Familienreferat


Vom Gotthard ins Tessin in 5 Tagen - 02.09. - 06.09.2006


Tourenbeschreibung Nr. 51, 69,70 in Alpin Wandern Schweiz, SAC Verlag

Schweizer Landeskarten


Weitere Informationen zum Gebiet auch auf der Homepage des SAC-CAS (Schweizer Alpenverein)
http://www.sac-cas.ch


1.Tag Anreise nach Realp (Nähe Andermatt) und Aufstieg zur Rotondohütte (2.509)

http://www.jo-sac.ch/rotondo/rotondo.html

Endlich war es soweit. Die Tessintour. Lange schon geplant und nun doch Wirklichkeit. Es finden sich ein: Ralph und Thilo , Ann-Sophie, Sabrina, und Lisanne. Die Tour interessiert sogar Erwachsene ohne Kinder: Gisela und Christine gesellen sich auch zu uns.

Um 12:00 wollen wir uns am Samstag in Realp zum gemeinsamen Abmarsch treffen.

© Lisanne 2006
Ausgangspunkt Bahnhof Realp

Das funktioniert natürlich nicht, denn sämtliche Widrigkeiten der Fahrtstrecken sind nicht kalkulierbar und so wird es denn 14:30 bis wir vom Bahnhof Realp losziehen Richtung Rotondohütte.

Gisela beginnt die Tour mit einem Free Solo on sight über die Toilettentür am Bahnhof in Realp, da sich die Tür nicht öffnen läßt.

Nach dieser anspruchsvollen Vorlage entscheiden wir uns für die Variante by fair means und verzichten auf die Genehmigung für die Militärstrasse bis Oberstaffel. Wir studieren aufmerksam den Schießübungsplan der Gegend, denn wir möchten ja nicht als Übungsobjekt der Schweizer Armee dienen und tot ankommen.

Sabrina beginnt die Wanderung wie üblich mit einem leichten Zickenterror - das muß immer so sein - und nachdem der Grund gefunden ist - nämlich ein schlecht sitzender Rucksack - geht es ganz friedlich weiter.

So ziehen wir dann mit einigen Rasteinlagen die doch etwas monotone Schotterstrasse bis Oberstaffel hinauf. Gisela und Christine geht es zu langsam; es ist ja auch gut wenn schon einer unser Kommen anmeldet und dafür sorgt, dass wir auf keinen Fall das Abendessen verpassen.

Vor dem Parkplatz Oberstaffel zweigt der Weg ins Gelände ab und es folgt ein malerischer Hüttenanstieg über Stock und Stein. Endlich sehen wir um 19:00 die Hütte. So, der erste Tag mit rund 1.000 Höhenmetern wäre auch geschafft. Die Hütte ist wie erwartet urig und das Publikum gut. Wir holen uns die letzten Tipps für den nächsten Tag und erfahren von der Hüttenwirtin, dass der im Wanderführer beschriebene Weg über den Witwasserengletscher und Rotondopaß im Sommer niemals begangen wird und der Übergang über den Passo Cavanna empfohlen wird.

Die Nachtruhe gestaltet sich angenehm, da wir ein eigenes Zimmer im Winterraum für unsere Gruppe erhalten hatten.

© Lisanne 2006
Nachtlager


2. Tag Von der Rotondohütte ins Val Bedretto (1.300)

http://www.capanneti.ch/piansecco/piansecco.html

© Lisanne 2006
Rotondohütte

Gisela und Christine brechen früh auf gen Leckihorn, dass sie als einziges machbares Gipfelziel für den nächsten Tag ausgemacht haben, da der Weg bis zur Pianseccohütte doch recht weit aussieht.

Der Weg bis zum Passo Cavanna führt weitestgehend über wegloses Gelände und einigen Klettereinlagen im IIer Gelände. Teilweise ist er gut zu finden, teilweise ist allgemeines Rätselraten angesagt.

© Lisanne 2006
Blockgelände

Eine Passage oberhalb eines Gletschertümpels wird leicht seilversichert, weil wir keine Lust haben, nasse Kinder für den Rest des Tages zu haben.

Es geht dann auch ohne besondere Zwischenfälle gemütlich mit großzügigen Pausen bis zum Cavannapass weiter.

© Lisanne 2006
kleine Zickeneinlage

© Lisanne 2006
friedliche Rast

Ann-Sophie schwelgt in Erinnerungen an den Film „Herr der Ringe Teil I” und wartet, dass wir vor den Toren von Moria landen, um den Weg durch das Zwergenreich zu nehmen. Die Orks lassen sich heute nicht blicken. Es ist also ruhig und das anfangs trübe Wetter bessert sich. Am Pass erwartet uns strahlender Sonnenschein über dem Bedrettotal.

© Lisanne 2006
Tiefblick ins Bedrettotal

Am Paß entscheiden wir, dass der Übergang bis zur Pianseccohütte zu langwierig wird. Die Hütte wird informiert und wir entschließen uns, nach Villa ins Bedrettotal abzusteigen. Ich hoffe inständig, dass es dort eine Pension gibt, die uns aufnimmt, sonst werde ich gesteinigt . Mit der letzten Kraft kommen wir in Villa an und fragen uns nach der einzigen Osteria durch, die natürlich ihre 3 Zimmer schon vergeben hat. Was tun? Nach einigem hartnäckigen Fragen und Hinweisen, dass wir nicht auf der Strasse übernachten möchten, rückt die Wirtin die Telefonnummern von anderen Pensionen raus und ich rufe in Bedretto an, erzähle, wie müde die Kinder sind und schon haben wir unser Nachtlager.

Auf die Frage nach einem Taxi ernte ich einen erstaunten Blick der Wirtin. Taxi???? Nein sowas gibt es hier im Bedrettotal nicht. Da muß man schon laufen. Hoffentlich nicht so weit. 10 Minuten mehr nicht bis Bedretto. Hoffen wir es mal . Auf dem Weg kommen wir an einem gediegenen Sperrmüllhaufen vorbei. Hier ist alles was das Herz begehrt. Matratzen, Kühlschrank, Wohnzimmereinrichtung, Fernseher und PC. Allein der Internetanschluß ließ etwas zu wünschen übrig. Na also, wäre doch garnicht so schlimm geworden, ohne Übernachtungsmöglichkeit. Man findet auf der Strasse alles was man braucht . Unter anderem finden wir auch unseren neuen SAN -Familientour Wanderpokal.

© Lisanne 2006
Schätze am Straßenrand

© Lisanne 2006
unser rettendes Lager

Wir ziehen die Osteria Pizzo Rotondo in Bedretto jedoch vor und sind froh, als wir dort die müden Glieder nach 10 Stunden von uns strecken können. Die Wirtin ist die Hilfsbereitschaft in Person. Möbel werden gerückt, damit Thilo bei seinem Papa im Einzelzimmer schlafen kann. Familie Benz bezieht ein geräumiges 4 Bett Zimmer mit Schrankbetten. Vorsichtshalber fragen wir die Wirtin, wie das denn aussieht, wenn noch zwei späte Wanderer kämen. Eine SMS von Gisela und Christine ließ den Schluß zu, dass sie den Weg bis zur Pianseccohütte auch nicht mehr wollten. Kein Problem für unsere wackere Wirtin und aus dem 4er Zimmer wurde dank Reserveschrankbetten ein 6er Zimmer. Flugs noch ein paar Möbel demontiert und in den Gang gestellt. Ich war begeistert von soviel Engagement und Flexibiltät. Gisela und Christine trafen dann auch um 21:00 ein und bekamen noch ein Nachtessen serviert. Der Luxus einer Dusche erhöhte die Qualität des Quartiers auch noch ungemein.


3. Tag Von Bedretto zur Capanna Cristallina (2.575)

http://www.capannacristallina.ch/index_tedesco.htm

Frisch erholt, begrüßten wir den nächsten Tag bei strahlendem Sonnenschein und vielversprechenden Temperaturen. Von Bedretto sollte ein Bus nach Osasco fahren, dem Einstieg zum Aufstieg auf die Capanna Cristallina. Busfahrpläne sind manchmal schwer zu interpretieren und somit warteten wir vergebens auf den Bus, der wohl nur irgendwann im Hochsommer fährt.

© Lisanne 2006
Bedretto

Um 11:00 haben wir das auch gemerkt, aber der Weg nach Osasco ist nicht weit und die knappe halbe Stunde schaffen wir auch noch. Also wieder bei fair means. Ich bin begeistert und hoffe auf Sektionslob. Man weiß schließlich, wie kritisch dieser Punkt ist.

© Lisanne 2006
Aufstieg zur Capanna Cristallina

Der Aufstieg zur Capanna Cristallina beginnt steil durch den Wald und führt zum Glück an einem kühlen Bachlauf lang. Doch irgendwann ist der Wald zu Ende und uns erwischt die Mittagshitze in vollem Umfang.

© Lisanne 2006
noch ist es bewaldet

© Lisanne 2006
müde Krieger am Wegesrand

Wir schleichen von Baum zu Baum mit unendlich vielen Trinkpausen. Gisela hatte sich schon von uns mit einem „ ein Gipfel muß heute noch her” verabschiedet. Christine war heute eher nach gemächlich zumute. Sie entschied sich für die Bummeltour mit Planscheinlage der Kinder auf einer Hochebene.

© Lisanne 2006
willkommenes Naß

© Lisanne 2006
Bergsee vor der Cristallina

Wie erwartet , zogen sich die 1.200 hm doch ordentlich hin und eigentlich war der Tag bis 18:00 gut rum gebracht. Zu früh soll man ja auch auf keiner Hütte ankommen. Das wird nur teuer. Die Capanna Cristallina ist recht neu und ein richtiges viereckiges Bollwerk im Gebirge direkt am Passo Cristallina, dem Übergang ins Val Bavona.

© Lisanne 2006
Endspurt

© Lisanne 2006
Panorama

Ich habe mir überlegt, ob sie mir gefällt und wenn ich recht überlege... doch ja eigentlich schon. Zumal sie perfekt organisiert und geführt ist. Die Zimmer sind vom Feinsten und das Essen ist auch sehr empfehlenswert. Einige Stararchitekten haben sich daran versucht, um die alte, durch Lawinen zerstörte Hütte damit zu ersetzen. Damit erklärt sich auch warum Gisela uns 200 Höhenmeter unterschlagen hatte. Ihre Karte aus der Sektionsbibliothek war doch ein etwas älteres Modell und verwies noch auf die Lage der alten Hütte.

© Lisanne 2006
Capanna Cristallina

Ein in italienischer Sprache gehaltenes Wandpamphlet gibt erschöpfend darüber Auskunft und Gelegenheit die Sprachkenntnisse zu testen.

Irgendwann am Abend tauchte Gisela auch von der Cima di Lago wieder auf. Gipfel kassiert und die Seele hatte Ruh´ bis zum nächsten Morgen, an dem der Pizzo Cristallina auf dem Programm stand.

Die Nachtruhe haben wir dankend eingehalten. 2 anstrengende Tage lagen ja schon hinter uns.


4. Tag Von der Capanna Cristallina zur Capanna Basódino (1.856)

http://www.cas-locarno.ch/capanne/Basodino/deu/basodino/capanna.html

© Lisanne 2006
Blick auf den Basódino

Für den nächsten Tag stand nur noch ein lässiger Abstieg von 800 hm auf dem Programm bis zur Capanna Basódino. Der Saumpfad von der Cristallinahütte führte malerisch am Abgrund eines Gletschersees entlang und ich entschloss mich, Sabrina doch lieber mal am Rucksack festzuhalten. Man weiß ja nie. Vor uns lag dieser herrliche Basódino, der in kaum einem Tourenbuch zu finden ist.

© Lisanne 2006
Tiefblicke auf die Seen

Das wär doch mal was. Aber nicht auf dieser Tour.

Heute lag das Interesse der Kinder eher im Steinesammeln. Es gab Kristalle (deshalb Cristallina) und Quarze, die man bergwerkartig aus den Felsen treiben konnte.

© Lisanne 2006
Steinsammler

© Lisanne 2006
Bergwerk

Mittlerweile war Gisela von ihrem Ausflug auf den Pizzo Cristallina auch wieder zurück. Irgendwann war es ihr mulmig auf dem Grat geworden.

© Lisanne 2006
Cima delle Donne.... ?????

Ein Blick nach oben zeigte uns die Cima delle Donne. Na, das können wir ja noch machen. Die Kinder hatten keine Lust und blieben lieber bei ihren Steinen. Ralph opferte sich zur Aufsicht und somit zogen Gisela, Christine und ich ohne Gepäck über Blockgestein nach oben. Es mußte die Direttissima sein. Es war schon klar, das nach dem steilen Wiesenanstieg eine üble Block- und dann rutschige Schutthalde folgte.

© Lisanne 2006
Schutthügel

Irgendwie 50 m unterhalb des Gipfels wurde es dann etwas kriminell. Rauf geht ja meist immer, aber man muß ja auch wieder runter. Deshalb wurde Umkehr beschlossen und der sinnlose Schutthügel namens Poncione della Forca di Cristallina sich selbst überlasssen. Das war bestimmt ne Erstbesteigung. Da geht sonst niemand hoch. War ja auch nicht die Cima delle Donne. Karten müßte man lesen können.

Gisela war noch nicht ausgelastet und beschloß, nun noch den korrekten Hügel im Sturm zu erobern. Der Rest hatte keine Lust mehr, die Kinder hatten ausgespielt und uns zog es in der Mittagshitze langsam zur nächsten Hütte und zum zischenden Getränk.

© Lisanne 2006
R.I.P Giselas Hinterlassenschaft

Die Capanna Basódino ist auch eine von den Hütten, die einfach nicht näher kommen wollen. Nach einer ausgiebigen Rast und nochmaligen Auffüllen der Wasserflaschen am Bach, entschlossen wir uns für die Weicheivariante über die Fahrstrasse und ließen den Naturweg, Naturweg sein. Die Entscheidung erwies sich als richtig, denn der Wanderweg erging sich in idyllischen Gegenanstiegen und Umwegen, zu denen keiner mehr Lust hatte.

Wir wunderten uns, warum Sabrina wieder über ihren Rucksack klagte. Allerdings nur verhalten. Warum erfuhren wir an der Capanna Basódino. 3 kg Steine im Rucksack. Klar hätten wir die ausgekippt, wenn wir das mitbekommen hätten. Sabrina durfte ihre Beute behalten, denn am nächsten Tag war ja nur noch die Heimreise angesagt.

© Lisanne 2006
Sammelleidenschaft

© Lisanne 2006
an der Basódinohütte

© Lisanne 2006
verdiente Rast

Der Abend verlief gemütlich und friedvoll. Es gab leckere Polenta, die die Kindern absolut nicht mochten, was das Herz der Köchin nicht gerade höher schlagen ließ. Aber so ist das nun mal andere Länder andere Sitten und die mögen die Kids nicht immer.


5. Tag Abfahrt mit der Seilbahn nach San Carlo im Maggiatal

und Rückfahrt durch das Maggia-Tal über Locarno mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Realp (5-6 Stunden)

© Lisanne 2006
endlich eine Seilbahn

Die Capanna Basódino liegt direkt an der Seilbahnstation Robiei - San Carlo im Bavona Tal. Nun ist Schluß mit fair means. Man soll es nicht übertreiben. Sektionsehre hin oder her. Aber wir blieben ja mit öffentlichen Verkehrsmitteln umweltbewußt. Die Seilbahnfahrt bot nette Tiefblicke und jeder war froh, den langen Weg nicht laufen zu müssen.

Unten in San Carlo wartete bereits der Bus, der uns nach Bignasco herausfahren sollte. Perfektes Timing. In Bignasco am Ausgang des Val Bavona gleich der nächste Bus bis Locarno. Und in Locarno gleich Anschluß an die Eisenbahn über Andermatt nach Realp - unserem Ausgangspunkt.

Das war Sight Seeing durch die Schweiz vom Feinsten. Erst das Maggiatal, dann das Tessin aufwärts Richtung Gotthard, um dann wieder auf Urner Boden zu landen.

In Realp hieß es Abschied nehmen. Alle waren sich einig: Das war eine gelungene Tour und dringend im nächsten Jahr wiederholungsbedürftig. Da fällt mir schon noch eine einsame und nicht überlaufene Gegend ein. Im Gegensatz zu anderen überrannten Alpengegenden waren wir auf der gesamten Tour fast allein auf den Wegen, lediglich um die Capanna Cristallina ist etwas mehr los, aber gemessen an der Nähe zur Seilbahnstation ist dies sehr gemäßigt.

Die Kinder haben sich den ganzen Weg über recht souverän verhalten, es ist nichts auf den Hütten liegengeblieben und das Gemaule hielt sich in Grenzen.

© Lisanne 2006
Abschiedsfoto

Lisanne

 

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