Hier mal ein kleiner Bericht aus einer Gegend, die offenbar noch nicht ganz so häufig vertreten war: den Waadtländer Voralpen in der französischsprachigen Schweiz.
Wenn sie zwei Tage früher stattgefunden hätte, hätte ich gerne bei Giselas Tour durch das Verwall mitgemacht, aber da ich seit Montag Urlaubsvertretung für einen Kollegen machen muss, konnte ich am Montag und Dienstag selbst leider keinen Urlaub nehmen. Aber da ja seit Wochen endlich mal wieder einigermaßen vernünftiges Wetter angesagt war, hat es mich dann doch zumindest von Donnerstag bis Sonntag in die Berge gezogen.
In erster Linie war ich dort mit dem Rennrad unterwegs - am Freitag und Samstag habe ich einen schon länger "in der Schublade" schlummernden Plan in die Tat umgesetzt und bin in zwei Tagen einmal rund um das Mont-Blanc-Massiv geradelt (Start und Ziel in Martigny, Zwischenübernachtung in Bourg-St.-Maurice). Aber da das ja hier eher Off-Topic ist, beschränke ich mich lieber auf den Donnerstag.
Gut 400 km von Karlsruhe nach Martigny sind mit dem Auto keine Ganztagestour - womit also den Rest des Anreisetages füllen? Ergebnis der Internet-Recherche: Bei Leysin nördlich des Rhônetals gibt es zwei interessant klingende Klettersteige. Laut klettersteig.de allerdings mit Schwierigkeitsgrad D bzw. D/E - ohauerha, die paar Klettersteige, die ich bisher gegangen bin (Highlight: der Mindelheimer Klettersteig im Allgäu) hatten maximal C. Aber andererseits: beide Steige sollen durchgängig gesichert sein, viele Bügel aufweisen, und die Höchstnoten gibt's nicht für "Technik", sondern für "Armkraft" - und sportlich trainiert bin ich ja eigentlich schon... Außerdem ist der schwerere der beiden Steige gleich unten im Tal - sozusagen zum Ausprobieren, ob ich mir den anderen Steig auch zutrauen kann - und hat zwei Notausstiege, falls die Arme doch vorzeitig schlappmachen sollten. Okay, einen Versuch ist es zumindest wert...
Also auf nach Leysin, das Auto an der Seilbahnstation (1315 m) geparkt und hoch zum Einstieg der
Via Ferrata du Plan-Praz. Der Zustieg ist nicht sehr lang, geht erst durch den Ort und dann auf einem z.T. etwas glitschigen Weg durch den Wald. Der Klettersteig selbst ist ein reiner Sportklettersteig und verläuft eher horizontal als vertikal an einer im Wald gelegenen Felswand. Am Fels klettern muss man praktisch gar nicht (das wäre an der glatten, senkrechten bis überhängenden Wand wohl auch ziemlich schwierig), sondern man hangelt sich fast die ganze Zeit an Bügeln und Stahltritten durch den Überhang:
Zwischendurch gibt's ein paar Auflockerungen durch "Schwebebalken" ...
... und Leitern, die mit dem Rücken zur Wand bestiegen werden müssen (mit Rucksack gar nicht so einfach...)
Immerhin gibt's zwischendurch auch mal schöne Ausblicke ins Tal und zum Diablerets-Massiv:
Nachdem ich den schwereren der beiden Klettersteige mit etwas müden Armen, aber ansonsten ohne größere Probleme hinter mich gebracht hatte, war dann die nötige Zuversicht da, um auch den zweiten Klettersteig in Angriff zu nehmen: den
Klettersteig auf den Tour d'Aï (2331 m). Zunächst gab es in der Nachmittagshitze allerdings erst einmal einen schweißtreibenden Aufstieg - da ich den direkten Weg zum Lac d'Aï nicht gefunden habe, gab es als Dreingabe noch ein paar Extra-Höhenmeter auf einem netten Serpentinenweg zur futuristischen Seilbahnstation "Berneuse" (2045 m):
Von dort ging es dann runter zum Lac d'Aï (1905 m), auf der anderen Seite wieder hoch bis zum Sattel neben dem Tour d'Aï und von dort kurz quer durch ein Schotterfeld zum Einstieg in den Klettersteig zum Gipfel:
Der Anstieg durch den schattenlosen Südhang bis zum Sattel war richtig anstrengend, zumal meine Wasservorräte allmählich zur Neige gingen, aber dafür gab es zwischendurch ein paar Murmeltiere zu sehen. Der Klettersteig (von dem ich leider keine Fotos habe), hat dann aber richtig Spaß gemacht - interessante Routenführung, u.a. durch einen hohen Riss/Kamin, fester Fels, durchgängige Sicherung und viele Bügel, sodass es technisch nicht zu schwer wurde. Am Ende des Klettersteigs landet man dann ziemlich unvermittelt auf dem grasigen, nur noch leicht ansteigenden Gipfelplateau:
Und der Ausblick vom Gipfel ist wirklich überwältigend - ein toller 360°-Panoramablick über die halbe Schweiz. Zum Beispiel über den Genfer See bis zum Jura:
Oder über die Waadtländer Voralpen und den Lac de l'Hongrin:
Oder zu den Berner Alpen mit Eiger, Mönch, Jungfrau & Co.:
Oder zur Matterhorn-Gruppe (links, mit den Diablerets im Vordergrund) und zum Grand Combin:
Und - last but not least - zum Mont-Blanc-Massiv (mit den Dents du Midi im Vordergrund), das ich in den nächsten beiden Tagen ja umradeln wollte:
Dass der Tour d'Aï trotz seiner eher geringen Höhe so ein traumhafter Aussichtsberg ist, hatte ich wirklich nicht erwartet, Der Abstieg auf dem Normalweg dann allerdings noch mal ziemlich spannend. Am Anfang ging es auf einem zwar gut ausgebauten Weg durch einen steilen, sehr ausgesetzten Grashang - diesen Abschnitt fand ich fast anspruchsvoller als die beiden Klettersteige zuvor. Weiter unten wurde der Weg dann zwar technisch schwieriger mit ein paar Kraxelstellen, war aber nicht mehr so ausgesetzt - da hatte ich dann weniger Probleme als vorher in dem ausgesetzten Grashang. Letztendlich bin ich dann aber doch heile wieder im Tal angekommen. Nur mit der Länge der Tour hatte ich mich total verschättzt - aber zum Glück war das reservierte Hotelzimmer in Martigny auch um 20 Uhr noch frei, sodass der Radtour keine Hindernisse mehr im Wege standen.
Schöne Grüße aus Karlsruhe - hoffentlich war der Bericht nicht gar zu lang -
Frank
PS: Das Tourenbuch mag die Bezeichnung "Tour d'Aï " mit Apostroph und Doppelpunkt-I ja nicht wirklich...