Das schrecklich anspruchsvolle Schreckhorn
Eddi Hirth und Karl Leonhardt am 8.8.04


Um 1:45 Uhr wird vom Hüttenwirt geweckt (wenns Wetter gut ist) der Frühstückstisch ist gedeckt, ca 20 Bergsteiger, meist 2er oder 3er Seilschaften machen sich bereit, um 2:15 geht’s dann mit eingeschaltener Stirnlampe gassi. 
Schreckhorn

Hinunter zum Gletscher noch weit verstreut, kommen dann irgendwie nach einer halben Stunde alle Glühwürmchen fast gleichzeitig an den Steilaufschwung wo der Trampelpfad hinauf zum Gaagg beginnt, zusammen. Nach einigen Überholmanövern bildet sich ein Lindwurm  mit einem Schweizer Bergführer an der Spitze, der in wahnwitzigem Tempo im Zickzack nach oben zieht. 

Der Schweiß rinnt in Strömen, aber keiner will abreißen lassen und dann den Weg in der Dunkelheit selbst suchen. Schon nach nicht mal 2 Std sind wir am Gletscher auf ca 3160m angekommen und da nun die Steigeisen angezogen werden müssen, gibt’s zum Glück eine erste kurze Pause. Angeseilt geht’s dann eine weitere Stunde über den Gletscher bis zum Bergschrund auf der Südseite des Schreckhorn bei ca 3500 m. Der Schrund lässt sich gut überwinden, jedoch ist das Seil dabei sehr angenehm. Die meisten Bergsteiger gehen nun zum Südwestgrat ( Normalweg) einige sind schon am Gaagg Richtung Lauteraarhorn abgebogen, außer uns steigt noch eine 2. Seilschaft mit am Südpfeiler ein. 

Inzwischen ist es kurz vor 6 Uhr und hell, wir lesen nochmal kurz die Routenbeschreibung und klettern dann los. Die ersten 3 SL sind leicht, es hat aber noch einigen Neuschnee und stellenweise auch noch Eis. Die andere Seilschaft hat sich etwas zu weit in das nun beginnende Couloir begeben und dreht nun um. Somit klettern wir allein weiter und ich muss in der nächsten SL mittendrin die Steigeisen anziehen und mit einer Eisschraube sichern, weil der Fels noch so vereist ist. Weiter oben sieht es aber besser aus, und wir hoffen dass nun bald die Sonne rauskommt und den Fels trocknet. Die Schwierigkeiten bleiben anhaltend hoch, und wir haben alle Mühe in den Bollerstiefel  die Kletterstellen zu bewältigen. 
Seit der 3. SL klettern wir mit dem Doppelseil und erfahren gleich dass diese Sicherheitsreserve bitter notwendig ist, denn durch einen Steinschlag durch Seilzug ausgelöst wird ein Strang zur Hälfte durchtrennt. Aber der Fels wird nun fester aber auch steiler und wir können nun die Kletterschuhe anziehen, dadurch wird der Rucksack zwar wieder schwerer, aber in den Stiefeln wären wir die nun folgenden V er Stellen nicht hochgekommen. Die Beschreibung der Route  und die Schwierigkeiten der Kletterstellen stimmen aber nun irgendwie nicht mehr überein, es müssten nun auch die einzigen Sicherungshaken kommen, wir finden aber keine. Es geht SL um SL in anhaltenden Schwierigkeiten weiter und die Zeit verfliegt wie im Flug. 
Noch mal bringt uns Steinschlag in Schwierigkeiten Eddi wird am Ellbogen getroffen zum Glück kann er aber weiter klettern.  

Die angegebenen 6 Std sind schon vorbei aber bis zum Gipfel ist es noch weit. Wir sind nach unserem Gefühl recht flott unterwegs, klettern immer im Überschlag, höchsten beim Standplatzbau oder beim Legen von Zwischensicherungen könnte man noch etwas schneller sein. Weit oben, die Aussicht ist nun gigantisch, wartet noch ein langer Riss, der uns noch mal alles abverlangt, bis wir dann auf dem südlichen Vorgipfel ein kurzes Stück hinunter in eine Scharte müssen und dann am langen Seil gleichzeitig die letzten 100 Meter zum Gipfel gehen. Nach 10 Stunden klettern, mit nur 2 kurzen Trinkpausen sind wir um 16:00 Uhr endlich oben am Gipfel des 4078 m hohen Schreckhorns.  
Die Zweifel warum wir so lange gebraucht haben erklären sich beim Nachlesen der Beschreibung, wir sind spätestens nach der 4. SL vom geplanten Südpfeiler ( 6 Std V-) in die „direkte Südwand“ geraten die im Führer mit deutlich schwieriger ( V+) und mit den 10 Std die wir auch unterwegs waren, beschrieben ist. Wir freuen uns über die für uns beide längste und anspruchvollste Klettertour die wir je gemacht haben und nehmen uns nun vor, ganz vorsichtig und hoch konzentriert den Abstieg über den „Normalweg“, der immerhin mit III+ einer der schwersten Normalwege auf einen 4000 er ist, anzugehen. Es sind hier ca alle 30 m Abseilstellen eingerichtet, da man beim Abseilen am Seil gesichert ist nehmen wir die Sicherungen gerne an, auch wenn wir dafür natürlich viel mehr Zeit brauchen als beim abklettern. Leider verfängt sich das Seil auch noch 2 mal beim Abziehen und einmal geraten wir auch zu weit hinüber in „unsere“ Südwand, so sind wir nochmals über 4 Std unterwegs bis wir im Einstiegscouloir oberhalb des Bergschrunds ankommen. Es sind nun noch ca 50 HM in 40° steilen weichen Firn abzusteigen bevor es kurz oberhalb des Bergschrunds noch mal kurz auf den Fels hinüber geht. Bisher war das Wetter bestens, aber nun zieht doch noch ein Gewitter auf, außerdem haben wir auch nicht mehr lange Tageslicht. Also nichts wie hinunter, bis kurz vor dem Übergang in den Fels ging alles bestens, dann kam aber  eine Blankeis Stelle und ich rutsche aus, kann mich aber nach einigen Meter wieder fangen. Außer einigen Abschürfungen an der rechten Hand ist zum Glück nichts passiert. 
Also Steigeisen anziehen, wir brauchen sie ja sowieso gleich wenn‘s wieder über den Gletscher geht.  Nun kommt noch der Bergschrund, der ist nicht mehr ganz so einfach wie am Morgen zu überwinden, weil der Schnee jetzt viel weicher ist, wir sacken zwar beide nacheinander bis zum Bauch ein aber bis auf eine Triangel die ich mit den Steigeisen in meine Hose reiße geht alles gut. Nun endlich nach 15 Std in der Vertikalen, wieder auf eher horizontalem Terain  kommt aber doch ein mächtiges Gewitter, erst mal alles Eisen ablegen und das Gewitter abwarten?? Die Zeit drängt, wir wollen noch bei etwas Tageslicht den Beginn des Trampelpfads vom Gaagg hinunter finden, deshalb doch gleich weiter gehen im heftigen Graupelschauer in  der noch guten Spur über den Gletscher zurück. An 2 größeren Spalten wird noch mal mit dem Pikel gesichert und um 22:30 Uhr haben wir wieder festen Boden unter den Füssen. Steigeisen ausziehen einen Bissen essen, mehr geht irgendwie nicht, den letzten Schluck aus der Trinkfalsche (eineinhalb Liter)  und nun den Weg, den wir schon im Dunkeln hochkamen wieder im Dunkeln hinunter finden. Es kommen uns 2 Lichter entgegen, ob wir wohl schon vermisst werden?  

Nein es sind 2 junge Burschen die hier biwakieren, damit sie morgen schneller am Einstieg (zum Südpfeiler) sind. Immer wieder kommen wir vom Weg ab, und es gilt dann gleich zurück zu gehen bis man wieder sicher auf den Weg ist. Meine Lampe ist nicht mehr sonderlich hell, deshalb hat Eddi die schwere Aufgabe den Weg zu finden. Wir brauchen runter deutlich mehr Zeit als am Morgen hoch, aber es ist wichtig auf dem Weg zu bleiben weil daneben teilweise Absturzgelände ist. Auch diesen Abschnitt haben wir gut gemeistert, bei zum Glück nun vorbeigezogenem Gewitter aber mit beeindruckendem Wetterleuchten geht es nun noch 1 Std über den mit Geröll übersäten und weglosen Gletscher zurück zur Moräne auf der die Schreckhornhütte steht. Ganz unerwartet wird dies nun noch der schwerste Teil der Tour vor allem  an der richtigen Stelle übers Geröll die Moräne hochzuklettern und die Hütte zu finden. Nach einiger Sucherei ( trotz GPS) hat dann einer in der Hütte zur genau richtigen Zeit Blasendrang und schaltet ein Licht ein, somit entgehen wir doch noch dem schon befürchteten Biwak und sind total Erschöpft nach gut 22 Std wieder zurück.


Links der Südwestgrat (Normalweg) etwa  in der Bildmitte direkte Südwand und rechts daneben der Südpfeiler.

 


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