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Sächsische Schweiz (Gelesen: 8512 mal)
Andy
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Auffi muaß I

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Anisag
Sächsische Schweiz
20.09.2004 um 11:52:51
 
Es war ja leider zu erwarten: Aber dennoch schockieren mich die Wahlergebnisse aus Sachsen und speziell aus der Säschsischen Schweiz. Auf der DAV-Hauptversammlung haben wir die Gegend als sehr schön und die Menschen, die wir dort getroffen haben, als sehr nett und offen erlebt. Ich habe mir gedacht, dass ich gerne mal zum klettern und wandern wieder kommen würde. Allerdings schleichen sich jetzt nach der Wahl doch Bedenken ein: dass gerade in der schönsten Kletter- und Wandergegend fast jeder vierte rechtsradikal wählt, schreckt mich nun doch ab. Andererseits straft man durch Boykott oft ja gerade die anständigen Bürger, die sich wie ich eher die rechte Hand abhacken würden, als Nazis zu wählen. Allerdings möchte ich ein solches Wahlverhalten auch nicht stillschweigend akzeptieren - wer sich so außerhalb des Systems stellt, hat IMHO ja nicht mal das neue Arbeitslosengeld II verdient, geschweige denn meine touristischen Euros. Ich muss gestehen: Ich bin ratlos.
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Geist ist geil!
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usch
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #1 - 20.09.2004 um 12:05:54
 
erstmal: ich bin auch schockiert!

Ich meine aber, daß dort sehr viele "Protest" gewählt haben und nicht wirklich rechts stehen. Für mich zeigt sich im Wahlergebnis die Rat- u. Mutlosigkeit der Menschen. Die Analysen zeigen, daß die rechts-Wähler vielfach aus den Reihen der Arbeitslosen kommen.

Den Kummer und die Zukunftsangst der Leute kann vermutlich nur nachfühlen, wer mal in ähnlicher Situation war.

Und um diesen Ängsten entgegen zu treten, sollte man Sachsen nicht meiden, sondern Flagge zeigen! Für mich wäre dies kein Grund, dort nicht mehr hin zu fahren. Eher, auch mal wenn sich die Gelegenheit ergibt, jemanden in ein Gespräch einzubeziehen und nachfragen.

... meint usch
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Andy
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Auffi muaß I

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Anisag
Re: Sächsische Schweiz
Antwort #2 - 20.09.2004 um 12:28:48
 
Zitat:
erstmal: ich bin auch schockiert!

Ich meine aber, daß dort sehr viele "Protest" gewählt haben und nicht wirklich rechts stehen. Für mich zeigt sich im Wahlergebnis die Rat- u. Mutlosigkeit der Menschen. Die Analysen zeigen, daß die rechts-Wähler vielfach aus den Reihen der Arbeitslosen kommen.


Das ist mir klar, allerdings darf es auch nicht aus Protest-Gründen in Frage kommen, eine Politik zu unterstützen, die menschenverachtend, diskriminierend, hassgesteuert und zerstörerisch ist. Das kann und will ich nicht akzeptieren.

Zitat:
Den Kummer und die Zukunftsangst der Leute kann vermutlich nur nachfühlen, wer mal in ähnlicher Situation war.


Dies kann keine Entschuldigung sein! Ich habe Menschen kennen gelernt, die in wesentlich auswegsloseren Situationen waren, aber der Anstand ging dabei nicht verloren. Wir wissen, was Nazis anrichten, unser ganzer Kontinent lag wegen ihnen in Schutt und Asche, Menschen wurden wegen ihrer Abstammung, ihrer Orientierung oder Meinung gemordet. Das Leid, das solche Parteien weltweit über andere Menschen gebracht haben ist kein Vergleich zu ein "bisschen" Arbeitslosigkeit! Da habe ich null Akzeptanz! Da kann ich auch nicht mehr nachfragen, wenn denen heute noch jemand seine Stimme gibt - das kann mir keiner erklären!
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McMeisel
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #3 - 20.09.2004 um 15:22:21
 
Zitat:
erstmal: ich bin auch schockiert!

Ich meine aber, daß dort sehr viele "Protest" gewählt haben und nicht wirklich rechts stehen. Für mich zeigt sich im Wahlergebnis die Rat- u. Mutlosigkeit der Menschen. Die Analysen zeigen, daß die rechts-Wähler vielfach aus den Reihen der Arbeitslosen kommen.


«Neue Zürcher Zeitung»: «Man kann die Sache drehen, wie man will, man wird das Gefühl nicht los, dass hier die Demokratie mit einer reinen Protest-Plattform, einer Schimpfbude, verwechselt worden ist.»

Apropos Protestwahl: So auswegslos ist die Lage in Sachsen wirklich nicht. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 21.500 U$ pro Einwohner1 im Jahre 2003 wuerde sich Sachsen im CIA "GDP per Capita - Ranking"2  auf dem 36. Platz befinden.

Was sollen dann Waehler aus Laendern auf den Plaetzen 37-231 machen!?! 

Zitat:
Allerdings schleichen sich jetzt nach der Wahl doch Bedenken ein: dass gerade in der schönsten Kletter- und Wandergegend fast jeder vierte rechtsradikal wählt, schreckt mich nun doch ab.  Andererseits straft man durch Boykott oft ja gerade die anständigen Bürger, die sich wie ich eher die rechte Hand abhacken würden, als Nazis zu wählen.


Bei einer Wahlbeteiligung von nur 60% ist es wohl nicht ganz so schlimm, dass jeder 4. rechtsradikal waehlt - allerdings macht das das Ergebnis auch nicht besser ertraeglich.

Die "anstaendigen" Buerger waeren wohl besser zum waehlen gegangen anstatt zu Hause zu bleiben - vor allem, als sich dieses Ergebnis in den Umfragen angekuendigt hat. Warum haben sie nicht ganz einfach an der Wahlurne dafuer Sorge getragen, dass Touristen und Investoren nicht durch den Einzug der rechten ins Parlament abgeschreckt werden...


[1] http://www.statistik-bw.de/Arbeitskreis_VGR/tab01.asp
[2] http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/rankorder/2004rank.html
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Ulli
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #4 - 20.09.2004 um 16:23:26
 
Zitat:
Und um diesen Ängsten entgegen zu treten, sollte man Sachsen nicht meiden, sondern Flagge zeigen! Für mich wäre dies kein Grund, dort nicht mehr hin zu fahren. Eher, auch mal wenn sich die Gelegenheit ergibt, jemanden in ein Gespräch einzubeziehen und nachfragen.


Ich glaube, Usch hat Recht. Lieber mit den Leuten in eine aktive Auseinandersetzung gehen (falls möglich), als boykottieren.

Ansonsten kann ich mich nur dem Streiflicht der SZ-Wochenendausgabe anschließen: Wir sind mittlerweile langsam an einem Punkt angelangt, wo man wohl mehr Wahlbeteiligung und "realistischere" Ergebnisse bekommen würde, wenn man nicht mehr FÜR- sondern GEGEN-Stimmen verteilen könnte ... (leider aber sind die aktuellen Ergebnisse - wenn auch nicht realistisch - doch sehr real ... und die Konsequenzen werden das auch sein!)

Zitat: " 'Wahl' bezeichnet laut Grimmschem Wörterbuch 'theils das wollen schlechtweg, theils das lieberwollen'. (...) Es ist nur allzu offenkundig, dass in unserem Wahlsystem etwas Entscheidendes fehlt, nämlich die Möglichkeit, seinem Nicht-Lieberwollen Ausdruck zu verleihen ..."

In diesem Sinne könnten wir doch in der Sächsischen Schweiz unserem Nichtlieberwollen unverblümt Ausdruck verleihen (aber bitte niemanden vom Seil abschneiden, oder so ...  Grinsend )

LG, Ulli
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Renntier Karsten
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #5 - 20.09.2004 um 16:29:02
 
Mich ärgert das Wahlergebnis auch mächtig, zumal mein Geburtsort in Sachsen liegt (wenn auch fast im Dreiländereck mit Thüringen und Bayern - Vogtland, wenn das jemandem was sagt)

Andererseits: wir hätten dann konsequenterweise schon seit Jahren nicht mehr nach Österreich fahren dürfen, zumindest nicht nach Kärnten. In Sachen Ausländerfeindlichkeit steht Haider der NPD bestimmt nichts nach...

Ich glaube nicht, daß der Boykott eines Touren- und Feriengebietes etwas bringt.

Was allerdings meine Ex-Landsleute dazu bringt, aus (berechtigtem oder unberechtigtem) Protest ausgerechnet den braunen Volksverdummern hinterherzulaufen, kann ich auch nicht erklären...

Karsten
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Jobi
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #6 - 21.09.2004 um 07:09:03
 
Tja, die Wahl in Sachsen. Wenn man zum Einen die Wahlbeteiligung und das Erstarken der Extremen und Sonstigen ins Verhältnis setzt, kommt man schnell zum Schluß, den Ulli auch gezogen hat: Nicht die extremen Wähler wurden mehr, sondern die frustrierten/resignierten.

Da ich ja fast täglich zwischen Frankfurt a.M. und Leipzig pendle, bekomme ich sehr viele der Stimmungsbilder deutlich vorgeführt. Die Mauer ist in den Köpfen höher, als sie je gewesen ist. Unzählige Beispiele (nett beschrieben würde man sie Anekdoten nennen, doch dafür ist's zu ernst) kann ich erzählen.

Der Grund dafür ist keineswegs wirklich sachlich greifbar, außer vielleicht in der Tatsache, daß gleich nach der Wende viele im Westen wegen Unfähigkeit abgesägten Manager und Politiker sich im Osten ausgetobt haben. Das Resultat war das gleiche, wie im Westen: Einige haben ernstgemeinte Versuche in den Sand gesetzt, andere die kriminell schon verher gestopften Taschen weiter gestopft... für die Menschen aber ist wieder nichts geblieben.
Die Köpfe, die ein ganzes Volk allerdings zur friedlichen(!) Revolution geführt haben, wurden von "uns Wessis" schnell wieder in die Versenkung gesetzt: Habt Ihr gut gemacht, jetzt ruht Euch mal aus, unsre Versager-Manager/Politiker übernehmen.

Der Westen klagt jetzt: "Wo habt Ihr unsere Milliarden denn hingebracht?" - der Osten klagt jetzt: "Wir sind das Volk. Damit haben wir der goldenen Demokratie zum gloreichen Durchbruch gegen den schmählichen Sozialismus verholfen, weil Ihr uns versprochen habt, wir könnten frei und gut leben. Statt der erhofften Bananen und Ananas, die sich unser Staat früher nicht leisten konnte, gibt es jetzt immer noch nur Kartoffeln - weil das VOLK sich jetzt immer noch keine Bananen und Ananas leisten kann (und wenn, dann die eklichen vom Aldi-Nord)."

Klar ist das etwas überzogen, den ein oder anderen brauchbaren hat der Westen schon entsandt, und auch ein Porsche-, VW- und BMW-Werk aufgebaut. Und auch der Westen hat arme Regionen. Naja, ein paar. Wir müssen ja auch irgendeine "Ausrede" haben.

Zurück zur Wahl. Oben beschriebenes führt zu einer Mauer in den Köpfen und - noch schlimmer - in den Herzen. Ist es da nicht logisch, daß sich viele resigniert abwenden. Nicht mehr wählen. 
Oder sogar von der Demokratie abwenden: Im Westen hält sich der Glaube, die Demokratie sei zwar nicht das perfekte Mittel, aber das beste, das wir kennen. Auch um Faschismus abzuwehren.
Der Osten hat in kurzer Folge viele Systeme gesehen. Demokratie der Weimarer Republik, aus der das NS-Regime aufgestiegen ist (!!!), Sozialismus, der schnell wieder in ein faschistoides System gekippt ist.

Ich denke, man kann froh sein, wenn die Menschen "nur" so resigniert sind, daß sie nicht zur Wahl gehen. Vielleicht sind sie auch - durch mangelnde Integration - so sauer gefahren, daß der Glaube an die Demokratie verloren geht.

Wenn das der Fall ist, oder es soweit kommt, dann hören wir eines Montags erneut den Ruf "wir sind das Volk". Nicht so verhalten wie in den letzten Wochen. Und dann hat unser System in der Tat nicht das notwendige leisten können.

Ui, jetzt sind meine Gedanken zur Wahl aber etwas umfangreich ausgefallen. 'Tschuldigung  verlegen Ich hör schon auf  Lippen versiegelt
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #7 - 21.09.2004 um 13:22:08
 
ich hab kürzlich einen recht interessanten provokanten artikel zum thema terrorismus gelesen, dessen grundaussage war, dass wir viel zu sehr versuchen, die armen unterdrückten islamisten mit verständnis zu sehen.

das erinnert mich gerade ein wenig an die diskussion gerade.
verständnis für verzweiflung und wut angesichts arbeitslosigkeit, armut oder welcher lebensumstände auch immer ist durchaus angebracht und auch vorhanden.
aber trotzdem kann es kein verständnis für rechtsradikalismus geben, genauso wie in oben genanntem artikel für terroristen, die menschen die köpfe abschlagen.

wenn ich protest ausdrücken will bei der wahl, dann kann ich auch ödp oder die bibeltreuen oder die grauen panther wählen. da zählt meine stimme genauso und fehlt genauso den "großen" parteien!

man kann nur hoffen, dass sich wie bei schill in hamburg zeigt, dass die rechten sich selber ins aus schießen, weil sie nämlich keine echten programme und konzepte haben und auch nicht wirklich wissen, was sie wollen, bzw. wie sie es "besser" machen wollen als die anderen.

aber nach sachsen fahren würde ich trotzdem, und die menschen einzeln erleben und nicht pauschal über einen kamm scheren.
auch hier in bayern gibt es ja menschen, die nicht stoiber wählen Zwinkernd
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hasei
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #8 - 21.09.2004 um 15:49:35
 
Zitat:
auch hier in bayern gibt es ja menschen, die nicht stoiber wählen Zwinkernd

Was Schockiert Wer soll das denn sein ???

Doch um bei der Sache zu bleiben. Auf die leichte Schulter sollte man solche Protestwählerei nicht nehmen. Schließlich ist es grad mal gute 70 Jahre her das in Deutschland vor lauter Arbeitslosigkeit und Geldmangel eine Partei an das Ruder gekommen, die es bei einer anderen Wirtschaftslage (aus welchen Gründen auch immer) wohl nicht geschafft hätte.

Aber wegen solcher Protestwähler würde ich mir Tourismus mäßig gar nichts denken und hinfahren wenn ich hinfahren will.

Grüße aus dem Amigoregierten Bayern
hasei
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McMeisel
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #9 - 21.09.2004 um 18:18:59
 
[quote author=pet  link=1095673971/0#7 date=1095765728]ich hab kürzlich einen recht interessanten provokanten artikel zum thema terrorismus gelesen, dessen grundaussage war, dass wir viel zu sehr versuchen, die armen unterdrückten islamisten mit verständnis zu sehen.
[/quote]
Yep, der Artikel "Die Terroristen-Versteher"[sup]1[/sup] von Henryk M. Broder ist in diesem Zusammenhang wirklich treffend:

"...Wir sind es aber gewohnt, für alles eine Erklärung zu finden, für die Arbeitslosigkeit, das Wetter und den so genannten Fundamentalismus. Also erfinden wir eine Erklärung, die nach unseren Maßstäben halbwegs akzeptabel ist, und schieben sie den von Todessehnsüchten getriebenen Terroristen in die Schuhe. Denn so überwinden wir unsere eigene Hilf- und Ratlosigkeit. Wenn die ein Motiv haben, das wir verstehen, dann wissen wir nicht nur, wie sie ticken, dann haben wir eine Möglichkeit, auf sie einzuwirken.

Optimal wäre es, wenn unser Verhalten ein Grund für deren Ausrasten wäre. Dann müssten wir nur unser Verhalten ändern, damit sie aufhören, uns zu bedrohen..."

Und ein Ausraster ist die Wahl in Sachsen allemal: es ging ja nicht um irgendeine beliebige Protestwahl wie z.B. in England, wo das Fussballmaskottchen "H'angus the monkey" (Motto: "Free Bananas for school kids") zum Buergerweister gewaehlt wurde...

Nein, die NPD(!) hat ueber 9% erreicht! Die Patei, die zum Hass und Gewalt gegen Auslaender, Schwule und Andersdenkende anstachelt, das 3. Reich glorifiziert, und Verbrechen der Nazis relativiert. Wie, bitte schoen, soll die NPD auch nur ein einziges Problem der Leute in Sachsen loesen? Und wer, bitte schoen, denkt bei solchen Wahlergebnissen an die Auslaender, denen dieses Ergebnis mit Sicherheit das kalte Grausen bereitet?

Oder ist alles vielleicht gar nicht so schlimm und es ging in Wirklichkeit nur darum, durch die groesstmoegliche Geschmacklosigkeit eigenen Interessen mehr Nachdruck zu verleihen? Ach, das waere doch wirklich herrlich: dann koennten die 75 Millioenen anderen Deutschen selbstlos ihre Interessen hintenanstellen, um diesen Schandfleck in Sachsen zu beseitigen…

Was waere, wenn dieser Versuch gelaenge? Sollen dann Bergleute und Bauern den Erhalt ihrer Subventionen mit der Androhung von Rechtsradikalismus und Auslaenderfeindlichkeit erpressen?!? Wird dann in Zukunft der Umweltschutz immer der Schaffung von Arbeitsplaetzten geopfert - aus lauter Angst, die Menschen ohne Arbeit koennten "am System" verzweifeln und zu rechtsradikalen Parteien ueberlaufen? Und was waere, wenn die NPD zum Sprachrohr der Atomlobby wuerde. Dann haetten 80 Millionen Deutsche die Moeglichkeit, zwischen dem Einzug der NPD ins Parlament und Atomenergie zu waehlen…

Nein, unsere 60-jaehrige Demokratie und unser Rechtsstaat haben es wahrhaft nicht verdient in Geiselhaft genommen zu werden. Und vor allem eins muss die Demokratie nicht: das Wohlwollen ihrer Buerger durch wirtschaftlichen Wohlstand erkaufen. Demokratischen Grundwerte, insbesondere die Achtung der Menschenwurde und gegenseitige Toleranz, koennen nie optional sein! Demokratie lebt von dem Einsatz ihrer Buerger: niemand braucht sich daher ausgeschlossen zu fuehlen. Wenn wir jetzt so viel Verstaendnis haben: was passiert denn erst, wenn Deutschland wirklich einmal in eine Kriese geraet? Muessen wir dann auch einfach nur Verstaendnis dafuer haben, dass noch mehr Leute rechtsradikale Parteien waehlen. Und viel wichtiger, ist es dann nicht einfach nur eine logische Konsequenz der Kriese, dass Auslaender und Schwule um ihr Leben bangen muessen?

Um es ganz klar zu sagen: ich glaube nicht, dass Sachsen rechtsradikaler sind als andere Menschen und wahrscheinlich steckt hinter vielen NPD-Waehlern oft eine traurige Geschichte. Trotzdem werde ich persoehnlich, bei all den Urlaubsmoeglichkeiten in der ganzen Welt, sicher nicht in einem Dorf Urlaub machen, in dem 25% aller Stimmen auf die NPD entfallen sind. Das ist aber reine Geschmackssache und sollte nicht als Aufruf zum Boykott einer Urlaubsregion missverstanden werden.

Wahrscheinlich schafft es die NPD beim naechsten Mal eh nicht mehr und die jetzige Wahl wird, wie manche Wahl in anderen Bundeslaendern, als grobes Foul und Verirrung in die Geschichte eingehen. Allerdings hoffe ich, dass Demokraten ihre Demokratie gegen den Einsatz der politischen Blutgraetsche immer lautstark verteidigen werden!

[1] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,317426,00.html
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« Zuletzt geändert: 21.09.2004 um 23:04:36 von McMeisel »  
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #10 - 22.09.2004 um 00:59:02
 
[quote author=McMeisel  link=1095673971/0#9 date=1095783539]Trotzdem werde ich persoehnlich, bei all den Urlaubsmoeglichkeiten in der ganzen Welt, sicher nicht in einem Dorf Urlaub machen, in dem 25% aller Stimmen auf die NPD entfallen sind.[/quote]
naja, in so einem dorf würde ich auch keinen urlaub machen wollen...
wenn dann kämen wohl eher die städte in frage, dresden oder leipzig. aber ob man sich die ergebnisse der wahl noch mal gezielt anschaut, bevor man hinfährt?
im moment stellt sich die frage für mich eh nicht, urlaub ist nicht...

danke für den link, ich hatte vorhin keine zeit ihn rauszusuchen. und auch für den rest, besser hätte man es nicht ausdrücken können, dicke zustimmung!
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Jobi
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #11 - 22.09.2004 um 10:37:22
 
[quote author=McMeisel  link=1095673971/0#9 date=1095783539]
Yep, der Artikel "Die Terroristen-Versteher"[sup]1[/sup] von Henryk M. Broder ist in diesem Zusammenhang wirklich treffend:
[/quote]
Nein, das Zusammenziehen zweier aktueller Ereignisse die nicht viel Gemeinsamkeiten haben ist - so gerne es auch oft gemacht wird - eher ein rethorisches Mittel, emotionalisierend aber in keiner Weise sachlich.

Wo ist der Zusammenhang zwischen Terrorismus und einer demokratischen Wahl bzw deren Ergebnis? Das ist zu weit hergeholt, sorry.

[quote author=McMeisel  link=1095673971/0#9 date=1095783539]
Oder ist alles vielleicht gar nicht so schlimm und es ging in Wirklichkeit nur darum, durch die groesstmoegliche Geschmacklosigkeit eigenen Interessen mehr Nachdruck zu verleihen? Ach, das waere doch wirklich herrlich: dann koennten die 75 Millioenen anderen Deutschen selbstlos ihre Interessen hintenanstellen, um diesen Schandfleck in Sachsen zu beseitigen…
[/quote]

Und das scheint eine gute Beschreibung - von jemandem, der sich nicht die Mühe gemacht hat, die Realität anzuschauen. Mit Betroffenen zu Reden. Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Sorry für dieses vernichtende Urteil, aber: Nicht die Anzahl der Leute, die NPD gewählt haben stellt den Kern des Problems, sondern die Anzahl der Leute die NICHT gewählt haben.
Das abdrifften nach rechts ist ein begleitendes Problem, aber nicht der Kern. Es wird sichtbarer und aufgewertet, durch die Tatsache, daß der eigentliche Kern gar nicht greifbar oder sichtbar wird: Diejenigen, die durch NICHT-Wahl sich NICHT-artikuliert haben.

Im Übrigen ist auch ein wählen von PDC etc keine Lösung: Damit wird der Prozentsatz der Nichtwähler verringert und eine Konformität mit dem demokratischen System vorgegauckelt die ja eben [u]nicht[/u] da ist.
Die Sitzverteilung zB ändert sich - wegen der 5% Hürde - nicht und selbst der Prozentsatz pro Partei wird nur träge beeinflusst.

[quote author=McMeisel  link=1095673971/0#9 date=1095783539]
Nein, unsere 60-jaehrige Demokratie und unser Rechtsstaat haben es wahrhaft nicht verdient in Geiselhaft genommen zu werden. Und vor allem eins muss die Demokratie nicht: das Wohlwollen ihrer Buerger durch wirtschaftlichen Wohlstand erkaufen. [/quote]
Und das ist eben endlich nah an des Pudels Kern: Wir setzen - aus einer nicht validen Begründung heraus - die Demokratie als das Maß der Dinge an.
Wenn die Demokratie eine Geiselhaft nicht verdient hat (dem stimme ich zu), so muß sie sich jedoch kritisieren und vergleichen lassen, denn das muß jedes System.

Im Sozialismus ging es nunmal vielen Leuten besser *FAKT*. Was die DDR im wesentlichen negativ erlebt hat, ist nicht der Sozialismus, sondern ein faschistoides System *FAKT*. Weder Sozialismus, noch Demokratie schützen vor dem Abgleiten in ein faschistoides System *FAKT*.

Und JETZT beginnt die Pflicht des Demokraten: Bitte Begründen, warum man Menschen, denen es im Sozialismus besser ging trotzdem
a) Demokratie zumutet
b) diese Menschen das auch noch gut finden müssen.

Hier klafft eine gewaltige Lücke, die erstmal kulturell bewältigt sein will. Jetzt kann sich zeigen: Sind wir das Volk... ...das mündige, demokratische Volk, daß es schafft sich der Aufgabe zu stellen und nicht aus dummer Verlegenheit dem nächstbesten Führer nachläuft, der uns scheinbar die Verantwortung abnimmt. Oder sich erstmal spaltet, weil man sich dann im Westen nicht über die kniffligen Fragen im Osten Gedanken machen muß.
Diese Aufgabe der guten Demokraten hätte in den letzten Jahren viel aktiver angegangen werden müssen, wenn wir schon jemanden zum Angreifen suchen  :-/

[size=10]Eiei, schon wieder so lange  :-[ Sollte das ganze nicht so nah an meine Nieren lassen, schätze ich...[/size]
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« Zuletzt geändert: 22.09.2004 um 12:42:13 von Jobi »  

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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #12 - 22.09.2004 um 14:59:19
 
[quote author=Jobi  link=1095673971/0#11 date=1095842242]Im Sozialismus ging es nunmal vielen Leuten besser *FAKT*. Was die DDR im wesentlichen negativ erlebt hat, ist nicht der Sozialismus, sondern ein faschistoides System *FAKT*.[/quote]
Hier wird verkannt, dass der Sozialisus ohne die Übernahme wesentlicher "faschistioder" Elemente nicht überlebensfähig ist. Dass sich das überhaupt so reibungslos einführen ließ, ist nicht zuletzt den Altnazis zu verdanken,
[list][*]die (an Kriegswirtschaft gewohnt) das RWHA in Planungskommissionen umfunktionierten,
[*]die wussten, wie man das Land mit einem Spitzelnetz überzieht,
[*]weil sie zum großen Teil nichts Anderes gelernt haben als die Mitarbeit bei der Aufrechterhaltung totalitärer Systeme
[/list]
Das "nicht...sondern" ist hier logisch falsch.

Übrigens wäre ich dankbar, auf die aus der DDR- Terminologie stammende Bezeichnung "Faschismus" als Sammelbegriff für "Nazitum" und "totalitäres Regime" zu verzichten. Die Verwendung dieses Begriffs war vor der Wiedervereinigung hier nicht üblich, außer man sprach von den Anhängern Mussolinis (die nannten sich nämlich so).

[quote author=Jobi  link=1095673971/0#11 date=1095842242]Weder Sozialismus, noch Demokratie schützen vor dem Abgleiten in ein faschistoides System *FAKT*.
[/quote]

Ab hier wieder einer Meinung.

Schon mal gehört?
"Im Kapitalismus werden Menschen von Menschen ausgebeutet. Im Sozialismus ist es umgekehrt."
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Liebe Grüße von Lamл[tm]-Nur echt mit dem Pi und cw-Wert > 0,3
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Re: Sächsische Schweiz
Antwort #13 - 22.09.2004 um 16:49:53
 
[quote author=Jobi  link=1095673971/0#11 date=1095842242]
Nein, das Zusammenziehen zweier aktueller Ereignisse die nicht viel Gemeinsamkeiten haben ist - so gerne es auch oft gemacht wird - eher ein rethorisches Mittel, emotionalisierend aber in keiner Weise sachlich.
[/quote]

Beim Einstieg meiner Polemik ging es weniger um die Ereignisse an sich als um deren Interpretation. Wie ich sehe, hast du sie gelesen, obwohl du die Analogie nicht nachvollziehen konntest.

[quote author=Jobi  link=1095673971/0#11 date=1095842242]
Und das scheint eine gute Beschreibung - von jemandem, der sich nicht die Mühe gemacht hat, die Realität anzuschauen. Mit Betroffenen zu Reden. Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Sorry für dieses vernichtende Urteil, aber: Nicht die Anzahl der Leute, die NPD gewählt haben stellt den Kern des Problems, sondern die Anzahl der Leute die NICHT gewählt haben.
[/quote]

Na Jobi, bei allem Respekt, aber mit einer anekdotischen Beweisfuehrung sollte man - bei ueber 3,5 Mio Wahlberechtigten - wirklich nicht argumentieren. Dazu sind die Stichproben aus persoehnlichen Gespraechen einfach zu wenig. Warum verwenden wir nicht einfach die offiziellen Wahlergebnisse[sup]1[/sup]:

Ja, es is amtlich: von 2 118 830 Waehlern haben 191.087 mit der NPD einer Partei ihre Stimme gegeben, die unser freiheitlich-demokratischen Prinzipien verachtet und die geistige Brandstiftung zur Maxime ihrer Politik erhebt. Es ist natuerlich alles irgendwie Ansichtssache, aber fuer mich sind 191 087 ungefaehr 400 000 zu viel!

Natuerlich muss man versuchen, das Wahlergebnis in Sachsen zu erklaeren, aber entschuldigen kann man es nicht. Egal, ob sich NPD-Waehler nun ausgegrenzt fuehlen und deshalb "nur" Protest gewaehlt haben: Auslaenderhass ist nicht die Loesung auch nur eines einzigen Problemes und traegt ganz bestimmt nicht dazu bei, die Solidaritaet der uebrigen Mitbuerger zu sichern. Wie heisst es doch so schoen: "Was du nicht willst das man dir tu, das fueg auch keinem anderen zu!"

[quote author=Jobi  link=1095673971/0#11 date=1095842242]
Das abdrifften nach rechts ist ein begleitendes Problem, aber nicht der Kern. Es wird sichtbarer und aufgewertet, durch die Tatsache, daß der eigentliche Kern gar nicht greifbar oder sichtbar wird: Diejenigen, die durch NICHT-Wahl sich NICHT-artikuliert haben.
[/quote]

Wieder zurueck zum Wahlergebnis: die NPD waere selbst dann mit 5,3% in den Landtag eingezogen wenn die Wahlbeteiligung bei 100% (3 553 491) gelegen haette…

Im uebrigen sind die Nichtwaehler immer eine sehr dankbare Gattung, weil man ihnen - gerade eben weil sie ihre Praeferenzen nicht ausdruecken - alle moeglichen Motive unterschieben kann. Unsere Politiker traktieren uns doch in Wahlnaechten in schoener Regelmaessigkeit damit. Und um was fuer eine seltsame Spezies es sich bei einem "Nichtwaehler" wohl handeln muss? Jemanden, der zur gleichen Zeit total desillusioniert und so zufrieden ist, dass er gar nicht zum Waehlen geht. Manchmal gefaellt dem "Nichtwaehler" auch einfach der/die Kanditat/in nicht und vor allem geht er bei Sonnenschein lieber zum Baden und bei schlechtem Wetter nicht aus dem Haus…

So empoerend ich den Erfolg der Rechtsradikalen auch finde, ich sehe unsere Demokratie nicht akut gefaehrdet und die Revulution am Siberstreif heraufziehen: immerhin haben ca 2 Mio Sachsen ganz klar ihre Praeferenz fuer eine der demokratischen Parteien ausgedrueckt.

Natuerlich muss sich die Demokratie mit anderen Staatsformen vergleichen lassen (und braucht diesen Vergleich sicher nicht zu scheuen!), und genauso richtig ist, dass sich unsere Gesellschaft ihre innere Teilung ueberwinden muss. Aber sie muss nicht um diejenigen buhlen, die ihre Werte missachten.

Du fraegst warum man Menschen Demokratie "zumuten" soll?
Ganz einfach: sie ist die einzige Staatsform, die das Recht zur freien Selbstentfaltung ihrer Buerger zur Maxime erhebt! Und wie wir bei der friedlichen Revolution im Osten so eindurcksvoll erleben konnten: der Wunsch nach Freiheit ist so ein zartes Pflaenzchen nicht, denn

"Freiheit ist für das Leben, was die Farbe für die Blumen" Khalil el Khatib


[1] http://www.statistik.sachsen.de/pls/wpr_neu/pkg_w04_nav.prc_index?p_anw_kz=LW04
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