherheit vermeidbar, ist das eine buchstäblich tod- sichere Sache. Irgend wo dran sichert mich dann Kerstin, bis ich einige Meter vor dem Abbruch nach rechts in eine andere Rinne steige. Diese ist zur Abwechslung nicht mit Feinschutt, sondern mit großen Blöcken gefüllt. Je nach zufälliger Lage dieser Blöcke bilden sich darin kleinere Überhänge. Mein Versuch, mich an dem "Dachblock" eines solchen Überhangs hoch zu ziehen, beendet die Existenz des Überhangs. Denn der Block, den ich allein aufgrund seines Volumens von etwa einem Kubikmeter als für meine 75 Kilo hinreichend tragfähig eingeschätzt habe, setzt sich in Bewegung und poltert einige Sekunden später mit einer einem Gewitter ähnlichen Geräuschentwicklung über den oben genannten Abbruch.
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Mein Interesse an der Herstellung von Fotos war ja schon lang erloschen. Aber jetzt ist es endgültig um meine Nerven geschehen. Zuerst muss ich mir klar werden, dass gerade kein Gewitter stattfindet. Dann lasse ich mir von oben ein Seil zuwerfen, an dem ich gesichert nach oben steige, natürlich nicht ohne weiteres Geröll zu Tal zu befördern. Kerstin folgt (ohne Sicherung!!!) in respektvollem Abstand, für die Rinne mit ähnlich (wenn auch nur temporär) reinigender Wirkung.
Endlich sind wir im sicheren Gelände. Was wohl bei Regen passiert wäre? Je nach Windrichtung entwässert die nur etwa 2 Meter breite Rinne ein etwa ein Hektar großes Gebiet. Über Hundert Liter Wasser pro Sekunde wären das, die unseren Weg nach unten - einer überdimensionalen Toilettenspülung nicht unähnlich - beschleunigt hätten. Lieber nicht dran denken.
Der weitere Abstieg ist jetzt ein Kinderspiel - ausgetreten wie ein Wanderweg. Ich gehe zurück zum Beginn des Serpentinenwegs, der den Wanderweg mit dem Einstieg verbindet, hole meine Wanderstöcke und meinen Rucksack. Die anderen hatten alles durch die Tour getragen und gehen zurück zur Hütte. Mein Umweg ist etwa 3 Minuten, die ich einhole, während Micha bizarre Bäume fotografiert.
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Warnung: Die launige Beschreibung des Abstiegs soll nicht darüber hinweg täuschen, dass mir während dieser Aktion alles Andere als zum Witze machen zu Mute war. Eine ernsthaftere Beschreibung des Erlebten würde sich aber zu sehr nach "Wir Helden der Berge" lesen.
Tipp 0: Es sollte eigentlich keiner Erwähnung bedürfen, dass die Tour nur bei absolut bombigen Wetterverhältnissen anzugehen ist. Deutlicher: Wer die Tour nicht bei todsicherem Wetter einsteigt, dem ist der Tod sicher - was an sich nichts Ungewöhnliches ist ("mors certa ..."), allerdings auch die Stunde. Und das steht im diametralen Gegensatz zum zweiten Teil des Spruchs ("...hora _in_certa").
Tipp 1: Einen Rucksack durch die Tour zu tragen, lohnt sich allein wegen der Wanderstöcke. In der nach unten führenden Rinne können diese Leben retten. Für die zweite Rinne können Grödel sinnvoll sein, die Rinne enthält einige Meter steiles Gras (OHNE Trittkuhlen) Und die Blöcke (wenn überhaupt) anfassen wie rohe Eier!!! Tipp 2: Wenn man doch ohne Rucksack klettern will, kann man diesen bei der vierten Spitzkehre des Serpentinenwegs deponieren. Das sind nur nur wenige Minuten unterhalb des Einstiegs. Der Abstiegsweg ist an dieser Stelle auch im Aufstieg zu erkennen.