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Geschäft mit dem schlechten Gewissen? (Gelesen: 3984 mal)
strauchdieb
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Keltern
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Geschäft mit dem schlechten Gewissen?
29.03.2007 um 19:05:05
 
CO2-Ablasshandel?

Auf der Alpinismustagung saßen mit Dr. Gisela Splett, einer grünen Landtagsabgeordneten aus Baden-Württemberg und Robert Jasper, einem schweizer Profibergsteiger zwei sehr unterschiedliche Menschen nebeneinander auf dem Podium (Der Freunde).
Während Robert Jasper von seiner gestrigen Erstdurchsteigung einer Route im Berner Oberland berichten konnte, konnte Fr. Dr. Splett auf keinerlei (hoch-) alpine Erfahrungen zurückgreifen, wußte aber durch profundes geoökologisches Fachwissen aus erster Hand zu überzeugen.

Bei einem Punkt jedoch sträubte sich mir die Nackenhaare.  

Robert Jasper 'gab zu', dass er zwar viele seine Ziele in den Alpen sucht, aber doch auch gerne Herausforderungen in Übersee (z.B. Patagonien). Zwar sei ihm die Umweltbelastung durch den Flug dorthin bewusst, allerdings würde er sich dann vor Ort so umweltbewußt wie möglich verhalten. Was bei Robert Jasper im Wesentlichen bedeutet, dass er so wenig Technik als irgend möglich einsetzt. Dies ist dabei weniger dem Umweltgedanken geschuldet, als seiner Erkenntnis, dass es den Abenteuerwert steigert - was den Nutzen für die Umwelt nicht mindert.

Gisela Splett fragte ihn daraufhin, ob er denn wengstens für den Flug seinen Beitrag an Atmosfair abführt um somit für einen ökologischen Ausgleich zu sorgen.
Jasper zeigte sich überrascht. Ich horchte auf. Atmosfair? Ich zahle einen Obulus und meine CO2-Sünden werden mir erlassen?

Mitttlerweile bin ich etwas schlauer (Mein letzter Flug liegt über 10 Jahre zurück, da gabs sowas noch nicht):
Es gibt eine ganze Reihe von Organisationen die mit der CO2-Hype Geschäfte machen, Geld von Flugreisenden und sonstigen CO2-Produzenten einsammeln und damit (mehr oder weniger wirksame) Klimaschutzmaßnahmen finanzieren.

Für einen Rückflug nach New-York werden z.B. 15 .- € fällig, für 10.000 km PKW-Fahren (Kompaktklasse) 21.-€, für einen Kühlschrank im Jahr 1,10 €. Diese Werte stammen von der CarbonNeutral Company. Keine Ahnung wie die da drauf kommen. Mir erscheint das jedenfalls billig.

Billig, weil ich dann mit weniger als 100.- € im Jahr meinen CO2-Ausstoß neutralisiert hätte
Billig, weil ich so einfach auf alle Einsparungen verzichten könnte
Billig, weil ich damit mit gutem Gewissen so weiter machen kann wie bisher.

Das ist mir einfach zu billig!
So billig kann das nicht sein! Oder?



Gruß,
Strauchdieb
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« Zuletzt geändert: 29.03.2007 um 20:05:12 von strauchdieb »  

wer den Kopf in den Sand steckt ...&&... knirscht nachher mit den Zähnen
 
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scrat
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...und sie bewegt sich
doch!!!

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Re: Geschäft mit dem schlechten Gewissen?
Antwort #1 - 29.03.2007 um 21:22:29
 
da warte ich jetzt eigentlich nur noch, dass die politik auf diesen zug aufspringt.

dann heißt es nämlich nicht nur ökosteuer zahlen sondern co2-steuer zusätzlich löhnen.

und wer kann sich dann wieder davor drücken?

...die großunternehmen, ohne wenn und aber

traurig, traurig, wenn geld die welt regiert. solange dies so ist, wird jede mühe umsonst sein. aber dennoch, bemühen wir uns weiter.

gruß
scrat
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pet
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Pray for snow!

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Re: Geschäft mit dem schlechten Gewissen?
Antwort #2 - 29.03.2007 um 21:32:59
 
strauchdieb schrieb am 29.03.2007 um 19:05:05:
Das ist mir einfach zu billig!
So billig kann das nicht sein! Oder?

Naja, immerhin besser als nichts, oder? Das kann ja auch von Geschäftsreisenden gezahlt werden und es hindert einen auch niemand, freiwillig mehr zu zahlen. Viele zahlen ja auch gar nichts …

Klar ist es ein Ablasshandel, aber immerhin tragen solche Ideen und Konzepte auch zu mehr „Awareness” bei.

Es gibt in Graz übrigens ein Reisebüro, das nicht nur für jede Flugreise gleich die „Strafgebühr” an Atmosfair o.ä. gleich mit in den Preis einrechnet, sondern sie haben ihr ganzes Programm angepasst: Fernreisen nicht kürzer als 14 Tage, Flugreisen innerhalb Europas nur mit einem Mindestaufenthalt von einer Woche, alles unter 700km nur als Zugreise zu buchen.

Gutes Konzept!


P.S. Bei den Profi-Bergsteigern sind die Fernflüge ja eigentlich als Geschäftsreisen notwendig, denn es wird wohl kaum ein Sponsor Geld für die 10. Durchsteigung der Watzmann-Ostwand zahlen …
Auch Stefan Glowacz reist übrigens überwiegend umweltfreundlich, da auch er den Abenteuerfaktor so höher einschätzt, also werden die Sachen per Kajak zum Klettern befördert und nicht per Heli Zwinkernd
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strauchdieb
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Keltern
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Re: Geschäft mit dem schlechten Gewissen?
Antwort #3 - 30.03.2007 um 09:18:33
 
Hallo Pet,

die Frage ist halt: Hilft es dem Klima oder hilft es nur dem Flugunternehmen.
Wer mit gutem Gewissen reist, macht sich keine weiteren Gedanken mehr. Nicht jede Geschäftsreise muss sein. Auch da gibt es viele Rituale und Besitzstände.

Ich denke nur: Der kleine finanzielle Beitrag ist ja 'politisch', grad so viel, dass es nicht wehtut, grad genug, dass es sich rechnet.

Aber viel zu wenig um das als Anreiz zu nehmen, auf die eine oder andere Reise zu verzichten und viel zu wenig, um einen adäquaten CO2-Ausgleich zu schaffen.

Da kommt dann in - sagen wir mal - 10 Jahren ein Anruf von der "Welt-Klima-Behörde":" Sorry, tut uns leid, da haben wir uns bei den Kosten verrechnet, um .... äh ... 2 .... äh .... 3 .... Zehnerpotenzen. Da wird jetzt leiiider eine Nachzahlung fällig, natürlich mit Zins und Zinseszins, dass macht dann genau ....."

Gruß, Strauchdieb




PS: Hut ab vor dem Reisebüro, nicht wegen der Atmosfair-Zwangsabgabe, sondern wegen der Selbstbeschränkung. Vor allem weil sie es richtig verkaufen.
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« Zuletzt geändert: 30.03.2007 um 09:40:19 von strauchdieb »  

wer den Kopf in den Sand steckt ...&&... knirscht nachher mit den Zähnen
 
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Anschi
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mora mora (nur ned hudln)

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Re: Geschäft mit dem schlechten Gewissen?
Antwort #4 - 30.03.2007 um 09:29:48
 
Wenn man an die richtige Organisation zahlt, hilft es auch dem Klima zumindest ein kleines bißchen. Aber wie meist, so tummeln sich auch hier offenbar schon wieder einige unseriöse "Anbieter". Einige Hinweise zu dem Thema findet man hier http://www.br-online.de/umwelt-gesundheit/artikel/0703/13-klimaablass/index.xml

Nachtrag
Zitat aus der SZ vom 22.03.2007 (Reiseteil)
"Die Tufts-Universität in Boston hat unlängst dreizehn Kompensationsagenturen untersucht. Nur vier davon werden empfohlen: Atmosfair (Deutschland), Myclimate (Schweiz), Native Energy (USA) und Climate friendly (Australien)."
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« Zuletzt geändert: 02.04.2007 um 11:12:44 von Anschi »  
 
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