Alex
Held der Berge
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im schönen Frankenlande
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Hilflos...
Morgens zwischen 7 und 8 Uhr auf einem Gletscher, die nächsten Seilschaften noch weit weg, da wir wieder mal sehr früh von der Hütte gestartet sind. Wir befinden uns in einem für dieses Jahr typischen Gletschergelände, alles aper und viel Blankeis. Das Wirrwar von Gletscherspalten scheint kein Ende zu nehmen, nach jeder übersprungenen Spalte erneutes Suchen eines möglichen Weiterkommens. Die Bruchzone ist dieses Jahr schon ganz schön heftig, die Spalten so tief das man keinen Boden sieht und teilweise mehrere Meter breit und meistens schräg in die Tiefe gehend. Die kleinen Eisblöcke dazwischen haben einen winzigen Grad zum Laufen. Das ist schon ein beängstigender Aufstieg, da bleibt man dann gern auf einer Fläche von 3 mal 3 Metern stehen um vor allem mal wieder die blank liegenden Nerven zu beruhigen. Die Steilheit beträgt etwa 25° Wir stehen und sehen uns um. Plötzlich, aus mir unerklärlichen Gründen verliert meine Bergpartnerin das Gleichgewicht und fällt auf das schräg abfallende Blankeis. Mein Blick ist versteinert, ganz langsam, aber doch stetig rutscht sie auf dem Rücken liegend in Richtung der nächsten Gletscherspalte, ihr Blick allein schreit nach Hilfe ansonsten völlige Ruhe, doch in dem Gelände kann ich auch keine schnellen Schritte tun um ihr zu helfen. Hilflos steh ich da, so hilflos wie selten zu vor...den Weg unter sie versperrt sie mir selbst. Endlich sie hat es geschafft sich auf den Bauch zu drehen mir kommt es vor als vergehen Stunden, doch bei jeder Bewegung von mir bemerke ich wie schnell doch alles geht. Nachwievor steh ich da einfach nur hilflos!!! Ja, sie hat es geschafft ihr Pickel steckt im Eis! Noch etwa 1 Meter dann ist sie mit den Füßen in der Spalte... Ängstliche Blicke sehen mich an, doch bevor ich es schaffe auch nur einen einzigen Fuß vom Boden zu heben rutscht ihr Pickel aus der winzigen Vertiefung und sie kommt wieder ins rutschen... Zum Schreien ist keine Zeit, die Spalte unmittelbar hinter ihr so breit das sie sicherlich ganz tief fällt... und ich sie dann nicht mal mehr sehen würde. Was soll ich tun? wie kann ich ihr helfen??? Ratlos, völlig hilflos steh ich da und muß mir ansehen wie sie so ganz allmählich an die Spalte rutscht. Gedanken in meinem Kopf wie versuch ich sie mit dem Eispickel von mir irgendwie aufzuhalten? Versuch ich mit einem gezielten Tritt ihre Haare zwischen dem Eis und meinen Steigeisen einzuklemmen? Ich bin einfach nur hilflos... Alle derartigen Gedanken sind so sinnlos wie nicht durchführbar, das Gelände dafür ist einfach zu gefährlich und noch dazu so wenig erfolgversprechend. Hilflos muß ich mit ansehen wie sie cm für cm Richtung Abgrund gleitet. Und nochmal holt sie aus, die allerletzte Chance vor der Katastrophe... ganz langsam seh ich den Pickel ins Eis fallen. Jedes einzelne Eiskristall könnt ich zählen, so derart langsam nehm ich alles wahr, sie rutscht weiter, bis sich ihr Arm fast völlig gestreckt hat. JA!!! der Pickel hält! Kreidebleich ist ihr Gesicht, aber sie bewegt sich nicht mehr. Blitzartig bin ich bei ihr und halt sie erst mal fest. Die Füße bereits über dem Abgrund. Endlich ich bin nicht mehr ganz so hilflos, endlich kann auch ich wieder mit ins Geschehen eingreifen. Das Aufstehen bereitet keinerlei Probleme, das Adrenalin in unseren Körpern steigt in unermeßliche Höhen. Noch im Aufstehen sagt sie mir das sie sich am Knie verletzt hat, aber das ist mir zunächst egal... erst mal einen etwas besseren Platz suchen... noch ein paar Spalten überspringen, und ein paar Meter abwärts und dann ist ein Stein fest gefroren, auf den können wir uns erst mal setzen... Das Knie blutet leicht und ist schon völlig blau und mächtig angeschwollen. Die Frage ob ich einen Hubschrauber kommen lassen soll beantwortet sie mit: " pfff, ich will da heute noch hoch!!!" Erst mal etwas trinken und dann wird sich schon zeigen ob es geht... Nein, nach wenigen Minuten stellt sich heraus, auf jeden Fall Abstieg, Aufstieg kommt nicht mehr in Frage. Wenige Meter Abstieg und ich seh wie unsicher Sie geht, und wir müssen etwa 30° steil durch Blankeis ebenfalls im wild zerklüfteten Gelände... Etwa 10 Meter brauch ich noch um von ihr das OK für den Heli zu bekommen. Genaue Standortbestimmung, Notruf alles klappt vorzüglich... Endlich mal das das Handy dann funktioniert wenn man es braucht. Etwa 7 Minuten später ist der Hubschrauber aus Innsbruck hier, ich winke verzweifelt mit dem roten Helm, dabei fliegt er schon direkt auf uns zu... Jetzt scheiß ich mir fast in die Hose als wenige cm neben uns die Kufe auf etwa 10 cm Länge aufs Eis aufsetzt, dem Druck den die Rotoren erzeugen ist kaum Stand zu halten und ich hab nur Angst das wir schlicht von hier weggeblasen werden. Nicht mal eine Minute später seh ich den gelben Heli tief unter mir im Tal gen Innsbruck verschwinden. Jetzt bin ich hier mutterseelenallein in diesem verfluchten Blankeislabyrinth (Später sagte sie mir das sie von der Besatzung gefragt wurde ob ich den Abstieg allein schaffe). Ebenfalls ziemlich unsicher steig ich Richtung Hütte ab. Einzig positives, der Hubschrauber machte jede Gruppe auf mich aufmerksam die mich dann (wohl eher der Neugierde halber) nicht mehr aus den Augen liesen um auch zu erfahren was denn passiert sei... Aber jedenfalls hätten sie einen Sturz von mir zumindest bemerkt... Nach 1700 m Abstieg war ich dann am Auto und konnte sie dann in Innsbruck wieder mit nehmen...
An dieser Stelle wünsch ich natürlich gute Besserung, und auch wenn die Bergsaison für dieses Jahr vermutlich beendet ist... Hauptsache am Leben!
Wünsche allen das man dies nie miterlebt
Alex
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