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Klettern in den Dolomiten: oben != fertig (Gelesen: 8331 mal)
Lamл[tm]
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Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
15.12.2003 um 23:00:58
 
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Lamл[tm]
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Re: Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
Antwort #1 - 15.12.2003 um 23:08:46
 
Samstag: Schlüsselstelle Abstieg

Heute ist die -ebenfalls weitestgehend cleane- Nordwestkante (stellenweise V) des Pulpititurms (2613 m) fällig.
   
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http://community.webshots.com/photo/103047311/103050323dBexWZ
http://community.webshots.com/photo/103047311/103050531glIdJl
http://community.webshots.com/photo/103047311/103050597KqqlYa
   

Der KleFü konnte von der Kletterei gar nicht genug schwärmen.  Er behält recht. Über bombiges Gestein geht es Seillänge um Seillänge aufwärts. Selbst in vielen gebohrten Routen habe ich mich (z.B. wg. zu hoch steckender Haken) nicht so wohl gefühlt wie heute. Nicht nur einmal verschwand mein gesamtes Schlingen- und Keilsortiment während nur einer Seillänge in Löchern und Rissen. Ehe wir uns versehen, ist die realtiv kurze Tour (7 * 35 bis 50 Meter im senkrechten Teil) unter uns. Es folgt ein super scharfer Grat, den wir trotz der geringen
Schwierigkeit (III) sichern. Denn zum Teil laufen wir wie auf Messers Schneide.

Doch das dicke Ende kommt. Eine harmlose I im KleFü verheißt einen bequemen Abstieg, dann stehen wir auch schon in einer 40 bis 50 Grad steilen, mit Feinschutt gefüllten Rinne. Das ist dann doch zu steil zum Abfahren. Zumal die Rinne laut KleFü "an ihrem Ende zu mehrmaligem Abseilen zwingt", d.h. eine unkontrollierte Abfahrt, und die ist bei dem Gefälle nicht mit 100% Sicherheit vermeidbar, ist das eine buchstäblich tod- sichere Sache. Irgend wo dran sichert mich dann Kerstin, bis ich einige Meter vor dem Abbruch nach rechts in eine andere Rinne steige. Diese ist zur Abwechslung nicht mit Feinschutt, sondern mit großen Blöcken gefüllt. Je nach zufälliger Lage dieser Blöcke bilden sich darin kleinere Überhänge. Mein Versuch, mich an dem "Dachblock" eines solchen Überhangs hoch zu ziehen, beendet die Existenz des Überhangs. Denn der Block, den ich allein aufgrund seines Volumens von etwa einem Kubikmeter als für meine 75 Kilo hinreichend  tragfähig eingeschätzt habe, setzt sich in Bewegung und poltert einige Sekunden später mit einer einem Gewitter ähnlichen Geräuschentwicklung über den oben genannten Abbruch.

   
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http://community.webshots.com/photo/103047311/103050245MEmXJK
http://community.webshots.com/photo/103047311/103049971Vosmdo
   

Mein Interesse an der Herstellung von Fotos war ja schon lang erloschen. Aber jetzt ist es endgültig um meine Nerven geschehen. Zuerst muss ich mir klar werden, dass gerade kein Gewitter stattfindet. Dann lasse ich mir von oben ein Seil zuwerfen, an dem ich gesichert nach oben steige, natürlich nicht ohne weiteres Geröll zu Tal zu befördern. Kerstin folgt (ohne Sicherung!!!) in respektvollem Abstand, für die Rinne mit ähnlich (wenn auch nur temporär) reinigender Wirkung.
Endlich sind wir im sicheren Gelände. Was wohl bei Regen passiert wäre? Je nach Windrichtung entwässert die nur etwa 2 Meter breite Rinne ein etwa ein Hektar großes Gebiet. Über Hundert Liter Wasser pro Sekunde wären das, die unseren Weg nach unten - einer überdimensionalen Toilettenspülung nicht unähnlich - beschleunigt hätten. Lieber nicht dran denken.
Der weitere Abstieg ist jetzt ein Kinderspiel - ausgetreten wie ein Wanderweg. Ich gehe zurück zum Beginn des Serpentinenwegs, der den Wanderweg mit dem Einstieg verbindet, hole meine Wanderstöcke und meinen Rucksack. Die anderen hatten alles durch die Tour getragen und gehen zurück zur Hütte. Mein Umweg ist etwa 3 Minuten, die ich einhole, während Micha bizarre Bäume fotografiert.
   
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http://community.webshots.com/photo/103047311/103050129pmycNB
   

Warnung: Die launige Beschreibung des Abstiegs soll nicht darüber hinweg täuschen, dass mir während dieser Aktion alles Andere als zum Witze machen zu Mute war. Eine ernsthaftere Beschreibung des Erlebten würde sich aber zu sehr nach "Wir Helden der Berge" lesen.

Tipp 0: Es sollte eigentlich keiner Erwähnung bedürfen, dass die Tour nur bei absolut bombigen Wetterverhältnissen anzugehen ist. Deutlicher: Wer die Tour nicht bei todsicherem Wetter einsteigt, dem ist der Tod sicher - was an sich nichts Ungewöhnliches ist ("mors certa ..."), allerdings auch die Stunde. Und das steht im diametralen Gegensatz zum zweiten Teil des Spruchs ("...hora _in_certa").
Tipp 1: Einen Rucksack durch die Tour zu tragen, lohnt sich allein wegen der Wanderstöcke. In der nach unten führenden Rinne können diese Leben retten. Für die zweite Rinne können Grödel sinnvoll sein, die Rinne enthält einige Meter steiles Gras (OHNE Trittkuhlen) Und die Blöcke (wenn überhaupt) anfassen wie rohe Eier!!!  Tipp 2: Wenn man doch ohne Rucksack klettern will, kann man diesen bei der vierten Spitzkehre des Serpentinenwegs deponieren. Das sind nur nur wenige Minuten unterhalb des Einstiegs. Der Abstiegsweg ist an dieser Stelle auch im Aufstieg zu erkennen.
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« Zuletzt geändert: 15.12.2003 um 23:19:56 von Lamл[tm] »  

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Andy
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Re: Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
Antwort #2 - 16.12.2003 um 10:12:03
 
Zitat:
Samstag: Schlüsselstelle Abstieg

Warnung: Die launige Beschreibung des Abstiegs soll nicht darüber hinweg täuschen, dass mir während dieser Aktion alles Andere als zum Witze machen zu Mute war. Eine ernsthaftere Beschreibung des Erlebten würde sich aber zu sehr nach "Wir Helden der Berge" lesen.


...Genau das wollen wir doch lesen! Wir sind doch die Sektion der Helden der Berge!
...

Aber im Ernst: hört sich gruselig an der Abstieg. Aber die Art der Kletterei wird wohl leider durch das Auftauen des Permafrosts in Zukunft häufiger *grusel* ...
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Re: Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
Antwort #3 - 16.12.2003 um 16:07:40
 
Zitat:
Aber die Art der Kletterei wird wohl leider durch das Auftauen des Permafrosts in Zukunft häufiger *grusel*


Danke Andi, ich habe da nämlich in d.r.a. eine wüste Diskussion losgetreten. _Dieses_ Argument fiel mir dabei natürlich nicht ein Traurig

Mal sehen ob ich den Thread wieder aufrollen kann. Smiley
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Re: Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
Antwort #4 - 16.12.2003 um 17:58:58
 
Andy,

du hast im Prinzip Recht mit dem Auftauen des Permafrostes. Aber dies wird aber wohl hauptsaechlich die Regionen ueber 3000m betreffen. Denn erst hier herrscht flaechendeckend Permafrost (PF). Allerdings kann dieser kontinuierliche PF auf den Nordseiten bis 2800 herunterreichen. Und in den Noerdlichen Kalkalpen gibt es auf den Nordseiten bis 2000 m herunter "fleckenhaften" Permafrost. Jedoch gibt es kaum gesicherte Werte fuer wasser- oder eisgesaettigten, klueftigen Fels.

Wie das in den Dolomiten aussieht, ist mir nicht bekannt. Ich schaetze aber, dass die Durchschnittstemperatur ca. 1-2 Grad hoeher liegt als hier im Norden und man daher die Untergrenze des Permafrostes 200 - 300 m hoeher ansetzen muss.

Lampi, welche Hoehe hat denn die Abstiegsrinne, wie ist die Exposition?

Gruss,
Kurt

P.S.: Bevor ich von einem gewissen zotteligen, bergsteigenden Physiker des pseudowissenschaftlichen Geplappers ... bezichtigt werde: ich habe 40 Jahre Erfahrung als Geophysiker. Meine Kenntnisse ueber den Permafrost stammen aus der Literatur ....
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Andy
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Re: Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
Antwort #5 - 16.12.2003 um 18:21:49
 
Hi kurt,
ja, ich habe das häufiger-Werden dieser Art der kletterei auch nicht auf die Dolomiten bezogen, sondern generell. Dieses Jahr hatte ich da auf Höhen über 3000 Meter ein paar unangenehme Erfahrungen, die ähnlicher Natur waren wie die von Lampi beschriebene Partie. Hauptsächlich an Schartenübergängen, die eigentlich harmlose Touren sind. Hier hat aber dieses Jahr wirklich das Auftauen des Permafrost sehr heftig zugeschlagen. Erfahrungen dieser Art machten wir zum Beispiel an der Wildgratscharte im Stubai (ziemlich heftig) und etwas entschäfter am Ramoljoch im Ötztal.
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Re: Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
Antwort #6 - 16.12.2003 um 20:29:16
 
Zitat:
Lampi, welche Hoehe hat denn die Abstiegsrinne, wie ist die Exposition?

2560-2600 Meter
Erste Rinne (Geröll musste man runter) Nord
Zweite Rinne (Blöcke musste man rauf) West (West ist im Südalpensommer i.d.R. durch die Wetterlage bedingt abgeschattet)
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Re: Klettern in den Dolomiten: oben != fertig
Antwort #7 - 16.12.2003 um 22:34:21
 
Lampi,

bei einer Hoehe von knapp 2600 m in den Dolomiten glaube ich nicht an tauenden Permafrost.

Andy, das habe ich mir schon gedacht, das du mehr an die Hochtouren denkst. In Hoehen um und ueber 3000 m sind die Auftaueffekte ja nicht mehr zu leugnen. Der Bergsturz am Matterhorn in diesem Sommer ist ein spektakulaeres Beispiel.  Auch in den Gebieten, wo sich Gletscher zurueckgezogen haben, sind die freiwerdenden Grund- und Seitenmoraenen instabil.  Sie waren zwar nicht immer gefroren, solange das Eis darueberlag, aber das Gelaende muss nun erst ein neues Gleichgewicht finden.

In geringerem Masse gibt es in den niederen Regionen, wie in meinen Hausbergen, dem Karwendel, temperaturbedingte Veraenderungen. Ich kenne dieses Gebiet nun seit 40 Jahren. In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal erlebt, dass das Schlauchkar (Karwendelhaus - Birkkarspitze) voellig schneefrei war. Entsprechend instabil und schlecht zu begehen war der Untergrund.

Kurt
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