Familienreferat


Ostern in der Provence - 13.04. - 20.04.2006

Der Winter war lang, hart und nervig. Ich liebe Schnee und Kälte, allerdings nicht vor der eigenen Haustür.

Der Idealfall am Bodensee ist: März = 15° + und am WE die Skier ins Auto packen und ab ins Gebirge dampfen.

Doch weit gefehlt, dieses Jahr fand der Winter auch ziemlich lange am See statt. Irgendwann konnten wir die weiße Pracht nicht mehr sehen. Was heißt: weiße Pracht, meistens ist es ja am Bodensee eher neblig und man sieht nix. Das macht depressiv und Depressionen sind nicht gut für´s Karma.

Was liegt also näher, als in ein sonniges Plätzchen im sonnigen Süden Europas zu fahren? Wohin… naja
Südfrankreich hatte immer einiges zu bieten. Kurze Aufwand/Nutzenanalyse - wofür ist man schließlich Controller und schon war der Urlaub beschlossene Sache.

Wo genau sollte es hingehen? An den Gardon in der Nähe von Pont du Gard. Dort gab es einen bombastisch guten Campingplatz mit eigenem Luxusswimmingpool, wo wir unser neues Expeditionsheim ausprobieren konnten.
http://www.camping-barralet.com/acceuil.php

Die Fahrerei war wie immer langwierig und es ist eigentlich schnurz, ob man über Lyon oder Champéry fährt. Es kommt auf gut 9-10 Stunden raus. Wie üblich hatte die Familie keine Lust zum frühen Aufstehen, dafür war dann der Aufbau des Zeltes in Collias - so hieß unser Ziel - so gegen 22:00 im Dunkeln angesagt. Aber das beherrschen wir ja mühelos. Die Freunde aus Überlingen waren ebenfalls schnell zur Hand und somit konnte das Luxusnachtlager bald bezogen werden.

14.04.06 Inspektion des Klettergebietes

http://www.bilboquet.net/collias.html
siehe auch Mistral Führer 1

Kletterer stehen ungern früh auf und so machten wir uns erst gegen Mittag auf den Weg. Das Klettergebiet liegt direkt am Gardon unterhalb des Campingplatzes Le Barralet. Selbiger ist sehr schön angelegt und man findet auch in erster Linie Kletterer und Biker darauf. Zu Ostern war er fest in deutscher Hand. Die Verständigung klappt in Frankreich neuerdings auch in Deutsch.

© Lisanne 2006
der Gardon an dem der gleichnamige Pont du Gard liegt

Die Routen sind in allen Schwierigkeitsgraden (meistens aber so ab VI aufwärts) vorhanden. Natürlich sind die einfacheren Routen ziehmlich abgespeckt. Wo der Fels nicht abgespeckt ist, kann man sich schon auf griffigen Schrattenkalk verlassen. Wir wandten uns den einfachen Routen Gardon - abwärts zu, die in erster Linie für Kinder gedacht sind. Toprope kann gut eingerichtet werden und los geht der wilde Kletterspaß. Allerdings nach 2 Stunden haben die lieben Kleinen dann die Nase voll vom Klettern und spielen lieber am Fluß. In den sie dann auch wie erwartet reinfallen. Aber es ist warm und die Sachen sind schnell wieder trocken. Über Mittag ist es fast schon zu heiß zum Klettern, so daß wir uns erst mal zu einem ausgiebigen Mittagessen einschließlich Siesta zurückziehen. Die Kinder haben mittlerweile den Swimmingpool entdeckt, der bis Ostern betriebsbereit sein soll. Na, dann fehlt ja nichts mehr.

© Lisanne 2006
Klettergebiet Collias

© Lisanne 2006
Kind auf Abwegen

© Lisanne 2006
Karawane der Kletterer

15.04.06 Avignon

Wir sind nicht nur zum Klettern hier. Die Gegend um den Pont du Gard muß man sich schon genauer ansehen. Alle Sehenswürdigkeiten, die Rang und Namen haben sind hier schließlich in unmittelbarer Nähe. Da das Wetter nicht so prall ist, entschließen wir uns zu einer Sightseeing Tour nach Avignon.

© Lisanne 2006
Kinderkarussel nicht nur für Kleine

Avignon beeindruckt durch diesen gigantischen Papstpalast und die Kinder bekommen von mir die übliche Vorlesung über Architektur und Geschichte. Das kleine Kind hört eh nicht hin, das große schon eher und gibt durch gezielte Fragen Interesse zu erkennen.

© Lisanne 2006
Papstpalast in Avignon

© Lisanne 2006
Papstpalast in Avignon

© Lisanne 2006
kulturbegeistertes Kind

Die Kinder lernen „sur le pont d´Avignon” . Warum man aber auf dieser halbfertigen Brücke tanzen soll, verstehen sie nicht. Ich auch nicht. Auf jeden Fall stehen genug Leute drauf und wir verzichten auf eine Begehung.

Ein Bummel durch die Einkaufsstraße ist lohnend und das Eis für die Kinder teuer. Aber das ist normal in Frankreich.

17.04.06 Kanufahren auf dem Gardon

Ein Highlight ist jedes Jahr eine ausgiebige Kanufahrt in Frankreich. Letztes Jahr war der Chassesac dran, dieses Jahr der Gardon. Schnell die Preise der lokalen Kanuverleiher studiert und der Ausflug ist beschlossene Sache. Naja, ganz billig wird der Ausflug nicht für die ganze Familie. Aber es ist es wert.

Ann-Sophie will unbedingt mit Oliver in einem Kanu fahren. Wir beschließen, daß die beiden das schon packen. Die machen das nicht zum ersten Mal. Lotta und ich fahren zusammen.

Wir entscheiden einstimmig, die große Tour mit 23 km von Russan nach Collias zu nehmen. Die Organisation ist perfekt. Man wird mit dem Bus einschließlich Kanu nach Russan gefahren und von dort geht es los. Wir holen noch ein paar letzte Informationen über den Flußverlauf ein und begeben uns auf die große Fahrt. Zunächst ist der Fluß ruhig, doch schon bald stimmen wir uns mit den ersten leichten Stromschnellen ein. Der Wasserstand ist perfekt und man muß das Kanu nicht tragen. An der Brücke bei St. Nicolas wird es dann ein wenig anspruchsvoller mit der Wegfindung und wir murksen uns erst mal in ein paar Steinen fest. Also aussteigen und das Boot ziehen. Wir suchen uns nach der Stromschnelle einen schönen Platz am Ufer, wo wir beobachten können, wie sich die anderen an der gleichen Stelle abmühen. Höchst amüsant!

Als wir alle versammelt sind, ist erst einmal eine Pause fällig. Aber allzulange sollte diese nicht ausgedehnt werden, denn schließlich haben wir erst die halbe Wegstrecke hinter uns. Wir wechseln die Besatzung und ich fahre mit Ann-Sophie und Lotta.

An einer etwas größeren Stromschnelle machen wir den kapitalen Fehler, daß wir alle zur gleichen Zeit durchfahren, was natürlich dazu führt, daß sich ein Boot querstellt, ich es mit unserem Boot ramme und mit den Kindern ordentlich kentere. Es dauert einige Zeit, bis das Boot wieder geborgen ist, die Kinder und die sieben Sachen eingesammelt sind. Die Lotta hat die Nase nun gründlich vom Bootfahren voll und sitzt frierend im Boot, denn der Wind kommt nun kräftig und gemein von vorn, was das Fortkommen doch deutlich erschwert.

Da ich einen kaputten linken Arm habe, komme ich nicht vernünftig durch die nächsten Stromschnellen durch und wir kentern leider noch zweimal. Nun hat Lotta es aber endgültig satt und auch mir drängt sich langsam der Filmtitel „River of no return „ auf. Meine Güte: hat das Teil denn gar kein Ende. Wir wechseln noch mal die Bootsbesatzung. Ann-Sophie muß nun wieder mit Oliver paddeln, obwohl den beiden auch schon die Arme ziemlich lang geworden sind. Die letzten Flußwindungen bis Collias werden nur noch fluchend zurückgelegt, weil der Gegenwind nun unerträglich geworden ist. Zum Glück kommt uns der Kanuverleiher schon mit seinem Bus entgegen, so daß wir nicht die ganze Strecke zurück paddeln müssen. Wir sind alle recht erledigt, aber trotz all dieser Strapazen sind wir trotzdem der Meinung, dass es ein Super-Event war. Lotta ist anderer Meinung: nie wieder Kanufahren !!! Das Abendessen haben wir uns alle redlich verdient und alle sind recht plötzlich in den Schlafsäcken verschwunden.

An dieser Stelle sei noch einmal drauf hingewiesen: ES IST ABSOLUT UNERLÄSSLICH, DIE SCHWIMMWESTEN ANZUZIEHEN!!! Auch wenn man schwimmen kann. Wenn das Boot in einer Stromschnelle kentert und man darunter gerät, hat man ohne Weste schlechte Überlebenschancen. Ich habe im Nachhinein erfahren, dass auf dem Gardon eine Woche später eine ganze Familie um´s Leben gekommen ist, weil sie ganz (fahr)lässig auf das Anlegen der lebensnotwendigen Schwimmwesten verzichtet hat. Das Wasser im Fluß ist zwar nicht besonders tief, aber man glaubt nicht, was für eine Gewalt hinter einer auch kleinen Stromschnelle steckt.

Fotos gibt es keine, da ich die Kamera lieber nicht riskieren wollte.

18.04.06 Les Saintes Maries de la Mer, Les Baux

Nach dem gestrigen Abenteuer steht uns heute wieder der Sinn nach Nichtstun. Die Kinder wollen an´s Mittelmeer, was ja nicht weit weg ist. Schwimmen kann man darin sicher noch nicht, aber sehen muß man´s. Bis Les Saintes Maries de la Mer ist es nicht besonders weit. Ich war dort mal vor wahrscheinlich 20 Jahren und die stilisierte Erinnerung muß der Ernüchtung weichen. Von tourifreier Idylle ist natürlich nichts mehr zu sehen und der Ort ist nichts anderes mehr, wie die üblichen Souveniershoppingmeilen am Mittelmeer. In den Restaurants übertreffen sich die Straßenmusikanten als Möchte-Gern-Gipsy-Kings.

© Lisanne 2006
Hafenpromenade von Les Saintes Maries de la Mer

Wir verlassen diesen Ort recht schnell, weil es am Meer auch keine gescheiten Muscheln zu sammeln gibt und wenden uns Les Baux zu. Vor 20 Jahre eine Perle in den Hügel. Bätsch !!! auch hier die rauhe Realität: vollgestopfte Gassen, saftiger Eintritt zur Burg und überhöhte Getränkepreise, die einem das Wasser in die Augen treiben. Früher war eben alles besser! Auf der Rückfahrt nehmen wir noch ein Römergrabmal vor St. Remy mit, was aber außer mir niemanden mehr so recht interessiert. Dementsprechend entfällt der Besuch der Ausgrabungsstätte „Glanum”.

© Lisanne 2006

© Lisanne 2006
von Sandnixen und Muschelnsuchern..

© Lisanne 2006
Aufstieg nach Les Baux

© Lisanne 2006
Raubritternest

© Lisanne 2006
Touristraßen von Les Baux

Es haben alle Hunger und wollen eigentlich nur noch zurück an den Campingplatz, denn Kunst und Kultur macht bekanntlich nicht satt.

19.04.06 Klettern, Schwimmen, Abhängen

Heute ist wieder ein wenig Klettern angesagt.

© Lisanne 2006
eine ganz passable Mehrseillänge

© Lisanne 2006
Kindersicherung.-… und des einen Leid…

Die Kids haben eher wenig Bock zum Klettern und entdecken einen toten Fisch im Fluß, der natürlich viel interessanter ist und von allen gebührend bewundert werden muß.

© Lisanne 2006
…des anderen Freud…

An dieser Stelle sei noch einmal betont, daß Kinder generell klettern mögen. Was sie eher nicht mögen, sind Erwachsene, die sich stundenlang in Routen verbeißen oder gar in Mehrseillängen verabschieden. Was Kinder auch nicht mögen, ist das mit dem Klettern untrennbar verbundene Warten - auf was auch immer -; daß das Seil eingehängt wird, daß andere Kletterer endlich mit ihrer Kletterei fertig sind. Nein, grundsätzlich wollen alle Kinder immer sofort und alle gleichzeitig klettern. Kann dies von den Erwachsenen nicht gewährleistet werden, wird die Sache sofort uninteressant und es werden andere Betätigungsfelder erkundet. Das Kletterinteresse der Kinder kommt für diesen Tag dann meist gänzlich zum Erliegen.

Gegen mittag wird es zum Klettern eh zu heiß und nach einem genüßlich Mahl (her mit den Meeresfrüchten, die es nur hier unten wirklich frisch gibt) ergeben sich die Erwachsenen in eine wohlverdiente Siesta und die Kids machen sich über den Swimmingpool her.

20.04.06 Heimreise mit Hindernissen

Wir planen die Heimreise früh ein, weil es doch ein ganzes Stück zu fahren ist. Wir sind noch nicht ganz einen Kilometer gefahren, da kommt uns auf der immer enger werdenden Straße ein Auto mittig entgegen und rums ist der linke Außenspiegel abgefahren. Na das wird ja heiter, ohne Spiegel heimfahren, grenzt an ein Kamikazekommando.

Aus dem Auto springt ein aufgeregter, älterer Franzose, dessen fahrende, ebenfalls ältere Freundin wohl nicht so ganz abschätzen konnte, wie breit ihr Auto ist. Natürlich beschuldigt der Bursche uns zunächst der überhöhten Geschwindigkeit, der tiefstehenden Sonne, in der wir ihr Auto haben gar nicht kommen sehen können und Ähnliches. Ich pariere die Tirade in bestem Französisch und warte auf die Polizei, die natürlich noch nicht einmal die Sache aufnimmt.

Mir ist klar, den Spiegel zahle ich selbst, aber die kriegen auch nix von meiner Versicherung.

Davon haben wir aber noch lange keinen Außenspiegel für die Heimreise und sind auch noch nicht zuhause. Wir entscheiden uns gegen einen Werkstattbesuch in Remoulins, der mich teuer und langwierig deucht, räumen das Auto so um, daß man durch die Heckscheibe sehen kann und fahren ohne weitere Vorkommnisse heim.

Der Pont du Gard war damit dann auch erledigt. Naja, der steht schon so lange da, der kann auch noch warten, bis wir mit repariertem Spiegel hier mal wieder vorbeikommen.

Fazit:
Südfrankreich ist ne klasse Sache, wenn es nur nicht so weit wäre. Vielleicht hat Lotta sich bis nächstes Jahr wieder von dem Kanutrauma erholt und wir könnten mal einen Tripp auf der Ardeche ausprobieren.

 

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