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Im Schritt über die Reiteralm (8.-9.10.05) (Gelesen: 1821 mal)
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Im Schritt über die Reiteralm (8.-9.10.05)
02.11.2005 um 12:54:59
 
Im Schritt über die Reiteralm

Am langen Wochenende Anfang Oktober hatte das Wetter nicht mitgespielt - aber eine Woche später sieht es besser aus. Keine Lust, weit zu fahren - also Kaiser? Rofan? Berchtesgaden? Na, die Reiteralm ist ja schon ewig fällig, also ab nach Ramsau, denn wenn schon, denn schon: Aufstieg über den Böslsteig.

In Ramsau kommt uns mitten auf der Straße ein Alpinist der vierbeinigen Sorte entgegen, der da statt auf der Koppel gemütlich auf dem Asphalt herumspaziert. Anna als langjährige Expertin für alles, was Hufe hat und wiehert, vermutet, dass der da nicht hingehört. Also aussteigen, Rössle einfangen und ab zum nächsten Hof, fragen, von wo der ausgebüchst ist. Ich warte.... zu meinem Erstaunen kehren beide zurück, das sei ganz in Ordnung so, der Gaul liefe immer frei herum, aber bitteschön denselbigen nicht auf dem Hof parken, sondern hübsch zur Straße zurückführen! Nun hat das Pferdchen aber eine herzliche Zuneigung zu Anna gefasst und will sich gar nicht trennen. So ein Pferdekopf, durchs Fahrerfenster halb ins Auto gesteckt, braucht ganz schön viel Platz, und Anna steht der Sinn gar nicht nach so viel tierischer Zärtlichkeit... da hilft nur sanfte Gewalt, Fenster zu (Pferdchen steht noch eine Weile unschlüssig vorm Kühler herum) und weiter. Selten so gelacht!

Der Böslsteig ist landschaftlich wunderschön und alles andere als langweilig zu gehen, aber sehr steil fast über die ganzen mehr als 1200 Höhenmeter, man muss fast ständig "hoch antreten" und kraxeln. Danach weiß man, was man getan hat. Es ist sonnig und warm, nur wenig Leute sind hier unterwegs, und zwischendurch begeistern erste Kalksteinkarren, geformt wie erstarrte Meereswogen, und zugewachsene Dolinen.

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Oben angelangt, ist man im Gebiet der gemütlich-grasigen Kammlandschaft. Die Nebengipfel werden natürlich mitgenommen, wir haben ja Zeit. Vom Reiter Steinberg (2060m) und erst recht vom Prünzlkopf (2081m) - es gibt ein paar halbherzige Markierungen und Steindauben, aber wer braucht das schon in so übersichtlichem Gelände - öffnet sich ein weiter Blick über das Plateau der Reiteralm, ganz hinten an der anderen Seite das Traunsteiner Haus. Rückwärts zum Hochkalter hin hält sich leider hartnäckig eine dicke Wolke (die uns, wie sich zeigt, das ganze Wochenende über nicht abhanden kommen wird).

Der Abstieg führt erst über Karstgelände und dann durch wunderschönen lichten Bergwald, vorbei an der alten Hütte über die Plateauwiesen bis zum Traunsteiner Haus. Einchecken, Abendessen, Schlafen - der Wirt hatte für uns in der oberen Stockbettetage eines Lagers reserviert (Lager werden zugeteilt), macht aber anstandslos einen neuen Raum auf, als wir um "untere" Lager bitten. So können wir uns richtig breit machen, die drei Bergsteiger, die da noch einquartiert werden, stören nicht weiter und schnarchen auch nur ganz leise. Welch ein Luxus.

Ein schöner Sonntagmorgen bricht an, und wir ziehen früh los, Reiteralm-Kenner Zwinkernd haben uns das Häuselhorn ans Herz gelegt. Erstmal gemütlich über das ganze weite Plateau - wir sind fast allein, die anderen Gäste scheinen eine reine Hüttentour zu machen oder auf die Hüttengipfel zu wandern. Am Westrand der Almwiesen beginnt wieder der Bergwald, der Hang steigt zunächst langsam, bis wir in die Felsregion kommen, in der goldenen Morgensonne grüßt bereits der Vorgipfel der Häuselhörner.

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In der Tat, sehr beeindruckend - Felsgipfel um uns herum wie in den Dolomiten, Kraxeln durch Geröll, Schotter, über Schneefelder und die Felsen, wir haben unseren Spaß.

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So schönes Gestein habe ich schon lange nicht mehr gesehen, lichtgrauer, fester Kalk fast wie am Dachstein, dazwischen jede Menge rosig geädertes weißes Kalkgestein, wie Rosenmarmor, das Geröll besteht vorwiegend daraus. Am liebsten würde man sich hier eine Mineraliensammlung anlegen....

Nix da, weiter geht es. Am Sattel zwischen den Häuselhörnern herrscht Uneinigkeit über den Weiterweg aufs Kleine Häuselhorn (2227m). Meiner Meinung nach geht es rechts im Bogen über eine Karstschlucht, aber Anna kommt das unwahrscheinlich vor. Also umgehen wir einen kleinen Rücken vor uns links und nehmen einfach die Direttissima durch den steilen Felshang (höchstens "II"), der unterm Gipfel in Geröll übergeht. Die Fernsicht ist bescheiden, denn die Wolke von gestern schwappt jetzt neblig um die Häuselhörner. Direkt unter unseren Füßen und vor unserer Nase ist es allerdings faszinierend, da gibt es die abenteuerlichsten Auswaschungen im Karstgestein:

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Der Normalweg (er hatte, von unten betrachtet, doch "rechtsrum" geführt) kommt uns zum Abstieg auf den Sattel gerade recht: insgesamt perfekte Kombi, raufwärts Klettervergnügen, runter komfortabel... weiter geht es, das Große Häuselhorn (2282m), viel "zahmer" aussehend, muss natürlich auch "mitgenommen" werden:

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Der Weg ist mir zu fad, geradaus durch Felsen und über Steilgras geht es auch. Anna ist natürlich trotzdem schneller oben *g*. Gutes Timing - das Gewölk macht auf und gibt den Blick frei auf unsere Aufstiegsmugel von gestern und die ganze Reiteralm:

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Nur kalt ist es... auf dem Kleinen Häuselhorn hat es nicht annähernd so gepustet.

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Auf dem Großen Häuselhorn


Also wieder runter; die Schneefelder sind leider zu hart, um hinunterzurutschen, selbst Anna als wagemutige Schlittlerin zieht diesmal vor, zu Fuß zu gehen. In der Mulde unten zweigt rechts der Weg ab zum Wagendrischelhorn (2251m); allmählich merken wir unsere Beine. Macht nix, aufi gaht's.

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Übergang zum Wagendrischelhorn, Blick auf die "Brüder" und den Weitschartenkopf


Die Belohnung lässt nicht auf sich warten: Gipfelrast mit Sonne!!! Die Dohlen hier fressen buchstäblich aus der Hand. Gegenüber lockt das Stadelhorn (schade, dass die Tage schon so kurz sind...), wenn man die steilen Pfadserpentinen nicht sähe, würde man kaum glauben, dass man da ohne größere Kletterei raufkommt. Die beiden Bergsteiger, die jetzt hier oben eintrudeln, haben es bestiegen, über den Schaflsteig, als Tagestour. Respekt.

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Stadelhorn, vom Wagendrischelhorn aus gesehen


Allmählich mahnt die Uhr, Zeit für den Abstieg.
Der beginnt mit einem gemütlichen Höhenspaziergang über die Grasmugel (u.a. über den Unteren Plattelkopf, 2106m, den Oberen lassen wir links liegen), nochmal ein Rückblick auf unseren letzten "richtigen" Gipfel, jetzt wieder im Wolkenschatten:

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Wagendrischelhorn im Rückblick


Zwischendurch macht die hartnäckige Begleitwolke wieder mal auf und gönnt uns einen Blick auf den Hochkalter, der ja auch endlich mal fällig wäre...

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Hochkalterblick


Dann geht der Knieschnackler wieder los: Böslsteig abwärts. Jetzt kommt er mir noch steiler vor als beim Aufstieg. Als es dämmert, sind wir unten. Im Abstieg waren es heute insgesamt an die 1800 Höhenmeter. Und das nach wochenlanger Schreibtischhaft. Miau.


Text + Fotos © Gisela
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