Fest gemauert in der Erden
Steht die Wand, aus Eis gebaut.
Heute muß die Nordwand werden.
Frisch ihr SANler, seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rinnen muß der Schweiß,
Soll das Werk den Meister loben,
Doch der Segen kommt von oben.
Das sollte eigentlich eine kleine, feine Geschichte werden am letzten Wochenende.
Die Mutmalspitze Nordwand hinaufschweben, grazil und elegant.
So war die Planung.
Samstag abend schiebt eine einsame Gestalt ein Mountainbike den Forstweg zur Martin-Busch-Hütte hinauf. Nicht zum ersten Mal, aber zumindest dieses Mal bei perfektem Wetter. Vermutlich könnte man die Strecke auch fahren wenn man könnte, aber mit den üblichen Bier- und Colazusatzgewichten geht da an etlichen Stellen gar nix. Ein böses Omen ?
Um 22 Uhr erreicht Yak die Hütte, neben Jan sind noch zwei Gestalten vor Ort die von einer 14 Stunden Tour zur hinteren Schwärze-NW berichten.
Aber unser Ziel ist ja die Mutmalspitze :
Die Wand sieht happig aus, viel Blankeis, Spalten, steile Passagen und in der Mitte die Kluft vor dem uns schon im Vorfeld gruselte. Und zusätzlich stellt sich noch die Frage : Wie da überhaupt hinkommen ? Auf dem angedachten Zustiegsweg liegt kaum noch Schnee, ein Vorwärtskommen scheint allenfalls in einer kleinen Rinne möglich.
Einige Diskussionen später fällt eine Entscheidung : Mutmalspitze steht auch nächstes Jahr noch, aber es muß für einen Versuch zumindest der Zustieg passabel sein.
Also was ?
Hintere Schwärze hat Yak schon gemacht, vor drei Jahren bei perfekten Verhältnissen, die also nicht. Marzell sieht nach Angaben der beiden Jungs sehr schlecht aus, nur Blankeis und der Grat kaum begehbar.
Similaun ? Die eigentliche Nordwand gibts nicht mehr wirklich aber rechts davon noch eine ca. 200Hm maximal 50° steile Flanke, die sollte problemlos gehen. Also bei tollem Wetter ne einfache, kurze Genußtour, ist ja auch nicht schlecht, müssen nicht immer die Brutalosachen sein. Man warnt uns noch vor den Schneeverhältnissen und wir lächeln gütig und fallen dann ins Bett.
Start um kurz vor halb 6 und erstmal geht es gut voran, auch der alte Hintere-Schwärze-Weg ist trotz Warntafel immer noch begehbar und recht flott ist der Marzellferner erreicht, allerdings ist die Entfernung noch ganz erheblich. Anfangs geht es auf dem Gletscher recht gut voran, aber bald wird der Schnee schlechter und auch Schneeschuhe bringen nur kurz Besserung.
Der Berg will und will nicht näher kommen, aber zumindest ist die Szenerie rundherum mal wieder die Mühen wert wie man so schön sagt.
Wir erreichen die Wand schon reichlich abgekämpft gegen 10 Uhr, fühlen uns beide nicht besonders fit und wundern uns wo die Zeit geblieben ist. Also erst mal eine längere Pause und aufrüsten. Mit brutal stollenden Steigeisen geht es dann im mehr als knietiefem Sulzfirn die Flanke hoch, im Zeitlupentempo erst, dann immer langsamer.
Nach fast zwei Dritteln ist die Firnschicht auf einmal nur noch ein paar Zentimeter dünn, darunter ist Blankeis. Schnell Stand gemacht, dann mit einem eleganten Zweifingerschwung das Rambo in die Wand gleiten lassen, "Plänk", prallt ab wie von einer Stahlplatte. Wie jetzt ? Was soll das ? Also mit etwas weniger Eleganz und etwas mehr Kraft : "Plänk,Splitter".
Oja, natürlich, das kann kein genüßliches Tschocken sein, nein, das wäre ja zuviel verlangt. Da will man eine gemütliche Ausweichtour machen, aber klar, das draf natürlich nicht sein.
Also machen wirs auf die Art die wir eh am besten drauf haben : Rohe Gewalt.
Zum Werke, das wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Reden sie begleiten,
Dann fließt die Arbeit munter fort.
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
Was durch die schwache Kraft entspringt,
Den schlechten Mann muß man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ist's ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Herzen spüret,
Was er erschafft mit seiner Hand.
Banzai ! Kamikaze ! Eissplitter spritzen und Eisplatten stürzen in die Tiefe. Eine Schraube nach der anderen frißt sich in die Wand und nach zwei Seillängen sind wir oben auf dem Grat wo es inzwischen wolkig, kalt und windig ist. Ein Blick auf die Uhr verrät : Eine Speeddurchsteigung war das nicht, es ist nach 13 Uhr.
Ziemlich groggy schleppen wir uns Richtung Gipfel der dann auch irgendwann erreicht ist.
Runter gehts dann relaxt über den Normalweg. Oder besser gesagt es könnte relaxt gehen wenn nicht Jans Schneeschuhe den Geist aufgeben würden. Ist eh kein wirklich kurzer Weg vom Similaun über die Similaun-Hütte zurück zur Martin-Busch, wird er halt so noch etwas mühseliger...
Yaks Gedanken beginnen sehr bald um das Bier zu kreisen dass auf der Hütte zurückgelieben ist und das darauf wartet in der Sonne vor der Hütte geleert zu werden. Und kaum ist es 18 Uhr durch, ist es auch schon so weit. Na das war doch wieder ne relaxte 12 Stunden-Tour und das für den albernen Similaun, Herz was willst Du mehr ?
Fazit : Eisgeräte und Schrauben gebraucht, aber ne Spaßtour wars irgendwie nicht. Kaum Schnee in den Ötztalern, es sieht teils aus wie Anfang Juli, aber da wo doch welcher ist wirds sehr mühsam. Praktisch alle Wände blank nur wo wir hoch sind noch Firn im unteren Teil aber das letzte Drittel auch praktisch nur noch Eis. Die Marzelleiswand wird sehr sehr bald ganz verschwinden. Wohin man schaut ein Trauerspiel.
Text & Bilder : Yak, Zitate aus dem bekannten Gedicht "Die Eiswand" von F. Schiller