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Statt Ostereier Spuren suchen - Nebel im Sellrain (Gelesen: 1473 mal)
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Statt Ostereier Spuren suchen - Nebel im Sellrain
14.04.2004 um 23:54:47
 
Im Frankenland herrschte schönster Sonnenschein, als wir am Karsamstag losfuhren, mitten hinein ins unbeständige Nordalpenwetter - aber was soll's, das Fotschertal ruft, und schließlich sind wir keine Warmduscher!
Die Autobahn war merkwürdig frei, während auf der Gegenfahrbahn lange Schlangen gen Norden zuckelten: Die waren doch nicht etwa alle auf der Flucht vor schlechtem Wetter? Egal, weiter Richtung graue Wolken!

Am Alpenrand tröpfelte es längst, im Inntal fiel echter Regen, und als wir am Taleingang überm Fotscherbach das Auto abstellten, galt der erste Griff dem Rucksackkondom. Berge hatten wir noch keine zu Gesicht bekommen, die waren alle weggeklappt...

Hier kam das Nass in Gestalt dicker feuchter Schneeflocken vom Himmel und verwandelte den Nadelwald in ein Wintermärchen, in dem man unwillkürlich eher nach dem Weihnachtsmann statt nach dem Osterhasen Ausschau hielt. Immerhin schwebten sie senkrecht und sanft herunter, flogen uns nicht von vorn um die Ohren und wurden nach etlichen Höhenmetern denn auch etwas weniger nass; für Abwechslung auf dem anfangs langweiligen Forstweg sorgte die österreichische Bürokratie (alles beim Alten in Kakanien, wie beruhigend!), die alle paar hundert Meter einen Baum mit einer gut lesbaren Ausgabe der Pilzschutzverordnung dekoriert und an jeder möglichen und unmöglichen Stelle "Besitzstörungsverbote" mit "Rechtsklage"androhung aufgehängt hatte...

Vom Fotscher Bergheim an konnten wir mit der Trendsportart Schluss machen und die Schneeschuhe an die Füße schnallen.
Als der Wald aufhörte, verdichtete sich der Nebel. Die Hütte sahen wir erst, als wir schon fast davor standen. Drinnen war es umso gemütlicher, und bei der ersten Halben sah die Welt gleich anders aus.

Der Ostermorgen begann mit Schokobunnies auf jedem Tisch (österliche Aufmerksamkeit der Wirtsleute!) und jeder Menge Nebel und Schneefall draußen...
Also erstmal gemächlich frühstücken, Tourenberichte und Bergsteigerlügen austauschen, Lawinenbericht checken (unterhalb 2500 hm Warnstufe 2, oberhalb Warnstufe 3) und warten, nach dem Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren...
Und richtig, so gegen 9:30 Uhr hielten die Ersten es nicht mehr aus und brachen auf.

Der Dominoeffekt war durchschlagend: Binnen einer halben Stunde schloff der gesamte Hütteninhalt in die Ausrüstung und zog in Gruppen unterschiedlicher Größe DEN Tourenhang hinauf (Richtung Roter Kogel oder Auf Sömen, wenig lawinös), denn jetzt bestand ja Aussicht auf eine frische Spur, die man nicht selber treten musste...

Außer der Spur war nichts zu sehen, nicht einmal die Stangen, die laut Berichten unserer ausgesprochen netten Tischgenossen gestern noch einen halben Meter aus dem Schnee geragt hatten. Bereits nach cirka 200 hm trafen wir auf die erste größere Gruppe, die palavernd im Hang stand, ob man jetzt weitergehen oder umkehren solle... aber so schnell gibt die Frankenfraktion der SAN nicht auf (das Barometer stieg schließlich!), also Gruppe umgangen, richtig, immer noch frische Spur vorhanden, und weiter!

Es dauerte nicht lange, da stießen wir auf den nächsten Stehkonvent und standen jetzt selbst etwas unschlüssig herum.
Dass man überhaupt keine Geländestruktur sehen konnte, war schon unheimlich, und wir waren ja das erste Mal hier und kannten den Hang nicht gerade mit Vornamen... aber da kamen unsere bergerfahrenen Tischgenossen, die die Tour gestern schon zum größten Teil gemacht hatten - die mussten sich ja auskennen! Also hinterher... (wie war das gleich im Lawinenkurs gewesen mit dem Lemminge-Syndrom?? Climby, guck weg!)

Als wir allerdings plötzlich einem Steilhang ziemlich nah zu sein schienen (den ich prompt ein Stück hinunterrutschte), unser spurender Held der Berge fand, dass wir "viel zu weit links" waren, und die Aussicht auf Gipfel mit Aussicht wenigstens in die nähere Umgebung in immer weitere Ferne rückte, erinnerten auch wir uns daran, dass Umkehren keine Schande ist.

Jetzt hatten wir "alle Zeit der Welt" *g* - und die Lawinenschaufel kam zum Einsatz: Berni grub ein wunderbares Schneesofa, der Nebel wurde wenigstens heller und freundlicher und ließ gelegentlich ein Stückchen Himmelblau und sogar ein bisserl Landschaft sehen, die Ruchsackwirtschaft hatte geöffnet - und weiter oben im Sattel sahen wir, vom Nebel weichgezeichnet, einen großen Teil der Restbelegschaft, soweit nicht längst wieder im Abstieg, mit derselben innovativen Trendsportart beschäftigt: in vernebelten Skihängen herumsitzen. Nun gut, auch eine Alternative...

Nach einem Einkehrschwung - ähm, -tritt - auf der Hütte kam dann doch die Sonne durch. Also nochmal in die Schneeschuhe und schaun, was geht - die Fernerböden sicherlich nicht zu der Tageszeit und nach Neuschnee, viel zu tief eingeschnitten, die drübere Seite erst recht nicht, Nordwestausrichtung und richtig steil, aber die sanften Buckel unterm Kastengrat müssten eigentlich noch machbar sein. Also hinaufspaziert (danke fürs Spuren, Berni) - und vom Logenplatz aus Anschauungsunterricht in Lawinenkunde genommen, sie rauschten gegenüber nur so im Zwanzig-Minuten-Takt zu Tal. Ich hab das zum ersten Mal gesehen und gehört  und war sehr beeindruckt.

Die Kasnocken und der Schweinsbraten auf der Potsdamer Hütte sind gigantisch gut!
Überhaupt sehr gemütliche und nette Hütte... (siehe "Lob und Tadel für Hütten")
Unsere Vorspurer hatten es diesmal bis ganz hinauf geschafft - aber auch nicht viel gesehen, bloß die Lawinen, die nachmittags fast genau da heruntergekommen waren, wo mittags die große Gruppe auf dem Sattel gerastet hatte. (Angelika und Markus, falls ihr doch mal auf diese Seite guckt: Es war total nett mit euch, vielleicht läuft man sich ja doch mal an dem einen oder anderen Berg wieder über den Weg...)

Ostermontagmorgen: strahlender Sonnenschein, endlich sichtbare Berge - und knirschender Firn unter den Schneeschuhen!
Also Planung gekippt und - statt auf dem Höhenweg talwärts in die Nebelsuppe  - nochmal rauf, den gestern aufgehängten Sack abholen!

Diesmal klappte es, auch die Stangen usw. waren alle sichtbar - aber der Nebel war schneller. Bereits auf halber Höhe wölkte es, wenn auch licht, vom Tal herauf, der Schnee wurde immer weicher, und auf dem Roten Kogel gab es, als wir oben ankamen, weder Panorama noch Gipfelbuch. Immerhin war heut wenig los, keine Lemminge mehr...
Lange herumhocken machte ohne Aussicht keinen Sinn, also bald wieder runter. (Geht ja eigentlich super mit Tennisschlägern unter den Füßen im tiefen Schnee, wenn er bloß nicht gar so nass und schwer wäre... ) Weiter unten ließ der Nebel nach, so dass wir die Schönheit des Hochtals zur Allmindalm hinüber gebührend bewundern konnten. Berni fing schon an, über eine der Villerspitzen nachzudenken, "das hier muss ich mir mal im Sommer ansehen..."

Vom Fotscher Bergheim abwärts hingen die Pilzschutzverordnungen immer noch da.
Leider ohne Pilze.

Auf der Autobahn rauschten wir zu unserer Verwunderung nur so durch.
Merkwürdigerweise war jetzt Richtung Süden Stau und stockender Verkehr...

Einen Sonnenbrand haben wir trotz Nebel bekommen.

Gisela

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