Großer Möseler (3480m) attempt, SAN Hochtourenwochenende 25.-27.07.2008


© BergBär 2008

Es ist Sonntag Nachmittag, wir sitzen auf der Terasse des Furtschaglhauses, trinken Kaffee und häkeln Luftmaschen.
Nicht dass die SAN seit neuestem Kaffeefahrten veranstaltet, es hat einfach nicht gepasst, nicht gereicht. Vordergründig schwingt gute Stimmung, wie schon während des gesamten Wochenendes. Unterschwellig ist aber deutlich das Ringen mit der Niederlage, dem ausgebliebenen Gipfelerfolg, zu spüren - aber auch die Erleichterung, die Gefahren der Berge zwar gefühlt zu haben, sie aber nicht erfahren zu haben, heil wieder runter gekommen zu sein, lässt sich nicht ganz verbergen.

Für mich hat es eh auch schon ein bisschen verrückt angefangen: es ist Donnerstag später Abend als ich mit Alex telefoniere und mich spontan entscheide auf den frei gewordenen Platz aufzuspringen. Ich packe bis weit nach Mitternacht, die Wettervorhersage ist nicht gerade astrein für ein Hochtourenwochenende, was soll´s. Zum erstaunen meines Chefs mache ich am Freitag schon früh Feierabend, hetze mich durch den Verkehr des ersten Ferienwochenendes und schlängle mich hinauf bis ziemlich letzten fahrbaren Ende des Zillertals. Scheiße, ich bin zu spät. Als ich zu der für das Treffen ausgemachten Zeit den Alex anrufe erfahre ich, dass sie noch hinter mir sind. Erleichterung. Kurz darauf treffen wir uns am Schlegeisspeicher.

Zugegeben, innerlich bin ich schon leicht aufgeregt, Hochtouren sind noch relativ neu für mich, die anderen Teilnehmer kenne ich nicht. Doch dann Erleichterung Teil II: Pet, Beate, Hans und Alex entpuppen sich rasch als sympathisch. Kurz mache ich mir noch Sorgen, ob das nicht alles Freaks sind und ob ich mich da nicht überfordere. Dass dem Hans seine Koflach Plastikstiefel und sein Helm ein bisschen so aussehen, als hätte er alle Hochtouren der Alpen langsam schon durch, hat ja noch lange nix über den Schwierigkeitsgrad dieser Tour zu sagen – rede ich mir ein um den Gedanken auszublenden.
Kurz noch Sonnencreme auftragen und lernen, dass man mit „Babylove LSF 50“, wenn man es zu dick aufträgt, die anderen ganz gut belustigen kann, und schon geht es los.

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Es wird auch Zeit. Kurz vor Sieben erreichen wir nach eineinhalb Stunden Aufstieg um den Schleigeisspeicher und den Talschluss hinauf das Furtschaglhaus. Nach dem ersten Erfrischungsgetänk schreiten wir zum Abendessen über, besprechen die Tour. Es folgt Erleichterung Teil III: wir haben ein zehner Lager für uns fünf. Paradiesische Platzverhältnisse und die Aussicht auf tatsächlichen Schlaf, was will man mehr, der perfekte Ausnahmezustand auf DAV Hütten. Tatsächlich habe ich durchgeschlafen, nicht mal gemerkt, dass Carola um zwei Uhr nachts angekommen ist, denke ich mir als sie am nächsten morgen neben mir liegt.

Wir frühstücken und brechen gegen Sieben Uhr morgens zum Zustieg auf. Während des Weges über die weit freiliegende Seitenmoräne treffen wir eine Kursgruppe, die zum Training auf den Gletscher will. Eine zweite Gruppe ist mehr als eine Stunde vor uns schon aufgebrochen. Sonst sind keine Bergsteiger zu sehen, das Verkehrsaufkommen hält sich also in Grenzen. Es sind zwar Wolken aufgezogen, doch noch ist die Sicht auf den Großen Möseler, das Furtschaglkees und das Felsköpfl frei.

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Am Gletscher angekommen geht´s in die Steigeisen und ans Seil. Mit drei, vier Kehren serpentieren wir das kurze Gletscherstück hinauf bis zum Felseinstieg. Entlang Alexs Route sind die beeindruckenden aperen Spalten zu sehen, deren zugewehte Ausläufer wir teilweise gequert haben. Der Firn wird nur einmal von einer mäßig steilen Eisplatte unterbrochen. Soweit kein Problem. Am Felsköpfl angekommen steigen wir in die Felsflanke ein. Ziemlich großer Schutthaufen mit einigen festen Felsblöcken, zum Glück ist niemand über oder unter uns unterwegs und wir müssen nur auf uns selber aufpassen.

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Wir kommen nicht ganz so schnell voran wie es ideal wäre. Schließlich schlägt das Wetter um und die Wolken ziehen zu. Erste Diskussionen um das Umkehren kommen auf. Alex checkt mittels Handy kurz den Wetterbericht, dann die Entscheidung: Abbruch. Die Gewittergefahr wird zu hoch um die Tour an dieser Stelle fortzusetzen.
Nach einer kurzen Pause machen wir uns an den Abstieg. Also wieder runter. Alex beschließt beim Abstieg direkt in der Rinne abzugehen. Nach einigen Metern durch den kaum Halt bietenden Schutt mit geringer Firnauflage wird schnell klar, dass dies ungesichert zu gefährlich ist. Nach einigem Suchen findet Alex doch Felsbrocken, denen er seinen gesamten Vorrat an Klemmkeilen anvertraut. Er baut einen Stand und sichert Hans, der wiederum mit seinem Abstieg für uns das Fixseil in die Rinne legt. Die zwei mal 60 Meter reichen gerade bis zum Auslauf der Rinne auf den Gletscher. Einzeln steigen wir mittels Prusik gesichert durch die Rinne ab. Ich komme mir vor wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen, immer wieder gehen lose herumliegende Steine, ausgelöst durch das Seil oder unaufmerksame Tritte, aber auch spontan die Rinne ab. Wie gut, dass wir alle Helme auf haben.

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Das Absteigen einzeln dauert sehr lange. Während ich oben warte wird klar, dass der Wetterbericht doch einmal mehr recht haben sollte: erst regnet es, dann folgt Graupel. Auf dem Runterweg beeile ich mich, als ich am unteren Ende der Rinne bin höre ich den ungeliebten Ruf „Steeeiiiinn“. Ich ducke mich hinter einen Felsblock, einen Meter neben mir zischt was vorbei. Schnell raus aus dem Gefahrenbereich und zum Sammelplatz zu den anderen. Heftige, immer wieder einsetzende und doch nachlassende Schauer verderben jeden Ansatz Gemütlichkeit beim Warten.
Wir sehen zu, dass wir runter kommen. Eisen an den Fuß, Knoten ans Seil, Einklicken und runter über den Gletscher. Als Grollen aufkommt hat der Spass endgültig sein Ende. Schließlich blitzt es, ich zähle, 21, 22, 23, 24, 25 … Donner. Einen guten Kilometer weg also. Wir stoppen die Seilschaft um auf Anweisung von Alex die Stöcke vom Rucksack zu nehmen und begeben uns dann im gesteigerten Tempo wieder in den Abstieg.

Noch einmal steigert sich die Dramatik als Pet in eine Spalte einbricht. Die Firnbrücke ist schon zu sehr aufgeweicht, heute morgen hatte sie auf der identischen Aufstiegsroute noch gehalten. Doch Pet bricht nur mit dem linken Bein ein und kann sich selber wieder raus manövrieren. Alles o.k.. Der Rest der Seilschaft weicht bei der Spalte etwas nach rechts aus, da hält der Firn. Vom Gletscher runter entledigen wir uns in Windeseile des nun überflüssigen technischen Geräts an unserem Körper und flüchten in Richtung Hütte davon.

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Der Regen lässt nach um schließlich fast ganz aufzuhören. Auch das Gewitter verzieht sich. Trotzdem gehen wir zügig bis zur Hütte runter. Für heute ist uns die Lust am Bergsteigen vergangen. Auf der Terrasse angekommen erreicht uns das Sicherheitsgefühl der Schutzhütte, Entspannung kommt auf und nach den ersten Zügen am Erfrischungsgetränk lässt es sich dann auch wieder lächeln

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Obwohl der Abend für die meisten nicht so spät war kommen wir am nächsten Morgen nicht so recht aus den Federn. Es wird fast schon neun als wir zur geplanten Tour zum Nevessattel aufbrechen. Eine kurze Gletschertour für den Abreisetag. Doch eine halbe Stunde vor dem Gletscher zickt das Wetter schon wieder. Es macht zu.

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Der Wetterbericht hatte Schauer und Gewitter angekündigt. Das Wetter hatte sich am Morgen zwar noch nicht an seinen Bericht gehalten, jetzt aber sehr wohl. Nach Kenntnislage und Erfahrungsschatz vom Vortag war dann die Entscheidung schnell getroffen: Abbruch Nr. 2 – Pause und zurück zur Hütte.

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So kam es also, dass wir am Sonntag Nachmittag um ein Uhr schon wieder auf der Terasse saßen, Kaffee tranken und Luftmaschen häkelten. Ach so, Luftmaschen häkeln übten wir, weil man damit einen wunderschönen Reepschnurzopf machen kann. Hans hatte so einen und der Rest der Gruppe war geringfügig neidisch ob der Schönheit, wollte so etwas auch.

Text und Bilder: BergBär

 

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