Chilenische Reisememoiren Teil 1


Samstag, 16.04.2005, ca. 750 km südlich von Santiago de Chile, X. Region, auch die "Schweiz Chiles" genannt -, 7 km und 200 Höhenmeter entfernt vom Ort Pucón, am Fuße des derzeit recht aktiven Vulkans Villarica, sitze ich gerade bei meinen Freunden Truus und Hans Saler am Computer und habe, seitdem ich vor eineinhalb Wochen hier angekommen bin, das erste Mal Zeit, einen kleinen Zwischenbericht abzufassen.

© Ulli 2005
Allmorgendlicher Blick direkt vor der Tür: Wie raucht Ihr heute, ehrenwerter Volcan Villarica?

© Ulli 2005
Allabendlicher Blick: Wie spiegelt sich heute die untergehende Sonne in Euch, ehrenwerter Lago Villarica?

© Ulli 2005
Mein Luxusappartment genau zwischen Vulkan und See - wegen eines leichten Bebens etwas verwackelt ...

Abenteuerlich begann meine Reise bereits direkt nach meiner Ankunft in Santiago zu werden: Nach 18 Stunden Sardinenbüchsenstellung in Flugzeugen war ich sogar froh, dass ich, bevor es 14 Stunden später noch einmal 10 Stunden mit dem Bus weitergehen sollte, einen ganzen Tag Zeit hatte, um in der Stadt mein Bewegungsdefizit ausgleichen zu können. Dringend jedoch benötigte ich auch einen starken Kaffee ...

In einer kleinen Nebenstraße nahe der Altstadt entdecke ich auch gleich ein Etablissement, das Koffein verspricht. Übersetzt heißt es "Küsschen-Café". Und in der Tat: Kaum bin ich eingetreten, bekomme ich von einer der netten Damen bzw. Bunnys hinter dem Thresen einen dicken Kuss auf die Wange gedrückt. Außer mir und den Küsschen-Damen sind nur Herren anwesend. Das mag vielleicht daran liegen, dass jene Damen lediglich in kurze Stoffschläuche gekleidet sind, die hinten ungefähr bis zur Hälfte den Glutaeus Maximus (großer Gesäßmuskel) bedecken, während sie vorne, etwas weiter oben, eine nicht unbeträchtliche Region durch eine ovalförmige Stoffeinsparung freilassen. Highheels sind ebenfalls obligatorisch. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass der ganze Thresenbereich von oben bis unten verspiegelt ist (vor allem die Herren der Schöpfung mögen mir verzeihen, doch leider konnte ich in jenem Etablissement keine Fotos machen, da ich erst von Hans eine Kamera zur Verfügung bekam).
Niemand jedoch scheint dort Anstoß daran zu nehmen, dass ich kein Mann bin; ich werde ebenso zuvorkommend behandelt und bekomme zum Abschied ein weiteres Küsschen auf die andere Wange. Erst Stunden später entdecke ich auf der Toilette des Nationalmuseums, dass ich links und rechts den Lippenstifthauch zweier perfekter Kussmünder mit mir herumgetragen habe ...

Ansonsten vergeht der Tag wie im Flug bzw. wie auf Füßen. Ich spule Kilometer um Kilometer herunter und mache bei 48 Grad Steigung sogar meine erste Bergtour ... todesmutig mit der 80 Jahre alten, trotz Segnung durch den soeben von uns gegangenen Papst nicht gerade Vertrauen erweckenden Standseilbahn auf den Cerro San Cristobal. Die Stadt unter mir kann ich dort immerhin noch erahnen, aber bereits die allernächste Bergkette ist durch den undurchdringlichen Smog nicht mehr zu sehen.

Dementsprechend froh bin ich, als ich 44 Stunden nach meinem Aufbruch in München endlich in der Frischluft der Wälder-, Seen- und Vulkanregion im Süden Chiles ankomme. Hier ist die Luft so klar, dass man des nächtens die Magellanwolken tatsächlich mit normalen Wetterwolken verwechseln könnte.

Die Begrüßungsdelegation bei der Ankunft bei meinen Freunden besteht aus Hans und seiner Frau Truus, den drei Hundedamen Cindy, Copita und Kima, den zwei Lama-Herren Wotan und Bonzo, und der Eseldame Mansita.

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Ein Teil der Begrüßungsdelegation: Kima, Truus, Copita, Cindy, Mansita (von links nach rechts)

Meinen ersten 1540er Aussichtsfelsen im Canyon de Cani (wo es allerdings weder einen Canyon noch Zuckerrohr gibt ...) habe ich mittlerweile bereits hinter mir. Zugegeben, auf den ersten Blick wirkt das nicht besonders beeindruckend ... Wenn man aber bedenkt, dass wir auf 390 m losgegangen sind, ergibt das immerhin 1150 Höhenmeter - und das vollbracht von einem erklärten Damenkränzchen-Mitglied (Motto: normale Gehzeit grundsätzlich verdoppeln ...)!
Sowohl der Aufstieg dorthin als auch der Rundum-Pamorama-Blick auf die argentinische Andenkette und die Vulkane Villarica, Quetrupillan und Lanin waren einfach traumhaft.

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Unser bisher höchstes Ziel: Hansis Aussichtsfelsen im Canyon de Cani (1.540 m)

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Irgendwie kommt man sich hier kleiner vor als in unseren Wäldern ...

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Bizarre Formen der Natur: vom Blitz gespalten - als Wendelbaum weiter in den Himmel gewachsen

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Auf der ersten Hochebene ein wunderschöner Bergsee

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Auf der nächsthöheren Ebene nochmal zwei Seen (die leicht grotesken Bäume sind Araukarien)

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Oben angekommen - der Blick nach unten

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Blick auf den Villarica (2.852 m)

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Blick auf den Lanin (3.717 m)

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Das obligatorische Gipfelfoto

Darüber hinaus sind wir bereits in den Nebenbergen unseres Hausbergs bzw. -vulkans herumgestiegen und wir haben eine äußerst spannende Entdeckungstour in ein Hochtal auf der gegenüberliegenden Seite des Sees gemacht, der übrigens ebenfalls Villarica heißt.

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Blick in das Trancuratal aus den Vorbergen des Volcan Villarica

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Blick auf den Volcan Villarica von der anderen Seite des Rio Trancura

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Wir sind sehr wohl auf eigenen Füßen gelaufen ... diesen zutraulichen Vierbeiner trafen wir nur für eine kurze Streicheleinheit auf einer Hochweide

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Fast bis ans Ende dieses Tales führte ein verschlungener Viehweg fŸr chilenisch-alpine Urwaldrinder

Zwischendrin waren wir auf wildromantischen Schotterpisten unterwegs zum Campen und zu heißen Thermen, in denen wir nicht nur die müden Knochen pflegten, sondern wo uns - nach dem ca. 15. Besuch der heißen Natursteinbecken innerhalb von 24 Stunden - auch Schwimmhäute wuchsen.

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Auf dem Weg zu den Thermas Rio Blanco: Blick ins Tal bei Curarrehue

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Auf dem Weg zu den Thermas Rio Blanco: Blick auf die Berge bei Quililche

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Links über 40 Grad, rechts ungefähr 12 Grad Wassertemperatur....

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Camping am Rio Blanco

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Unterwegs kann uns wirklich nichts passieren - bei drei Fahrern ...!

Gestern schließlich waren wir im traumhaft schönen Parque Huerquehue, in dessen Wäldern unter anderem armdicke Lianen herumhängen (an denen Hans selbstverständlich sogleich den Tarzan herauskehren musste ....).

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Im Parque Huerquehue trotz Wärme: Buffle-Werbung für die SAN ....

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Die fünfköpfige Wandereskorte passt vor einen Baum ...

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Am Lago Verde ...

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Balancierübung auf einem Araukariengerippe am Lago Chico ...

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Am Lago Toro ...

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Diese Liane war einfach zu verführerisch ....

Heute allerdings bin ich ganz froh um einen Tag Pause, da meine ungewohnt beanspruchten Gelenke bereits mit einem Generalstreik gedroht hatten, sollte ich sie nicht wenigstens heute schonen.

Morgen, am 17.04., brechen wir dann nämlich für drei Tage in den Parque Conguillio zu den Vulkanen Lonquimay und Llaima auf.

Ach ja ... wen übrigens die ganzen komischen Namen wundern: Das kommt dann in der Regel aus der Sprache der Mapuche-Indianer, die hier die eigentlichen Ureinwohner sind.

Spätestens, wenn es mir eventuell, vielleicht, unter Umständen nächstes Wochenende gelungen sein sollte, den Hausvulkan Villarica zu besteigen, der immerhin über 2.800 m hoch ist, wobei man 1.400 Höhenmeter zurücklegen muss, der zudem die letzten Tage gesperrt war, werde ich noch einmal kurz berichten.

Bis dahin: Lasst es euch allen hoffentlich ganz gut gehen!
Chilenische Grüße,
Ulli

 

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