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Im Schwaberinger Moos (Gelesen: 5956 mal)
strauchdieb
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Keltern
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Im Schwaberinger Moos
02.10.2008 um 08:49:39
 
Wie schon im Naturschutzforum geschrieben, fand am vorletzten Wochenende in Rosenheim die erste gemeinsame Tagung der Naturschutz- und der Wegereferenten des DAV statt. Den Auftakt bildete ein eindrucksvoller Lichtbildervortrag von Heinz Zak, den Abschluß eine Reihe von Exkursionen, die vor allem alpine Ziele hatten. Eine Exkursion jedoch führte ins Flachland, in ein Moosgebiet (=Moor) nördlich von Rosenheim. Ein Relikt der letzten Eiszeit: Das Schwaberinger- und Stucksdorfer Moos.

Aufmerksame Panorama-Leser werden sich vielleicht daran erinnern, dass in einer der letzten Ausgaben darüber berichtet wurde. Nämlich darüber, dass die Sektion Rosenheim einen Teil des Moors gekauft und damit u.a. den Lebensraum des vom Aussterben bedrohten Tarants (=Moorenzian oder Blauer Sumpfstern, bot.: Swertia perennis)) erweitert hat. Wer besonders aufmerksam gelesen und geschaut hat, dem ist möglicherweise auch aufgefallen, dass statt dem Tarants der ebenfalls seltene und im Moos vorkommende Lungenenzian (bot. Gentiana pneumonanthe) abgebildet war. Hier jetzt die richtigen Fotos – leider war das Wetter nicht so glänzend, ich bitte deshalb die etwas blassen Bilder zu entschuldigen.

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Innerhalb der Sektion war diese Aktion nicht unumstritten, wurden doch ca. 6000.- € (3/4 der Gesamtsumme gabs dazu noch vom Staat) aufgewandt für ein Gebiet, das so gar nichts mit dem Aufgabenfeld einer Alpenvereinssektion zu tun haben schien.

Wer jedoch Naturschutz im AV ernst nimmt, für den ist dieser nicht auf den alpinen Raum beschränkt. Zumal hier der alpine Bezug als Rückzugsgebiet für montane und alpine Pflanzen gegeben ist und die Alpengletscher dem Gebiet die heutige Form gegeben haben.

In dem angrenzenden Stucksdorfer Moos, das durch weitflächige Hochmoorheiden mit Latschenkiefern geprägt ist, fanden sich auf engstem Raum 2 der seltenen Sonnentau-Arten (bot. Drosera), die mit Hilfe der tauartigen Tropfen ihrer Blätter kleine Insekten fangen und damit auch auf dem nährstoffarmen Torfboden überleben können.

Es ist dies der ‚Rundblättrige Sonnentau’ ……

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... sowie nur eine Handbreit entfernt davon der ‚Mittlere Sonnentau’:

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Drosera intermedia ist dabei besonders selten, weil er weitaus kritischer auf Schwankungen im Grundwasserspiegel reagiert. Schon eine Absenkung um wenige Zentimeter kann den Bestand gefährden, da er ständig feucht stehen muss. Wie auf dem Bild zu sehen, wächst Drosera direkt auf dem Torf, Torf der durch die das Hochmoor bestimmende Sphagnum-Moose gebildet wird. Jahr für Jahr wächst so das Moos um einen Millimeter. 6 Meter ist es mittlerweile mächtig, und war damit im 19. und 20. Jahrhundert ein begehrte Rohstoffquelle. Eine Entwässerung des Gebietes sollte den Abbau erleichtern. Der sog. Russenweg erinnert heute noch daran, dass dies im 2. Weltkrieg durch Zwangsarbeiter geschah („Wir sind die Moorsoldaten …“). Im Schwaberinger Moos waren es dann vor allem die Änderungen in der Landwirtschaft, die zur Bestandsbedrohung wurden. Streuwiesen wurden nicht mehr gemäht (da keine Einstreu mehr benötigt wurde), der Eintrag von Nährstoffen von den gut versorgten bachaufwärtsgelegenen Wiesen förderte massiv das Schilfwachstum und die Landwirte versuchten dem Gebiet durch Aufforstung mit schnellwachsenden Fichten noch einen kleinen Ertrag abzuluchsen.

So wurden die Lebensräume für Lungen-Enzian, Tarant und Teufelsabbiss immer kleiner, die Pflanzen und die mit und von ihnen lebenden Insekten (eine Scheckenfalterart ernährt nahezu ausschließlich vom Teufelsabbiss) vom Aussterben bedroht.

Im Schwaberinger Moor wachsen die Bestände. Nicht zuletzt durch die Aktivität einer Alpenvereinssektion. Dabei bleibt es nicht beim Erwerb. Die Fläche musste gerodet, die Baumstümpfe bis zur Grasnarbe abgefräst werden – damit die Fläche später einmal jährlich gemäht werden kann. Noch steht die Renaturierung eines kleinen Bachlaufs an, der dann in Mäandern geführt werden soll und so zum Wiederanstieg des Grundwasserspiegels führt.

Wie wichtig der Erhalt der Hochmoore ist, zeigt sich auch an dem oben geschilderten Beispiel der dort vorkommenden Sphagnum-Moose. Wenn es auch nur ein Millimeter im Jahr ist: Es handelt sich dabei um organisches Material und damit auch um CO2, das auf diese Art und Weise auf Dauer der Atmosphäre entzogen werden. Durch die enorme Wasserhaltefähigkeit wirken die Hochmoore zudem ausgleichend auf den Wasserhaushalt. Wichtig auch im Hinblick auf die durch die Klimaerwärmung hervorgerufenen Wetterextreme mit vermehrten Starkregenfällen und der damit verbundenen Hochwassergefahr.

Mich hat jedenfalls das Engagement der Sektion Rosenheim beeindruckt. Wäre das auch ein Modell für uns?

Mit den besten Grüßen,

Strauchdieb
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Yak
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Um mani padme hum

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Re: Im Schwaberinger Moos
Antwort #1 - 02.10.2008 um 15:53:20
 
strauchdieb schrieb am 02.10.2008 um 08:49:39:
Mich hat jedenfalls das Engagement der Sektion Rosenheim beeindruckt. Wäre das auch ein Modell für uns?


Aus meiner Sicht auf jeden Fall. Hier ist mal gehandelt und nicht nur lautsprecherisch guter Willen bekundet worden.
Geredet wird immer viel, das auch mal was getan wird, ist selten genug und daher freut es mich darüber so detailiert zu lesen.
Erstaunlich auch dass es um eine so geringen Betrag ging, manchmal ist Engagement anscheinend gar nicht so teuer.
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Wir können es auch nicht, aber wir versuchen es wenigstens !
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obadoba
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Re: Im Schwaberinger Moos
Antwort #2 - 03.10.2008 um 07:25:32
 
Vielen Dank für die interessante Erläuterung und die schönen Bilder. Ich muss gestehen, dass ich dem Standort Moos bisher keine Beachtung geschenkt habe, vielleicht ein Fehler.
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Viele Grüsse,
Andrea
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