Vom Gotthard ins Tessin - Gipfelabstecher


Den kompletten Tourenbericht schreibt ja sicher in bewährter Qualität Lisanne.

"Familientour" war ausgeschrieben - und sowohl Kinder als Eltern auf dieser Tour bewiesen, was WAHRES heldentum am Berg ist!!!
Während die ersteren fast völlig ohne Maulen und meist wieselflink und gutgelaunt bis zu 1300 Höhenmeter oder echte Blockwerkmördertouren von unendlicher Länge bewältigten, schleppten letztere tonnenschwere Rucksäcke über Stock und Stein, um stets für den unberechenbaren Appetit des Nachwuchses gerüstet zu sein (kiloweise Käse, Salami, Süßigkeiten, Flüssigkeit…) und ertrugen geduldig den erhöhten Pausenbedarf ihrer Sprößlinge.

In sektionsüblicher Großzügigkeit sah man das mit den Familien nicht so eng und tolerierte auch den einen oder anderen unbeaufsichtigten (d.h. ohne Kinderbegleitung) Erwachsenen… in diesem Fall Christine und meine Wenigkeit. Unter diesen Umständen stand natürlich der eine oder andere "Umweg" auf der Tagesordnung…

 

Sonntag, 3. September 2006

… und so starten Christine und ich am Sonntag frühmorgens zu unserer ersten Hochtour zu zweit. Vorabrecherchen und Auskünften der Hüttenwirtin zufolge sollte der Leckihorn-Gletscher spaltenfrei sein… da braucht frau keinen Dritten, denn sie kann sich das Seil ersparen.

© G 2006
Von links: Witenwasserenstock, Passo Rotondo, Klein und Gross Leckihorn

Anfangs gibt es noch einen Pfad und die eine oder andere Markierung, dann, wie von der netten Wirtin angekündigt, die beschriftete Verzweigung "Passo di Cavanna" (links) und "Leckipass" (rechts aufwärts). Ab hier weisen uns Steindauben den Weg in mittlere Höhen der Tälligrathänge über Blockwerk, Geröll und gelegentlich festen Fels. Oben am Grat entdeckt Christine ein Gamsrudel.
Die Richtung ist klar, aber der Pass vor lauter kleinteiligem Gemugel nicht zu sehen und die Steinmänner hören auf… irgendwie muss man über den Gletscher, also wieder ein paar Meter runter zum oberen Rand des Firnfeldes.
Hm. Ganz schön steil der Gletscherrand, und aper… umgehen durch das ganze Gerumpel? Doch halt, rechts neben der Felsrippe gibt es eine Firnauflage, die sieht gut aus, und oben hat man sicherlich wieder einen Überblick.
Also schön Stufen treten für Christine, die erstmal abwartet, ob das geht. Und wie es geht - feinster Trittfirn, und oben treffen wir auf eine vorhandene Spur.

© G 2006
Aufstieg auf den kleinen Leckihorn-Gletscher

Wir folgen ihr ein Stück weit, aber dann lockt uns ein kleiner Firnhang unterm Vorgipfel. Er lässt sich problemlos hinaufqueren, mein Pickel stösst meist auf festen Grund unterm Schnee - und das einzige wirklich üble Loch (eine dicke und SEHR tiefe Randkluft vor einem Felsbrocken) findet er auch, bevor ich oder gar Christine drin versinken. Im Sattel Rucksackdepot und in leichter Genusskraxelei auf den Gipfel.

© G 2006

Oben den kleinen Kletterzahn, in dem ein schlappes Fixseil baumelt, das offenbar irgendeine menschenfreundliche Seele da mal spendiert hat, schenken wir uns, weil wir frieren.
Besonders interessant ist die Gipfelbuchverpackung: Ein alter deckelloser Henkelmann, dem ein Stein als Deckelersatz dient… naja, etwas feucht ist der Inhalt schon.

© G 2006

Noch ein paar Fotos…

© G 2006

… und runter… das gute Wetter ist auch schon beinahe angekommen…

© G 2006
links Klein und Gross Leckihorn, rechts Stellihorn, dazwischen der Leckipass, auf dem die "Alaskabar" steht…

… und zurück zur Hütte, Gepäck abholen.

© G 2006
Links die Rotondohütte, in der Mitte der Piz Lucendro, rechts davon der Passo di Cavanna

Fürs Pfadfinden haben wir mindestens so viel Zeit gebraucht wie fürs Vorwärtskommen… da muss mehr Übung her. Naja, stehen ja noch mehr Mugel von der Sorte in der Schweiz herum…

Aber jetzt müssen wir über den Cavannapass zur Pianseccohütte. Das sind zwar nicht mehr viele Höhenmeter, aber eine endlose Runde durch Blockwerk (natürlich weitgehend weglos) um den gesamten Rotondokessel (meist gut markiert, aber an entscheidenden Stellen ist doch wieder zeitaufwendiges Pfadfinden angesagt), ein ordentliches Stück bergab (kurz vor dem Pass beginnt allerdings eine herrliche, komfortabel ausgebaute Höhenpromenade) und dann eine kilometerlange Querung über die Bedrettohänge bis zur Hütte.
Natürlich schaffen wir das nicht und steigen ins Tal (insgesamt an diesem Tag fast 2000m Abstieg), wo Lisanne in weiser Voraussicht auch für uns schon umdisponiert hat… aber das soll sie selbst erzählen.

 

Montag, 4. September 2006

Heute möchte Christine es etwas ruhiger angehen und entscheidet sich für einen gemütlichen, pausenreichen "Familienaufstieg" zur Capanna Cristallina.
Also allein voraus, denn ein Gipfel vor dem Abendessen muss sein *g*. Das dauert, denn wir sind spät gestartet, und so erwischt mich die Mittagshitze mit voller Breitseite auf der wunderschönen, aber endlosen Alpe di Cristallina. "Hier schleicht die San"…

Endlich auf der Hütte, empfiehlt mir die nette junge Wirtin die Cima di Lago als Nachmittagsspaziergang. Der SAC-Führer verkündet in gewohnter Ausführlichkeit, dass man die Ostflanke auf beliebigem Wege ersteigen könne… Sieht zwar nicht so aus, aber so ein Club-Führer hat im Zweifel immer recht.
Hat er wirklich. Anfangs gibt es fast einen erkennbaren Weg, sanft steigend unter den Verbindungsgraten und -zacken zwischen meinem Ziel und dem Piz Gargaresc am Hang lang. Nein, erklären mir die zwei einzigen Wanderer, die ich hier antreffe, es gehe nur auf eine Art Pass, danach könne man unmöglich weiter, das sei ja Kletterei. Aber die Aussicht sei toll. Das ist sie schon unterwegs und präsentiert schon mal nichts Geringeres als den Basodino:

© G 2006

Der Gipfel mit der scheinbar steilen Ostflanke rückt (bald weglos) näher… und tatsächlich beginnt die Flanke sich zurückzulehnen, auch ein Steinmann ist da. Wie versprochen, kommt man überall rauf, aber es gibt sogar eine Trittspur. Von "Klettern" keine Rede…

© G 2006

Vom Gipfel Rückblick auf Cavannapass und Piz Lucendro:

© G 2006

… und auf den Valleggia-Gletscher:

© G 2006

… und immer wieder auf den Basodino:

© G 2006

Rückblich auf die ganze Tour (rechts hinten im Schatten die Hütte):

© G 2006

Hunger! Also runter. Unten hat ein Scherzkeks einen Steinhasen gebaut:

© G 2006

Von hier sieht man gut die Cristallina: Der gegenwärtige Normalweg (blau) führt sehr rutschig durch das Geröllfeld auf den Sattel, danach soll es recht einfach sein. Ich habe es über den Nordwestgrat probiert (rot)…..

© G 2006

 

Dienstag, 4. September 2006

Start bei Tagesanbruch von der Capanna Cristallina….

© G 2006

… Frühlicht auf dem Basodino:

© G 2006

Anfangs gibt es eine gut sichtbare Steigspur, die sich oft verliert, aber bei logischer Routenwahl immer wieder auftaucht. Gelegentlich gibt es Steindauben. Man überwindet kleine ausgesetzte Grate und Zacken, einige umgeht man.

© G 2006

Hier - auf dem Vorgipfel der Cristallina, dem Poncione delle Forca di Cristallina, ist für mich Schluss (die Kletterstelle zu meinen Füßen und die hinteren Zacken waren mir für einen Alleingang etwas zu knackig):

© G 2006

Das Panorama ist vom Feinsten, das Berner Oberland erscheint:

© G 2006
In der Mitte das Finsteraarhorn, rechts "daneben" das Lauteraarhorn

Auf der Hütte treffe ich die "Familie" beim Abmarsch. Zwei Pausen weiter (heute gibt es genug Zeit zum Abhängen, der Hüttenübergang ist relativ kurz) sehe ich sie wieder.
Bei der nun folgenden Abenteuer-Einlage (kommt in Lisannes Bericht sicher ausführlich vor *ggg*) findet sich wunderschönes flechtenbegrüntes Quarzgestein…

© G 2006

… und wieder mal Basodino-Panorama…

© G 2006

Die Einlage entpuppt sich als klassischer Verhauer, Abstieg zum Rastplatz. Auf die Cima delle Donne gehe ich allein weiter - das ist der steinmannbewehrte Grasmugel ein paar 100m weiter südlich in diesem Cristallinaausläufer. Also wieder mal - Normalweg von der anderen Seite wäre ja langweilig, schließlich sind wir die SAN - stundenlang durch Blockwerk queren, dann ein bisschen klettern, beobachtet von einer Gemse mit Nachwuchs, die sich sicherlich halb totlachen über den blöden Zweibeiner…

© G 2006

… und solcherart von hinten durch die Brust ins Auge auf den Gipfel. Auch hier wunderbare Sicht aufs Berner Oberland:

© G 2006
Aletsch- oder Finsteraarhorn?

Runter erstmal über den Normalweg über den Südwestgrat (Führer: Gras und Fels..), stellenweise recht luftig:

© G 2006

Natürlich muss ich die ganze Strecke bis zum Rucksackdepot wieder zurück, diesmal über die Grashänge unterhalb des Blockwerks. Danach bin ich nicht böse, dass dem Steilabstieg zum Lago Bianco eine Straße folgt, die bis zur Basodino-Hütte reicht - und teilweise Schatten bietet! Durchgebraten und mit allmählich doch etwas beleidigten Pedalen latscht es sich über sowas denn doch leichter als über den ortsüblichen Naturgrund.

An diese Stelle gehört ein herzliches Dankeschön und großes Lob für Lisanne, die diese herrliche Tour, auf der man teilweise wirklich noch die Berge hordenfrei erleben darf, ausgesucht und perfekt organisiert hat. Gerne wieder!

Text + Fotos © Gisela

 

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