Ostertouren 2005 - Teil 3


Nebel am Großvenediger

Ursprünglich war ja geplant, im Anschluss an die Silvretta-Touren (Dreiländerspitze, Piz Buin usw.) die Osterfeiertage auf der Monte-Rosa-Hütte im Wallis zu verbringen (Organisator: SkitourenHasei, seines Zeichens frisch gebackener FüL Skibergsteigen). 1800 Höhenmeter aufs Nordend. Auf Schneeschuhen, für einige von uns. In fast 4000m Höhe. Als die Verhältnisse dort so problematisch wurden, dass Hasei dieses Programm knicken musste, atmete sogar Alex insgeheim auf. Aber was ein echter Berchtesgadener ist, der findet immer noch ein Tourengebiet, sogar "fünf vor zwölf" über die Feiertage: Die Kürsinger Hütte hatte Platz für Haseis 22 Leute.

24. März 2005 Kürsinger Hütte

Die "Berchtesgadener" Perspektive hat ja Hasei schon geschildert - hier kommt die der "Franken-Camorra".

Nach Abstieg von der Wiesbadener Hütte, Gebirgswechsel in die Tauern (unterwegs Großeinkauf bei Astri am Ötztaleinschlupf *ggg*) und Rucksackerleichtern im gemütlichen Talquartier ging es am Karfreitag an den Hüttenaufstieg durchs Obersulzbachtal.

© Gisela 2005
... und der dahint des is der Großvenediger (Foto: Gisela)

Mit Tobi war jetzt auch der letzte fehlende Camorra-Pate mit von der Partie. Hasei & Co., bei unserem Auftauchen gerade beim Skianschnallen, waren bald außer Sicht *g*. Dieses Tal ist einfach endlos!

© Berni 2005
(Foto: Berni)

Erst Hang um Hang war voller gefrorener Wildbäche und alter Lawinenabgänge, einige reichten bis auf den Weg…

© Gisela 2005
Lawinenkegel (Foto: Gisela)

…dann ewiger Almhatsch fast ohne Steigung… in der Sonne! Dabei war doch erst März. Gerettet haben uns die idyllische Postalm in der Mitte, die, gerade frisch geöffnet, Pausenbänke und Radler bot, und die Materialseilbahn unterm Gletscher, der zumindest die Vorhut - Angelika, Berni und ich - fürs letzte Drittel die Rucksäcke anvertraute. Die werden ja bekanntlich, je länger so ein Aufstieg sich zieht, immer schwerer.

Also "erleichtert" weiter, an der "Ehemaligen türkischen Zeltstadt" vorbei, in großer Runde über den Gletscher um den Hüttenbuckel herum. Steiler, jetzt gegen Abend schon angefrorener Aufstieg auf denselben, für unsere Skifahrerin echt heikle Spitzkehren. Oben dafür wunderbarer Lichtzauber - hinterm Geiger erschien erst eine rosenfarbige Aura und dann darin der Mond, die Stirnlampe konnte im Rucksack bleiben, wieder Essig mit Sektionsstil.

Glei samma da (Bergsteigerlüge Nr.1) - und draußen vor der Hütte ein Empfangskomitee, das uns einwies (danke, Christina und Hasei!). Sehr schöne, gut organisierte Hütte, luxuriös geräumiges Lager. Und Nachricht vom oberfränkischen Teil der Camorra: Man übernachtete auf der Postalm.
Es waren übrigens 1704 Höhenmeter und über 20 km gewesen - und die Hütte um die Jahreszeit garantiert "tourifrei", nix als Bergsteiger da oben…

25. März 2005 - Keeskogel

Klassischer Beginn eines Tourentages: Blick aus dem Fenster - Nebel und Schneetreiben, kaum der nächste Hang zu sehen. Na toll.
"Auf-der-Hütte-Rumsitzen" bringt es auch nicht - also probier'ma's mit dem Hüttenmugel, mal sehn, wie weit wir kommen. Auf der Karte schaut es ja ganz übersichtlich aus... immer auf dem Rücken Richtung Gipfel!

Wir hatten Glück: Der Aufstieg war sozusagen übermarkiert, wintergerecht meist schön hoch, selbst im Nebel war der nächste rote Fleck immer wieder auszumachen. Wenn man was gesehen hätte, wäre es - abgesehen von einigen für Schneeschuhe heiklen Querungen unterhalb des Blockwerks auf dem Aufstiegsrücken - eine einzige Genusskraxelei gewesen. So war es einfach saukalt und ungemütlich. Für Angelika, die nur geliehene alte Hütten-Steigeisen auf Abfahrtsstiefeln hatte (äußerst empfehlenswerte Kombination…), war es besonders prickelnd. Bis wir wieder unten waren, war Berni, der den Gipfel viel schneller "erledigt" und im Schutz eines großen Felsblocks gewartet hatte, fast zum Eiszapfen mutiert. ("Wieso", würde Yak sagen, "ist doch gutes Wetter!")

© Gisela 2005
(Foto: Gisela)

Beim Abstieg (teilweise "im Sitzen" *g*) verstärkten sich Nebel und Schneetreiben, man konnte kaum noch eine Hangneigung ausmachen. Und wie es so zu gehen pflegt - plötzlich war keine Markierung mehr zu sehen und die Richtung mehr als unklar. Ziemlich rat- und orientierungslos standen wir im Nebel herum.
Meiner Ansicht nach lag der Aufstiegsrücken rechts von uns, aber Angelika wurde es zu dumm, sie fuhr geradeaus ab. Berni auf dem Hosenboden hinterher, denn man lässt ja seine Tourenpartner nicht im Stich. Wie sich später herausstellte, waren sie auf dem Gletscher gelandet und mussten halt zur Hütte auf- statt absteigen, also weiter kein Problem.
Für mich schon. Ich weiß, man bleibt grundsätzlich beieinander, aber mir war der Hang definitiv zu steil (ja, ich geb's zu, vor steilen Rutschpartien hab ich gehörigen Respekt), und rechts von mir tauchte da, wo ich sie vermutet hatte, die nächste Markierung auf... also kurz versucht, Rufkontakt herzustellen und mit schlechtem Gewissen rechts rüber. Ganz ohne Abenteuereinlage ging das nicht ab, kurz vor der Hütte auf den letzten Metern verstieg ich mich mangels Sicht dann doch, steckte ziemlich blöd oberhalb einer steilen Rinne fest (wie sich tags drauf herausstellte, de facto überm "Weg", über den ich im Falle eines Falles mit etwas Pech jedoch wohl hinweggerauscht wäre). Ich war heilfroh, als plötzlich im Nebel doch die Hütte zu sehen war und vor ihr meine mittlerweile eingetroffenen Tourenpartner, die mir dann netterweise aus der Klemme halfen (danke!).

Abends lief noch rechtzeitig zum Essen die Camorra-Kerntruppe ein - die Info über die Materialseilbahn hatte die Ärmsten nicht erreicht! So hatten sie das ganze Gepäck bis auf die Hütte raufgeschleppt. Tobi hatte zu allem Überfluss üble Blasen an den Füßen, trotz ausgiebig eingelaufener Schuhe. Ärgerlich.
Ein wenig entschädigte die großzügige Nachschlaghandhabung des Hüttenteams beim Abendessen... aber Blasen sind Blasen.
Die Wettervorhersage versprach einen schönen Samstag und einen wettermäßig höchst unsicheren Sonntag: Alles klar, Samstag war der Großvenediger fällig. Kinderkram für die Berchtesgadener - wenn schon zum X. Mal Venediger, dann selbstverständlich mitten in der Nacht als Mondscheintour!

26.März 2005 - Großvenediger

Und richtig, als die um Angelika erweiterte Camorra im schönen klaren Morgenlicht den Abstieg auf den Gletscher begann, wo die eigentliche Venedigerroute losgeht, da kamen sie uns entgegen, die Mondschein-Alpinisten, und hatten offensichtlich eine wunderbare Tour gehabt.
Der Steilhang unter der Hütte war sehr unangenehm. Der Schnee war noch recht hart, und die Skifahrer hatten den ganzen Hang mit Seitwärts-Abrutschen abgefräst, so dass die Schneeschuhe kaum griffen. Also umgedreht, Pickeleinsatz und mit dem Gesicht zum Hang vertikal auf Frontalzacken Schneeschuh neben Schneeschuh gesetzt… das dauert! Berni war längst unten, er hatte - mutiger als wir - den Hang per Hosenboden erledigt…

Das war es dann aber auch gewesen mit den Schwierigkeiten, ab jetzt war es nur noch lang.

© Gisela 2005
(Foto: Gisela)

Alex und Angelika auf Skiern waren bald außer Sicht… Die Schneeschuhfraktion stieg schön gleichmäßig in großem Bogen dem Sattel zwischen Groß- und Kleinvenediger entgegen. Bei dem schönen Wetter und der ruhigen Gangart herrschte recht heitere Stimmung, bis, als der Anstieg unterm Sattel aufsteilte, Berni vorn am Seil ein wenig im Firn herumstocherte und so nebenbei trocken bemerkte, dass da wohl eine Spalte wäre… Christine fand das gar nicht gut!

© Gisela 2005
Kleinvenediger (Foto: Gisela)

Aber auch dieser Schreck war bald überwunden und der Venedigersattel ein wunderbarer Rastplatz vor der kurzen letzten Etappe. Von ganz oben klang Alex´ tarzanartiger Gipfelschrei herüber…

Wunderbar in der Tat. Plötzlich wallte "der weiße Nebel wunderbar" in einem Affenzahn aus den Tälern und verschleierte einfach alles - eben noch Panorama und strahlende Sonne, binnen Minuten nur noch wenige Meter "Sicht". Auf dem letzten Stück "Weg" nach oben (inzwischen in der denkbar dicksten Suppe) trafen wir noch Angelika und Alex auf ihrem Weg nach unten (so wussten wir wenigstens alle fünf, dass wir "die Spur hatten" *g*). Vom höchsten Punkt war das Gipfelkreuz im Nebel nur zu ahnen. So ist er eben, "der dahint" - jetzt hab ich ihn von allen Seiten dreimal bestiegen und kein einziges Mal da oben was gesehen! Der Berg hat offensichtlich was gegen mich.
Den Firngrat schenkten wir uns unter diesen Bedingungen. Während Christine vergeblich versuchte, ihrem Feuerzeug eine Flamme für die Gipfelzigarette zu entlocken…

© Gisela 2005
(Foto: Gisela)

…kam eine fremde Seilschaft (eingebunden!) vom Gipfelkreuz über denselben zurück und blieb da, wo man normalerweise wieder anseilt, stehen, um sich auszubinden, und zwar derart, dass ihr Seil so zu unseren Füßen lag, dass es bei der kleinsten falschen Bewegung uns alle vom Grat gefegt hätte. Einfach Klasse. Es dauerte auch eine Weile, bis sie begriffen… Venediger eben, mindestens EINE Seilschaft spinnt da oben immer.
Gipfelrast fiel aus, es war kalt und man sah eh nix, also gleich wieder runter. Im Nebel an der Kante entlang, im Skispurengewirr nach der Spur in die richtige Richtung suchen, im diffusen Licht kaum was zu unterscheiden, und wir wollten ja nicht plötzlich vor der Prager oder Defregger Hütte stehen… Ich hatte jetzt das vordere Seilende; unversehens gab der Schnee unter meinem linken Fuß nach, glücklicherweise war mein Schwerpunkt schon vorn auf rechtem Fuß und Pickel - denn als ich nachsah, öffnete sich unter dem linken Bein ein bodenloses Riesenloch. Mal wieder nicht genug gestochert - aber hier (Spurengewirr!) hatte ich nun wirklich keine Spalte erwartet. Einziger Reflex: Hoffentlich hält die Schneeschuhbindung, hoffentlich segelt der "Tennisschläger" jetzt nicht in den Abgrund… Randoseidank, sie hielt.

Der weitere Abstieg verlief dann unproblematisch, und wenige 100m unterm Sattel hatten wir den Nebel hinter uns gelassen. Unten auf dem Gletscher standen plötzlich drei Zelte… da trauten sich trotz der unklaren Wettervorhersage doch tatsächlich ein paar Leute an Gletscherbiwak und sonntägliche Venedigertour, einige offenbar schlicht zu Fuß, den Spuren nach zu urteilen. Na, denn viel Spaß…

Auf der Hütte stellten wir im Lauf des Abends fest, dass - Christine hatte ja nun ihren neuen Höhenrekord - acht Tourentage in Folge jetzt genug waren. Außerdem hatten Tobis Füße auch für den Sonntag keine rechte Meinung zu etwaigen Gipfeltouren - also Abstieg!

27. März - Runter

Es ist ja immer wieder so gemein. Als die Schneeschuhfraktion Schritt für Schritt schwitzend (Petrus hatte die Wetterfrösche Lügen gestraft)…

© Gisela 2005
Großer Geiger (Foto: Gisela)

…den Gletschersaum hinunterstapfte Richtung Materialseilbahn, kamen nach ausgedehntem Frühstück unsere Skifahrer lässig herab- und vorbeigerauscht, mit strahlenden Gesichtern, Tobi ignorierte seine Blasen und fand es nur noch geil.

© Gisela 2005
(Foto: Gisela)

Wir konnten ihnen nur noch hinterherschauen… Langsam wird es wirklich Zeit, endlich das Abfahren im Gelände zu lernen. Ich liebe meine "Tennisschläger", aber runter leuchten mir die Ski einfach mehr ein.
Pause auf der schönen und immer noch idyllischen Postalm…

© Gisela 2005
(Foto: Gisela)

…möcht nicht wissen, wie es da zugeht, wenn der Taltaxibetrieb läuft!
Der untere Teil des Obersulzbachtals zog sich ohne Ende, war auch teilweise schon aper, irgendwann war Trendsport "Ausrüstung-Spazieren-Tragen" angesagt.
Immer noch bei strahlendem Wetter Heimreise angetreten, Abendessen bei McKotz ("Unsere Produkte sind als Bestandteil einer Hauptmahlzeit für Kinder kalorisch geeignet") - und noch im Hellen daheim in Franken!

An dieser Stelle sei dem Hasei für seine beträchtlichen Organisationsmühen und die fantastische Kommunikation (über Verhältnisse, Quartier, voraussetzungen, Wetter wurden wir ständig auf dem Laufenden gehalten) ganz herzlich gedankt!

P.S.
Berni hat den passenden Link für die Hintergrundinfos gefunden: Ehemalige türkische Zeltstadt
Die ist natürlich infolge des Gletscherrückgangs längst Geschichte. Aber wenn man den Anstieg auf den Gletscher beginnt, kann man rechts oben ein wirres Durcheinander von Felsbrocken und pyramidenförmigen Steinmannderln sehen, garniert mit halb umgekippten Stangen, unter dem man sich tatsächlich mit einiger Phantasie die Konturen eines "türkischen" Zeltlagers vorstellen kann. Kara Ben Nemsi lässt grüßen.

Mit Ski und Schneeschuh durch die Silvretta - Teil 1
Mit Ski und Schneeschuh durch die Silvretta - Teil 2

Gisela

 

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