Zuckerhütl (3.505m) / Stubai - 28.10.-30.10.2005


Lange schon steht das Zuckerhütl auf meiner Wunschliste. Formschön ist es. Eine Seite weiß, die andere braun. Es wird oft mit einer spitzen Schokolade verglichen und sieht aus wie in der Werbung. Im Sommer ist dieser Modeberg unerträglich überfüllt, so daß es im steilen Gipfelhang schon zu empfindlichen und daher nicht empfehlenswerten Begegnungen der 3. Art kommen kann.

Aber das kann uns um diese Jahreszeit eher nicht passieren. Wer geht schon Ende Oktober auf eine Skitour zum Zuckerhütl. Klar wir, wer sonst!

Nach Anreise am Freitag mittag auf die Dresdner Hütte blieb noch ein wenig Zeit zum Pisteln auf den nicht besonders zahlreichen Hängen. Die Abfahrt war bis Gamsgarten möglich, der Rest bis zur Dresdner Hütte mußte entweder zu Fuß oder mit der Bahn zurückgelegt werden. Daher war es empfehlenswert, die Abfahrtszeiten im Auge zu behalten.

© Jsem, Lisanne 2005
Dredner Hütte

Die Dresdner Hütte war gut gefüllt, doch das haben die professionell im Griff. Ich muß nicht erwähnen, daß wir die erste Bahn um 08:00 nicht geschafft haben. Also wie üblich viel zu spät dran. Ab Schaufelniederjoch ging es los.

© Jsem, Lisanne 2005
Skibetrieb am Gaiskarferner

© Jsem, Lisanne 2005
Ausgangspunkt am Gaiskarferner

Abfahrt teils über Piste, teils off road bis zum Ende des Sessellifts am Gaiskarferner.

© Jsem, Lisanne 2005
Panorama mit Ötztaler Wildspitze

Danach war erst mal mit Schnee Ende und es hieß wie immer bei Skitouren: Tragen!! Der Sommerweg war teilweise nicht mehr gut zu finden und so tappten wir mindestens 2 Stunden über wegloses Blockgelände mit schwerem Rucksack und Skistiefeln rum. Um auf den Pfaffenferner zu kommen, mußte man ein recht steiles Stück mit Steigeisen (weil sicherer) hoch. Das anstrengendste daran ist, stets mit Ski auf dem Buckel im Steilgelände die Balance zu halten.

© Jsem, Lisanne 2005
...endlich auf dem Pfaffenferner

Puh, endlich auf dem Pfaffenferner angekommen. Der weitere Weg bis zum Pfaffenjoch war nach der Kippelei eine reine Erholung. Danach geht es recht flach über den Sulzenauferner über den Pfaffensattel bis zum Zuckerhütl. Angesichts des Bruchharsches schwante mir schon nichts Gutes für die Abfahrt.

© Jsem, Lisanne 2005
Wilder Freiger

© Jsem, Lisanne 2005
Wilder Pfaff

© Jsem, Lisanne 2005
das Objekt der Begierde

Bis zum Skidepot zog es sich, wenn auch flach, ganz schön hin. Nun kam der steile Aufstieg. Schätze mal so 40° in gutem Trittfirn.

© Jsem, Lisanne 2005
der Gipfelhang

Oben auf dem Gipfel war es zunächst einsam (im Sommer ist dort die Hölle los); es kamen noch zwei Skitourenrennläufer und ein einsamer Biwakierer. Das war es. Herrlich!!

© Jsem, Lisanne 2005
Beweisfoto… sonst glaubt es wieder keiner

© Jsem, Lisanne 2005
Gipfelpanorama

© Jsem, Lisanne 2005
Blick über den Sulzenauferner

Der Abstieg war dann gemessen an der Steilheit des Geländes recht konzentriert, weil ich hatte keinen Bock durch die Felsen zu segeln. Es kam, was kommen mußte: die Abfahrt durch den von mir nicht besonders geliebten Bruchharsch. Es wird schnell und schneller und ruck zuck verkannten die Ski und man kommt aus dem Beton nicht mehr rechtzeitig raus, und jede Kurve oder sonstige Bremsaktionen ist ein Kraftakt. Das geht ziehmlich auf die Knochen und ich mußte oft anhalten, um Kräfte zu sammeln. Ab dem Pfaffenjoch ging es besser. Der Harsch trug gut und es war schön angefirnt.

© Jsem, Lisanne 2005
nun wird es steil

Doch dann wurde es mächtig steil und mit Spalten durchzogen. So ganz geheuer war mir das Gelände dann nicht mehr und ich entschied mich für seitwärts abrutschen.

Dadurch hatten wir mächtig Zeit verloren. Es war 17:00 am Ende des Gletschers und die Seilbahnen natürlich dicht. Nun ging es wieder über das Blockzeugs mit den Skiern auf den Rucksack geschnallt (so allmählich machte sich die Anstrengung durch das Rucksackgewicht bei mir bemerkbar) und ich verlor die Balance. Knie und Ellenbogen kurz geprellt und schon ging es weiter. Mir war klar, daß wir im Hellen aus dem Blockgelände raus mußten. Es hat gerade noch mit dem letzten Büchsenlicht auf die Liftstation Gaiskaralm gereicht. Ich hatte meine Stirnlampe auf der Hütte vergessen - sollte ja nur eine nette kleine Tour werden - und Jörg war auch lediglich nur der felsenfesten Überzeugung gewesen, daß er seine Stirnlampe dabei hat. Ebenfalls Fehlanzeige. Einfach unprofessionell als SAN Mitglied! Was tun?

Sollen wir das Fenster zum Lifthäuschen eindreschen und dort übernachten??? Wir entschieden uns, die Piste bis zur Schaufeljochbahn hoch zu laufen. Vielleicht fahren da noch ein paar Ratracs rum. Noch schnell alles Lebensnotwendige und Wertvolle aus den Rucksäcken rausgeräumt und schon ging es bergan. Ich war allerdings nur noch langsam unterwegs. Jörg dagegen recht schnell, was mir ein mulmiges Gefühl verschaffte - hey der wird mich doch hier nicht mutterseelenallein zurücklassen. Quatsch, natürlich nicht. Er wollte nur so schnell wie möglich in Sichtweite der Station gelangen, damit er gesehen wird, falls sich da noch jemand aufhält.

Mittlerweile war es stockfinster geworden, was allerdings auf dem Schnee nicht besonders tragisch ist. Man sieht für den Aufstieg genug - allerdings nicht für eine Abfahrt. Oben in der Station brannte Licht - Vielleicht ist da auch ein Notruftelefon???!!! Beim Aufstieg wußten wir, daß heute kein Ratrac mehr vorbeikommt, denn die Piste war schon präpariert. Sch...... das sieht nach kalter Biwaknacht aus.

Man glaubt es kaum: Hänsel und Gretel verirren sich im Wald und die Klotür der Liftstation oben stand offen. Nix wie rein; das war ein sehr komfortables und sauberes Etablissement. Es gab sogar Heizkörper, die wir sofort aufgedreht haben. Ruck zuck war es gemütlich warm. Im Müll fanden wir noch eine leere Plastikflasche als Trinkbehälter.

© Jsem, Lisanne 2005
Wellnessbiwak mit Heizung

Ein Wellnessbiwak für Wellnessbergsteiger: warm, Klo, fließendes Wasser. Wir probierten mehrere Schlafpositionen aus und kamen überein, daß es am sinnvollsten ist, auf dem Klodeckel zu übernachten. Da tun einem die Knochen am wenigsten weh und man kann nicht umfallen.

Wir schlossen Wetten ab, ob jemand nach uns sucht. Jörg war der felsenfesten Überzeugung, daß es unseren Tischnachbarn - denen wir von unserem Ziel erzählt hatten - auffallen würde, wenn wir zum Abendessen nicht erscheinen. Ich sagte, ich gebe dir Brief und Siegel drauf, daß da keiner kommt. Die Mühe machen die sich nicht. Ist ja auch nicht weiter tragisch. Wir sitzen hier warm, es nervt mich lediglich, daß das gemütliche Bett auf der Dresdner mich heute nicht sieht. Aber wir sind schließlich katastrophenerprobt!

Jörg sollte tatsächlich recht behalten. Um 21:30 guckte ich noch mal zufällig raus und ein Scheinwerfer strahlte um's Eck. Schnell hinaus und Zeichen geben. Zu Dritt waren sie zur Suche aufgebrochen. Man hatte uns auf der Hütte vermißt und eh die Bergwacht ausrücken sollte, haben sie sich ne Pistenraupe geschnappt und sind hoch gefahren, um natürlich zuallererst am Schaufeljoch zu suchen, denn da kommt man unweigerlich vorbei. Alle waren erleichtert, daß uns nix passiert war. Ehrlich gesagt - mit dem angeschlagenen Knie und den müden Knochen wäre ich auch mit Stirnlampe wahrscheinlich nicht mehr auf die Dresdner Hütte gekommen. Denn abfahren konnte man nur bis Gamsgarten und danach hieß es noch - I'm walking - bis zur Dresdner Hütte - auch noch ein ordentliches Stück runter.

Der Ratrac brachte uns bis Eisjoch - hey klasse Ratrac fahren wollte ich immer schon mal in der Nacht - und dann schmissen sie die Seilbahn an. Wenn da eine Rechnung kommt, hat Jörg hoffentlich eine gute Versicherung. Um 22:00 waren wir dann auf der Hütte angekommen und bekamen sogar noch eine warme Suppe hingestellt. Wehe, es meckert noch einer über die Hütte. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Person der Hüttenwirtsleute und des Personals.

Wir begaben uns auf unser wohlverdientes Lager, was doch deutlich bequemer war als der Klodeckel. Ahh... für den nächsten Tag war ausschlafen angesagt. Wir sind gemächlich aufgestanden, haben die Rucksäcke an der Gaiskaralm eingesammelt und haben noch einen kleinen Bergauflauf bis zum nächsten Lift eingelegt.

© Jsem, Lisanne 2005
Materialbergung am Sonntag

© Jsem, Lisanne 2005
…und wieder den Hügel hoch

Das mußte als Konditionstraining für den Sonntag reichen. Jörg wollte eigentlich noch in die Daunkogelnordwand einsteigen oder Eisklettern; ich nur pisteln.

© Jsem, Lisanne 2005
Daunkogel-Nordwand

Kompromiß : Abhängen auf der Terasse des Gamsgarten in der herrlichen Sonne, Leute begucken und ablästern. Gepistelt sind wir nicht mehr viel - weil zu voll und damit zu vereist. Das ist für meine Skier mit Zierleisten sowieso nix mehr.

Alles in allem wieder ein schönes Wochenende im Gebirge!

P.S. Jetzt muß ich Jörg nur noch Brief und Siegel geben. Wir haben ja drum gewettet. Mal sehen, was ich da male, denn er will unbedingt wissen, wie das aussieht.

 

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