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Ortler solo Teil eins (Gelesen: 3349 mal)
bike-uwe
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Here comes the SAN

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Schwäbische Alb
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Ortler solo Teil eins
09.09.2007 um 15:54:28
 
Der billige Berg
oder
Geiz ist geil, Ortler für 11 €



Nachdem  die Tour über den Hintergrat mit Markus wegen unglücklicher Umstände nicht zustande gekommen ist, Ich mich aber schon in Sulden befand, sollte der „König“ doch noch dran glauben.
Die Wetterprognosen standen nicht gut, es sollten sich Unwetter über den Alpen bilden doch ich vertraute auf meinen guten Draht nach oben und packte nach ausgiebigem Frühstück am Womo meinen Rucksack.
Durch die Mitnahme von Schlafsack, Kocher und Fressalien wurde er schnell voll und so musste auf unnütze Wechselwäsche verzichtet werden und stattdessen kam die Wasserpfeife für die einsamen Stunden mit.

Um 11.30 Uhr verabschiedete ich mich von meiner Family und mache und machte mich fluchend über den schweren Rucksack und bewaffnet mit einer billigen Wanderkarte von 1966 auf den Weg. Die sonne kam durch die Wolken und der Aufstieg zur Taberetta-Hütte brachte mich ganz schön ins schwitzen, so das ich an der Hütte in mein restliches Wasser so viel geschnorrtes Salz reinkippte, das es schier ungenießbar war, genauso wie das Wasser aus der Sigg  Reserveflasche, wie sich später herausstellen sollte (nie mit geschlossenem Deckel lagern).

Um 14.00 machte ich mich auf zum Taberetta Klettersteig, ohne zu wissen was da auf mich zukommen sollte.
Mit Ehrfurcht stand ich vor dem Wandfuß und Rüstete mich auf. Bandschlingen und Schrauber mussten das Klettersteig Set ersetzen, das aus Gewichtsgründen unten zurück gelassen wurde.
Mit ungutem Gefühl machte ich mich über die Wand her.
Puh ist der extrem, der Rucksack zieht mich nach unten und ich stemme mich am Seil der Schwerkraft entgegen.
Ich bin doch ein nicht so nette Person…….Keine Fallbremse und der schwere Rucksack.
Nach einem 1/3 des Weges und am Ende der Kraft machte es einsetzender Regen unmöglich weiterzugehen und ich war froh, das ich trotz des Eifers noch so besonnen war den Rückweg einzuschlagen.
Abseilen oder am Stahlseil runter????? Jetzt ist es keine Frage mehr. Ich meinte dass es am Stahlseil schon schneller runtergeht. Wie wahr wie wahr, denn oft schneller als mir lieb war glitt das Stahlseil durch meine Finger.
Endlich wieder festes Geröll unter den zitternden Beinen wollte ich meine Finger gar nicht anschauen.
Doch zurück an der Taberetta-Hütte um 16.30 war alles vergessen, den Klettersteig mach ich ein andermal.
Also hopp hopp den Wanderweg hoch, du willst ja noch was reißen und das Wetter klart wieder auf.
17.30 Payer-Hütte, schnell eine Kola und ne Flasche Wasser, kurz nachgefragt ob das Biwak noch steht und den Rat bekommen sich heute nicht mehr alleine dorthin aufzumachen, es würde noch 3h dauern.
Pah drei Stunden für 300 hm gelacht. Der besorgten Wirtin gesagt ich würde mich nur noch umschauen und ab dafür.



Auf dem gut ersichtlichem Weg zur Tabarettspitze, dann rechts runter, oh nein das ist zu steil, Hey da sind ja welche unten…. Und die teilten mir mit das es oben rum an der Gedenktafel vorbei geht. Gesagt getan, der Abstieg ist zwar auch steil aber der Fels griffiger.
Eine 10 Köpfige Gruppe von Hintergrat aufsteigern kommt mir entgegen und ich versuche mir den Weg von Ihnen zu merken.
Scheiß Kurzzeitgedächniss.
Es geht wieder hoch, doch wo, ich versuche es rechts,   Angst,   nicht gut.
Dann links Hey ein alter Haken ich muss richtig sein, ein kurzes Stahlseil, alles klar.
Ich mach mir Steinmandel wie verrückt und halte Ausschau nach spuren von Steigeisen, abgespeckte Felsen und komme immer weiter.
Nach einigen luftigen Querungen und Gratwanderungen stehe ich vor der Stahlkette.
Ratz Fatz ziehe ich mich hoch. Oben am Kreuz noch kurzes Fürbitten und mal links, mal rechts am Grat entlang.
Die Spuren führen nach unten. 30 m unter der Gratspitze nur noch rutschige Platten, loses Gestein.
Mensch noch 15m durch die Rinne drüben geht’s weiter, dicke fette Spuren auf der ehem. Eiswand.
Ich komm nicht rüber, zurück und 10m höher es noch mal versucht……….nichts.

Nach mehreren Versuchen zurück auf dem Grat sehen ich Steigeisenspuren am Grat entlang und ich hinterher. Doch ein 2m Block wird zum Knackpunkt. Ich ziehe mich hoch, der Rucksack mich runter, meine Hände greifen ins leere.

Zu schwer … Uwe vordere es nicht heraus….du willst aber auf den Ortler…

Soll ich ohne Rucksack hoch und Ihn nachziehen? Aber wie das Scheißding vorm Absturz sichern, alles schräg.

Ich hole tief Luft, ziehe mich hoch, suche Stand, bekomme einen Zacken zu greifen.
Volle Konzentration….. und ziehe mich wie ein Wahlross auf den Block.
(hat hoffentlich keiner gesehen)

Aufatmen, den jetzt war lockeres gehen bis zum Bärenloch angesagt.

Sind das fette Spalten. Aufrödeln, Seil raus,  Knoten rein (sollen ja was helfen, zumindest mental.) und der Trittspur entlang steil nach oben.
Heben die Brücken?.........Ja……..
Ich steige auf, schaue nach links und sehe das Biwak. Endlich.

Noch eine Steilstufe von 10m im Schmelzwasser hochgeklettert und das Erste war geschafft.

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bike-uwe
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Here comes the SAN

Beiträge: 117
Schwäbische Alb
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Ortler solo Teil zwei
Antwort #1 - 09.09.2007 um 18:45:33
 
Der billige Berg
oder
Geiz ist geil, Ortler für 11 €
Zweiter Teil

Über die Biwaknacht ist nicht viel zu sagen. Allein und bei aufsteigendem Orkan machte ich kein Auge zu. Nach dem Essen noch kurz auf der Payer-Hütte und meiner Frau bescheid gesagt.
Wenigstens scheint noch der Vollmond schwach durch die Fenster wenn die Wolken es Ihm erlauben.
Das Blech der heulenden Hütte gibt unter lautem „pling plong“ nach und das immer dann wenn mir die Augen zufallen.
Als der Wecker um 4.00 Uhr klingelt, ich wollte ja der erste auf dem König sein, bin ich so müde, das ich ihn auf 6.00 stelle und mich noch mal umdrehe.
Bei dem Sturm geht sowieso  keiner rauf und ich komme alleine bestimmt nicht runter.
Prasseln. Scheiß es regnet, oder nein noch schlechter, Graupel.
7.30 Uhr ich muss aufs Klo, soll ich in die Flasche pinkeln? Nein zu geringe Trefferquote. Ich zieh die kalte Hose an und gehe widerwillig vor die Tür.

Da klettern Sie den Absatz zu meinem Biwak hoch. Das gibt’s doch nicht.

Rein in die Hütte, Jacke drüber, Mütze auf, Brille und Handy eingepackt, noch ‚nen Riegel mitgenommen und die versiffte Sigg Flasche mit dem Tee (Geschmacksrichtung Kinderkotze) umgeschnallt und hoch mit die Uwe.

Am Tschierfeck schon an zweiter Stelle liegend machte mir der heftiger werdende Schneesturm zu schaffen. Oben am Plateau ist gehen im liegen angesagt, die Hose zu dünn und durchgenässt, gefroren.  Kälteschmerzen in den Beinen, Uwe muss das sein?
Keine Sicht mehr (unter 5m). Ich breche mein Abenteuer ab.
Auf meinem Rückzug kommen mir zwei Holländer entgegen, die mich zum Wiederaufstieg überreden wollen, da wir schon auf 3600m sind, und es nicht mehr weit sei.
Neeeeeee, da mir die gefrorene Hose am Schenkel klebte hatten Sie keinen Erfolg.

Und wärmend Sie weiterziehen, komme ich ins Grübeln.
Ich lege mich in den Sturm und denke wie schön es sein könnte, mit Sonne und Fernsicht.
Sch…………………..
Die verwehte Spur kaum ersichtlich stieg ich weiter ab und kaum vom Tschierfeck unten riss es auf und ich konnte das Biwak und die noch aufsteigenden Seilschaften erkennen. Ich drehe mich um, blicke über die Schulter nach oben und kann Ihn sehen, dieser Scheißberg hat sogar ein Kreuz.
Vorbei mit Schnee und Graupel, nur noch Sturm und man kann sogar das Stilfser Joch sehen.
Wird wohl heute doch noch was mit uns zwei, Ortler. Auf dem Hackenzacken kehrt gemacht und wieder bergauf.
Ich eile, doch die Höhe bremst mich nach 20 m aus und ich passe meine Geschwindigkeit an, dass ich mit dem Atmen wieder hinterherkomme.

Am letzten Steilstück diretissima die Dreierseilschaft verblasen, vor mir die Holländer.
Bei jetzt guter Sicht erkenne ich, dass die erste Gruppe schon 200m vor dem Gipfel ist. (Na ja Zweiter ist immer der erste Verlierer)
Auf Höhe der Holländer bedanke ich mich für den Zuspruch mit der Ankündigung eine Runde auf der Payerhütte springen zu lassen, schmeiß mir den Riegel rein und gebe Gas.
Und während die ersten schon die Butterstullen essen, stehe ich vorm Kreuz und bedanke mich bei meinem Schöpfer. Ein schnelles Foto mit dem Handy und schon wird es wieder Nebelig. Bergheil den Holländern und wieder runter von dem Hügel.

Bei verwehter Spur und brennenden Augen (die Brille war ja in der Jackentasche) hurtig nach unten und vorbei an den Spätstartern und Nachzüglern. Beherzte Sprünge über Spaltenbrücken (man will ja nichts herausfordern) zurück zum Biwak.

Rein in meine Hütte und die Wasserpfeife hergerichtet. Wasser im Kartoffelsuppentopf gekocht und Instantkaffe (danke noch dem der Ihn dagelassen hat) rein und im Windschatten hinter der Hütte genüsslich eine geschmökert und den anderen beim Abstieg zugeschaut.
Und während die Gruppen sich an der Abseilstelle, die wegen meinem zu kurzen Seil nicht benutzen kann sich wieder von mir entfernen zieht es schon wieder zu.

Als es wieder zu regnen beginnt kommen die drei Niederfranken, die das Licht oben ausgemacht haben bei mir vorbei. Alle rein in gute Stube und bei netten Gesprächen den Graupelschauer überdauert und an die anderen gedacht die sich jetzt im Fels befinden.
Und es kommt wie es kommen muss, ein Schönwetterfenster beendet unsere Hüttensitzung. Kurze Verabschiedung und schon waren Sie weg.
Ich packte auch meine sieben Sachen ein, Knoten aus dem Seil, noch mal umgedreht und nichts liegen gelassen. Ok. Es geht nach hause.

Nicht zur Abseilpiste führt mein weg, sonder nach Süden hinab zu einem eingeschlagenen Nagel. Alte Bandschlingen und ein Vorkriegskarabiner bilden meine persönliche Abseilpiste. Doch nach dem Seilauswurf fehlte noch etwas bis zum Boden. Was mut dat mut, zur Not mit `nem Sprung. Geht ein Einfachseil Doppelt durch den HMS? Ja es geht.
Es lebe die Dynamik und am Knoten des Seilendes angekommen berührten meine Füße den Boden.
Ich Juchze den Franken zu die unterhalb von mir auch auf dem Gletscher angekommen sind, Eisen an, Seil über die Schulter und schnell runter bevor es wieder schlecht wird. Dank der viele Haken und Ösen ging alles ratz Fatz, außer am Klettersteig, da ging mir das verheddern und verklemmen des Seiles ganz schön auf den Sack.
Mensch, da hab ich mir meine grauen Zellen in jungen Jahren doch nicht vollends versoffen, den ich finde meine Weg auf Anhieb ohne mich zu versteigen.

Auf den letzten Metern zur Payer-Hütte durchschüttelt mich ein unbeschreibliches Glücksgefühl und das Adrenalin verlässt langsam meinen Körper.
Eine große Kola und ne Tafel Schokolade rücken das Budget auf 10,50€, damit die 11 voll wird kommt noch ne Postkarte mit.


Der lange Abstieg wird durch meine Siemens Luftstöcke erleichtert. An der Tabarett-Hütte treffe ich die Holländer wieder, die noch nach Bozen wollen und somit auf ein weiteres Bier dankend verzichten, was mir als Schwabe nicht unrecht ist.
Aber man weis ja nie, und die Welt ist klein, dann beim nächsten Mal.

Es beginnt wieder zu regnen und bei den hundert Wanderwegen muss die Karte herhalten, damit ich meinen brennenden Schenkeln keinen steilen Abstieg mehr antun muss. Mit Rammstein Live im Mp3 Player mach ich mich völlig apathisch
auf den Weg zur Sulden Seilbahn Talstation an der ich im strömenden Regen ankomme und von meiner Family als Held der Berge gefeiert werde.
Na ja nicht ganz, aber sie haben sich wenigstens gefreut, was will man mehr, ich bin auch schon mit wenig zufrieden.

bike-uwe

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Lisanne
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Re: Ortler solo Teil eins
Antwort #2 - 12.09.2007 um 09:36:36
 
Bitte mehr von deinen Berichten. Liest sich super und ich hab auf dem warmen Sofa wieder richtig geschaudert.

Für alle die nicht wissen, wie Uwe mit Wasserpfeife aussieht:

Wann kommt eigentlich dein Bericht vom Biancograt. Eine echte Heldentat!

Gruss

Lisanne

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