(*Satire bleibt selbstverständlich weiter an*)
Wir spüren es: Unser Berg ist nicht mehr fern.
Vollkommen und restlos aufgeregt fahren wir also nun das magische Valle Calingasta entlang … und urplötzlich steht er vor uns – unser Berg!
Vor traumhaft blauem Himmel zeigt er sich in voller Pracht – der Cerro El Alcazar!
Wie eine Kathedrale oder eine wehrhafte Burg strahlt er zu uns Zwergen hernieder, und wir wissen sofort: Da müssen wir hinauf! Auf jeden Fall wollen wir auch die Direttissima versuchen, Hans erkundet jedoch vorsichtshalber schon einmal alternative Anstiege, über die wir den Berg sozusagen von hinten aufrollen könnten:
Ich persönlich finde ja, dass das von hier auch nicht viel einfacher aussieht …
Zunächst aber versuchen wir es über die Direttissima – allerdings erst, nachdem die schlimmste winterliche Mittagshitze vorüber ist (es war wirklich sommerlich warm an diesem Wintertag – jedenfalls wesentlich wärmer als im „sommerlichen“ August in Deutschland) und wir unser Basislager direkt am Fuße unseres Berges aufgeschlagen haben.
Ungefähr auf drei Vierteln der Direttissima-Strecke stellen wir fest, dass es dort nicht wirklich weiter geht. Also machen wir vor dem erneuten Abstieg erst einmal eine kleine Aussichtspause:
Man bemerke: Ich mache schon wieder Werbung für die SAN …
Dann wagen wir einen anderen Zustieg über einen Einschnitt, der sich auf der rechten Seite des Cerro auftut. Über diesen wollen wir den Grat erklimmen, über den wir hoffen, den Gipfel des El Alcazar zu erreichen. Schwerste Kletterei erwartet uns dort – einmal muss ich sogar meinen ersten (schrägen) Kamineinstieg bewältigen. Mit höchster elfengleicher Eleganz meistere ich diese Herausforderung jedoch mit Bravour … nur kann ich nicht verstehen, warum Hans diese Heldentat nicht sofort digital ablichtet. Ihn zieht es augenscheinlich unhaltbar zum magischen Gipfel … und schließlich erreichen wir ihn tatsächlich!
Schon sieht man im Hintergrund bedrohlich den wütenden Sturm heraufziehen …
In abartiger Geschwindigkeit erreicht uns direkt am Gipfelgrat der Sturm. Nicht nur einmal bewege ich mich dort dann lieber auf allen Vieren, als heruntergeblasen zu werden. Der Einsatz der Kamera ist wirklich existenzgefährdend (zumindest für die Kamera) – ein Wunder, dass überhaupt noch das eine oder andere weitgehend unverwackelte Bild entstand:
Hier der Blick ins Basislager … werden wir dort je lebend wieder ankommen?
Das ganze Tal wird von dem Sturm befallen, und ich bete inständigst, mir mögen Flügel wachsen, sollte es mich von dort oben herunterwehen. Aber schließlich hatte ich es ja nicht anders gewollt …
Sturmumtoster Gipfel und Grat, Sturm im Tal …
Auf dem ungemein gefährlichen und langen Abstieg muss mich Hans denn auch einmal ans Seil nehmen … dummerweise hat er damit natürlich keine Hand mehr frei, um ein Beweisfoto zu machen. Nach mystisch verrinnender Zeit erreichen wir dank des Schutzes der Difunta Correa und diverser Schutzengel heil das Tal links unseres Berges. Sogleich bin ich erneut verzaubert von den überirdischen Farben dort:
Staunendes Wandeln …
Aus der Nähe betrachtet, mutet das Gestein noch edler an …
Als ich später bei Mondschein durch unser Basislager am Fuße des El Alcazar wandle (selbstverständlich SAN-gemäß mit Stirnlampe), komme ich mir wirklich vor wie in der Theaterkulisse einer magischen Oper. Die Königin der Nacht fängt allerdings Gott sei Dank nicht an zu singen, und auch Oberon erscheint uns nicht. Stattdessen lesen wir wie gewohnt bis tief in die Nacht aus unserem 700-Seiten-Buch, bevor wir uns am nächsten Tag schweren und doch erfüllten Herzens von unserem Berg verabschieden, um langsam aber sicher den Rückweg in Richtung Chile anzutreten.
Zunächst jedoch versuchen wir uns mit unserem Pickup im Landsegeln auf einem ausgetrockneten See:
Man glaubt irgendwie gar nicht, dass die Berge im Hintergrund zwischen 5.000 und 6.000 m hoch sind …
Nach diversen Spaßkurven auf dem See wird allerdings den Hunden etwas schwummrig und wir lassen sie zum Luftholen lieber aussteigen:
Tierische Erleichterung …
Ebenfalls in dieser Gegend entdecken wir eine absolute Ausnahme, die uns sofort in Freudentaumel ausbrechen lässt, da Hoffnung für dieses Land aufkeimt … das einzig wirklich Furchtbare in Argentinien ist nämlich Müll (dort schaut es tatsächlich aus wie am Mount Everest: Selbst in der schönsten Natur Müll, Müll, Müll … sprich: Basura). Und was finden wir hier …:
Ob das allerdings im Sinne des Erfinders war…?
Hoffnungsfroh fahren wir also weiter und nähern uns dabei Stück für Stück dem Haupt-Pass zwischen Argentinien und Chile. Unsere letzte Nacht auf argentinischem Boden verbringen wir nahe Uspallata, erneut in einem geradezu magischen Tal: Links niedrige, dafür umso buntere Fels- und Hügelformationen, rechts die Anden. Hier wurde übrigens auch „Sieben Jahre in Tibet“ gedreht:
Ein würdiger Abschiedsplatz!
Nur für den Fall, dass Brad Pitt vorbeikommen sollte, ist etwas Frischmachen angesagt (Brad Pitt war zu dieser Zeit wirklich in Argentinien – ehrlich und ungelogen!):
Autolüftung …
Und weil’s gar so schön war (und mittlerweile auch im ersten SAN-Kalender verewigt ist):
Anden im Abendlicht
Am nächsten Tag wissen wir ehrlich gesagt noch gar nicht, ob wir überhaupt über den Haupt-Pass kommen werden: Über eine Woche lang war er wegen heftigen Schneefällen gesperrt und bis zu 5.000 frierende LKW-Fahrer mussten von der Armee versorgt werden.
Zum Glück ist der Pass wieder offen, aber das „Abarbeiten“ der 5.000 Bullys ist immer noch in vollem Gange. So schleichen wir im LKW-Konvoi Kilometer für Kilometer hinauf:
Ein bisschen Schnee liegt noch …
Und auf der anderen Seite geht es wieder hinunter (logisch!):
Leitplanken? Noch nie gehört …
Auf der chilenischen Seite der Anden angelangt, wird es sofort wieder grün und fruchtbar:
Und kurz darauf ist man schon am Pazifik:
Pelikan und Kormoran …
Wir verbringen noch einen wunderschönen Tag in Valpara’so … wo ich allerdings auch „getauft“ werde; sprich: Eine Bande Kleinkriminelle versucht mittels einer durch und durch perfiden Methode, bei der man von oben mit einer glibberig-flüssigen Bananenmus-Pampe überschüttet wird (woraufhin man selbstverständlich sofort die Jacke vom Leibe reißt), an den Inhalt meiner Jackentaschen zu gelangen … Ällabätsch, nix gekriegt, kann ich da nur sagen. Hans hatte mich Gott sei Dank vorgewarnt, dass Valpara’so ein prima Pflaster ist, um Geld und Kamera loszuwerden.
Aber eine traumhaft schöne Stadt voller lebendiger Kreativität! Und die Fischlokale *schwärm*! Hier nur ein klitzekleiner Eindruck:
Dann fahren wir wieder in Richtung Süden, einen Tag lang noch an der Küste entlang:
Dabei kommen wir der Zivilisation näher und näher:
Irgendwie komisch … aber auf einmal musste ich intensiv an Yak und Climby denken *gg*
Schlussendlich landen wir bei absolutem Sauwetter auf der Autobahn:
Einziger Vorteil: Copec-Diesel!
Zuhause am Fuße unseres vetrauten, spuckenden Hausberges angekommen, freut sich ein jeder über eine heiße Dusche, frische Wäsche, ein frisches Bett und – den Holzofen:
Gibt es etwas Schöneres?!?
Ich bin richtig froh, dass ich noch ein paar Tage habe, um ganz in Ruhe dem Vulkan beim Qualmen, den Kolibris beim Nektarsaugen, den Lamas und der Eseldame beim Lieb-dich-neck-dich-Spiel, den Hunden beim Saunieren vor dem Ofen und den Wolken beim Verwandeln und Vorüberziehen zuzuschauen, bevor es wieder zurück nach Ganz-nach-Hause geht.
Fazit: Es war eine wunderschöne Reise, sowohl landschaftlich als auch menschlich. Und : Wir haben unseren Berg gefunden und – bestiegen *breitgrins*
Nebenbei bemerkt: Da wir es diesmal nicht bis zur Atacama-Wüste geschafft haben, muss ich leider, leider bald wieder da hin!
Daten-Nachtrag:
Strauchdiebs Wunsch nach Kartenmaterial kann ich nun leider doch nicht nachkommen – die Papier-Karte, die wir dabei hatten, war ziemlich mies und kommt als Bild gar nicht gut, und digital habe ich auf die Schnelle auch keine gefunden.
Für die, die’s interessiert, nachfolgend aber nochmal die wichtigsten Stationen zum Nachvollziehen der Reiseroute:
CHILE: Pucón (hier unser Hausberg, der Vulkan Villarrica) – Paso Tromen o Mamuil Malal (hier der höchste Vulkan der Region, der Llanin) – ARGENTINIEN: Aluminé – Zapala – Las Lajas – Loncopué – Caviahue – Chos Malal – Barrancas (Achtung: Scheiß Diesel!) – Bardas Blancas – Malargüe (Achtung: fieser Dieselpumpen-Mechaniker!) – San Rafael – San Luis (supernetter Dieselpumpen-Mechaniker!) – Sierra de las Quijadas – Vallecito (hier die Difunta Correa) - San Juan (BOSCH-Werkstatt!) – Parque Ischigualasto (hier die Saurier, das Fußballfeld, der Pilz, das U-Boot, etc.) – San José de Jáchal (hier eine schwarze Jesus-Gliederpuppe am Kreuz aus dem 15. Jhdt.) – Villa Unión – San Augustin de Valle Fértil – San Juan (manchmal kommt man gerne wieder …) – Calingasta (hier irgendwo der Cerro El Alcazar, unser Berg!) – Barreal – Uspallata (hier irgendwo Brad Pitt) – Las Cuevas (Pass zwischen Aconcagua und Vulkan Tupungato) – CHILE: Los Andes – Vina del Mar – Valpara’so (Achtung: hier wird man getauft!) – Isla Negra (hier ist Pablo Nerudas Grab und sein liebevoll als Museum eingerichtetes Lieblingshaus am Pazifik) – San Antonio – Pichilemu – Bucalemu – Talca – Los Angeles – Temuco – Pucón
Mit besten Grüßen
Ulli
Zurück zu Teil 1 oder zu Teil 2
Copyright (c) 2006 Sektion Alpen.Net