Großglockner - 09.-10.09.2006


Wer mich kennt, weiß, dass ich seit über 30 Jahren immer wieder nach Osttirol fahre - in dieses wunderschöne „Anhängsel” Tirols.
Osttirol liegt eingebettet zwischen dem Alpenhauptkamm, Südtirol und Kärnten und hat einen großen Anteil am Nationalpark Hohe Tauern. Hier finden sich die höchsten Berge Österreichs, Großglockner und Großvenediger liegen auf der Grenze, Hochgall, Dreiherren-, Simony- und Rötspitze sind einige der klingenden Namen, die nicht nur Wanderer immer wieder nach Osttirol locken.

Nun aber genug der Tourismuswerbung, ich sollte endlich zur Sache kommen ;-)

Auch Hedo und Kempfer zieht es immer wieder dorthin und so bekomme ich eine Mail mit der Einladung, doch ein Wochenende bei ihnen auf der angemieteten Hütte zu verbringen. In einem Nebensatz schreibt er was von Glockner, Bergführer, usw…
??? Bergführer ???
Wozu haben wir eigentlich einen FÜL Hochtouren frisch ausgebildet?
Außerdem lechze ich nach meinen ersten 4.000ern ja nach neuen Herausforderungen und auf den Glockner wollte ich schon immer …

Lange Rede, kurzer Sinn, nach ein paar Mails hin und her steht fest, dass Alex mit uns auf den Glockner gehen wird.
Am Samstag treffe ich mich erst mit Alex und medl in Mittersill, anschließend fahren wir nach Kals, um den Glockner über Lucknerhütte, Stüdlhütte und nach einer Nacht auf der „Adlersruhe”, der Erzherzog-Johann-Hütte zu erobern.

© Pet 2006
Das Objekt der Begierde

Der Aufstieg von Kals geht erstmal gemütlich dahin - sofern man bei dem Gepäck von gemütlich reden kann. Wir tragen abwechselnd das Seil (außer Alex, der FÜL trägt kein Seil!), aber bis zur Lucknerhütte bleibe ich noch verschont.
Hedo begleitet uns bis hierhin, abends wird Bergfan62 zu ihr stossen, sie werden die Nacht hier verbringen und am nächsten Tag auf uns warten.

© Kempfer 2006
Trinkpause auf der Lucknerhütte

Je höher man geht, desto wichtiger wird es, ausreichend zu trinken. Also nutzen wir jede Hütte auf dem Weg um unsere Flüssigkeitsdepots aufzufüllen, außerdem haben wir ja den ganzen Tag Zeit für den Aufstieg zur Adlersruhe.

Ein letztes Foto, Hedo lässt den Bergteddy an ihrem Rucksack zum Abschied jodeln ;-) und auf geht’s!

© Kempfer 2006
Abschied von Hedo

Der Weg zur Stüdlhütte wird für mich ungleich anstrengender - das Seil liegt auf meinem Rucksack, der vorher schon gute 13kg hatte. Jetzt sind es 17kg …
Unnötig zu erwähnen, dass ich mittlerweile auch zu den Irren gehöre, die Unmengen Geld für Ausrüstung ausgeben, die ein paar Gramm leichter ist als die günstigere ;-)

© Pet 2006
Die Stüdlhütte - Schönheit liegt im Auge des Betrachters …

Nach der Stüdlhütte geht es für mich befreit weiter - Kempfer ist der Arme, den es nun trifft. Und das bei zunehmender Höhe. Naja, wir haben uns diese Freizeitbeschäftigung ja selbst erwählt &hellip
Es geht endlich auf den Gletscher, der ist total aufgeweicht und die Steigeisen bleiben im Rucksack, aber natürlich gehen wir brav und schulmäßig am Seil. Kempfer ist für’s erste erlöst.

Jetzt zeigt sich wieder, dass ich in den vielen Jahren doch fast zu einer Einheimischen geworden bin: mir kommt ein bekanntes Gesicht entgegen, mein Lieblingshüttenwirt aus dem schönen Defereggental, bei dem es den besten Kaiserschmarrn überhaupt gibt! Wie oft bin ich von dort nach einem lustigen Hüttennachmittag im Dunkeln abgefahren!
Nach einem kurzen Ratsch geht es weiter, wir verabschieden uns bis zum Winter - konnte ja keiner ahnen, dass der ausfallen wird …

© Pet 2006
Berg(ver)führer *ggg*

Nach der ersten Gletscherberührung können wir bzw. Kempfer das Seil wieder einpacken und es geht ins Blockgelände. Das ist zwar nicht schwer, aber trotzdem fast durchgängig mit einem Drahtseil versichert. Allerdings macht sich die Höhe nun wirklich bemerkbar, wir sind ja bereits über 3.000m. Ich bin froh, dass noch ein wenig von meiner Wallis-Akklimatisierung übriggeblieben ist.

© Pet 2006
Ganz schön anstrengend, diese Höhe …

Das Drahtseil geht quasi direkt auf die Hüttenterrasse, auf der wir erstmal die schweren Rucksäcke abladen.

© Pet 2006
Geschafft! :-)))

Der Blick ist fantastisch, das Wetter ein Traum. Keine Wolke weit und breit. Leider sieht man von hier oben auch, dass die Gletscher alle mal größer waren …

© Pet 2006
Trauriges Zeugnis des Klimawandels

Die Erzherzog-Johann-Hütte liegt bereits auf 3.454m, auf jeden Fall meine bisher höchste Nacht. Um keine Höhenprobleme zu bekommen muss man unbedingt viel trinken. Für mich kein Problem, das bin ich gewohnt: an diesem Tag komme ich insgesamt auf 6 Liter. Aber viele Leute müssen sich wirklich zum Trinken zwingen.

© Kempfer 2006
Trinken, trinken, trinken gegen die Höhenkrankheit

In der Hütte selber herrscht Chaos, es sind einfach nicht genug Tische und Sitzgelegenheiten für die Unmengen an Bergsteigern da. Wir machen den Fehler, unseren Tisch nach dem Essen kurz zu verlassen und finden prompt keinen Platz mehr.
Allerdings dauert es ziemlich lange, bis die Arbeiter, die auf der Hütte eingesetzt sind, ihren Tisch in der Stube freimachen und in die Küche umziehen …

Unter diesen Umständen tritt zum ersten Mal deutlich zutage, was von der vielbeschworenen „Kameradschaft am Berg” noch zu halten ist:
Die Leute rutschen nicht einmal zur Seite, wenn jemand mit einem vollbeladenen Teller einen Platz zum Essen sucht. Und noch besser wird es, als ein blutüberströmter Bergsteiger reinkommt, der am Glocknerleitl gestürzt ist und dank kurzer Hosen und Ärmel direkte Bekanntschaft mit dem harten Schnee machen konnte - er wird von allen im Vorraum anwesenden ignoriert, nur Alex fragt ihn, ob alles okay ist. Zum Glück wohl nur Schürfwunden und ein leichter Schock.

© Pet 2006
Sonnenanbeter

Einige Bergsteiger nutzen das tolle Wetter um den Sonnenuntergang am Gipfel zu erleben, der Rest tut das draußen auf der Terrasse. Wirklich ein tolle Stimmung, aber fast noch besser gefallen mir die ganzen Leute, die alle mit gezückten Kameras in die gleiche Richtung starren ;-)

© Pet 2006
Ist aber auch herrlich, der Sonnenuntergang fast am Dach Österreichs

Wir werfen einen letzten Blick auf das Objekt (nicht nur) unserer Begierde und begeben uns auf’s Lager.

© Kempfer 2006
Der Glockner im letzten Tageslicht, rechts das Glocknerleitl, unsere Aufstiegsroute

Am Morgen geht es zu humaner Stunde los, wir haben keine Eile, das Wetter ist perfekt und wir können uns Zeit lassen. Halskratzen und Kopfweh sind ein Thema, für mich zum Glück nicht, Wallis sei Dank!

Wir stapfen los, endlich wieder Schnee unter den Füßen! Die Spur ist breit ausgetrampelt, die Steigeisen haben wir schon angelegt. Ich gehe voran, bis kurz unterhalb des Felsaufbaus, wo das Gelände etwas aufsteilt. Bisher war der Schnee weich, so kenn ich das bisher nur vom Hochtourengehen: entweder weicher Stapfschnee oder komplett apere, flache Gletscher. Aber plötzlich ist vor mir eine blanke Stelle, richtiges Wassereis.
Da kommt die Schisserin gleich wieder raus, wie soll ich denn hier nur die Steigeisen setzen? Das ist ja schräg und überhaupt ist das hier doch kein Wasserfall …

© Kempfer 2006
Aufstieg über’s Glocknerleitl

Aber wir haben ja Alex dabei, der ist die Ruhe selbst, ein paar Meter oberhalb befindet sich der erste Haken, ab dort möchte er eh sichern. Also soll ich einfach stehenbleiben und warten, bis er das Seil eingehängt hat.

© Kempfer 2006
Konzentration am Beginn der Sicherungen

Wir bringen das etwas steilere Gelände hinter uns und erreichen den Blockgrat, der auf den Kleinglockner führt. Da nicht sicher ist, mit wieviel Schnee bzw. Eis wir noch rechnen müssen, lassen wir die Steigeisen einfach an.

© Kempfer 2006
Immer am wunderbaren Blockgrat entlang

Hier stehen Sicherungsstangen, so dass der weitere Aufstieg kein Problem ist - wären da nicht die Unmengen an Leuten, die mit mehr oder weniger bergsteigerischer Erfahrung auch einmal den Glockner „machen” wollen …
Ein Mädel macht schmerzhaft Bekanntschaft mit den Steigeisen eines anderen, der ihr auf die Finger tritt …

Trotzdem, mir macht das Steigen mit den Steigeisen Spaß, manche Felsen haben schon richtige Löcher an den Stellen, wo die Leute die Eisen setzen. Man kann fast schon einrasten!

© Kempfer 2006
Völkerwanderung …

Wir übersteigen den Kleinglockner, dann geht es hinab in eine Scharte, hier kommt eine knapp fußbreite Stelle, die überquert werden muss. Drei Schritte, mehr nicht. Ich bin an dritter Stelle am Seil, Kempfer kommt nicht schnell genug nach, so dass ich genau in der Mitte kurz stehenbleiben muss. Geiler Tiefblick! Welche ist denn nun die Pallavicini? Rechts oder links?
So macht das richtig Laune, und bald haben wir den Gipfel erreicht.

© Pet 2006
Gipfelimpressionen

Hier ist Platz genug für alle, und es ist wirklich unglaublich, was für ein Wetterglück wir haben!
Wir machen eine ausgedehnte Pause und genießen die Aussicht. Von allen Seiten, über alle Grate strömen die Bergsteiger auf den höchsten Punkt Österreichs.

© Kempfer 2006
Ein Traum!

Nach einer Weile machen wir uns wieder an den Abstieg.
Wir kommen wieder an die Engstelle, diesmal bin ich vorne am Seil. Damit ich hier zügig weiterkomme, muss Kempfer mir Schlappseil geben. Forsch schreite ich los, links, rechts, hebe den linken Fuß wieder - Schluck … irgendwie ganz schön tief da links und rechts … das ist doch anders, wenn man nicht in der Mitte vom Seil geht … ich setze den Fuß wieder zurück, wieder vor, zurück … nun reiß dich aber zusammen, wenn du jetzt rumzickst, bringen dich die hundert Leute hier um, die alle noch rauf oder runter wollen …
Also Luft holen, Fuß doch nach vorne setzen und schon bin ich auf der anderen Seite. Geht doch!

Was ich gestern noch als missverstandene Bergkameradschaft eingestuft habe, erleben wir jetzt erst richtig …
An einer Stelle, an der schlecht passiert werden kann, steht eine italienische Seilschaft und wartet. Ich frage ob sie rauf oder runter wollen. Rauf. Na, kein Problem, es ist 10h früh, ich hab es nicht eilig. Also bleib ich stehen, um die vier Jungs, die schon fast eine halbe Stunde nicht vom Fleck gekommen sind, durchzulassen.
Da hab ich aber nicht mit der Rücksicht der anderen Bergsteiger hinter uns gerechnet. Die sind scheinbar auf der Flucht und müssen daher unbedingt in unsere Seilschaft reinstapfen, kreuz und quer über unser Seil, da sie keinesfalls die zwei Minuten abwarten können …
Dies führt nun bei medl zu einer gewissen Verunsicherung, so dass Alex genug zu tun hat, sie einerseits zu beruhigen und sich andererseits mit den Knallköpfen um uns herum zu streiten.

Der Stress, den die beiden am Ende des Seils erleben, kommt bei mir vorne nicht an. Ich bleibe einfach stehen, wenn irgendwer meint, unbedingt überholen zu müssen, in der Ruhe liegt die Kraft!
An einer Engstelle wischt mich zwar einer fast mit seinem Rucksack von der Kante, auf der ich stehe, aber auch das bringt mich nicht aus der Fassung. Ich genieße die Tour trotz allem, aber schöner wäre es natürlich ohne diese Masse an rücksichtslosen Möchtegern-Bergsteigern. Aber dann darf man halt nicht auf den Großglockner gehen.

Wir erreichen wieder das Glocknerleitl, wir brauchen kein Seil mehr und Alex nutzt die wiedergewonnene Freiheit und zeigt uns, was ein FÜL so lernt auf seinen Ausbildungen - die Höhe seiner Sprünge kommt auf dem Foto leider nicht ganz raus.

© Kempfer 2006
Alex beim Posen

Als wir die Hütte erreichen, hat sich die Aufregung gelegt und wir können uns alle wieder über unseren Gipfelsieg freuen.

© Pet 2006
Glück, Glück, Glück!

Noch ein schnelles Getränk und absteigen, Hedo und Bergfan62 warten schon auf uns. Sie sind uns sogar zur Stüdlhütte entgegengekommen, wo wir bei einer kurzen Einkehr von unseren Heldentaten berichten.

Auch wenn der Großglockner ein überlaufener Modeberg ist, es ist eine tolle Tour und ein wunderschöner Gipfel. Der Aufstieg von Kals ist landschaftlich sehr abwechslungsreich, eine Übernachtung auf der Stüdlhütte ist möglicherweise etwas entspannter, aber zugehen dürfte es dort auch.
Ich liebe das feste Blockgestein, das ich seit frühester Jugend aus den Hohen Tauern gewohnt bin, hier macht das Gekraxel wirklich Spaß und so bietet der Berg eine wunderschöne, nicht allzu schwere kombinierte Tour. Für mich war’s sicher nicht das letzte Mal am Glockner!

Vor allem muss ich Alex danken, es war das erste Mal, dass er nach seiner FÜL-Ausbildung eine Tour geführt hat und das macht er toll! Wir haben uns alle sicher und wohl bei ihm gefühlt und die teilnehmenden Vorstandsmitglieder haben einstimmig beschlossen, dass wir ihn „auf unsere Mitglieder loslassen” können ;-)

Danke an medl, Kempfer und Alex für eine tolle Tour. Ich hoffe, wir gehen wieder einmal als Team!

Text: Pet; Fotos: Kempfer, Pet

 

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