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Ortler solo Teil zwei (Gelesen: 1609 mal)
bike-uwe
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Here comes the SAN

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Schwäbische Alb
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Ortler solo Teil zwei
09.09.2007 um 18:46:59
 
Der billige Berg
oder
Geiz ist geil, Ortler für 11 €
Zweiter Teil

Über die Biwaknacht ist nicht viel zu sagen. Allein und bei aufsteigendem Orkan machte ich kein Auge zu. Nach dem Essen noch kurz auf der Payer-Hütte und meiner Frau bescheid gesagt.
Wenigstens scheint noch der Vollmond schwach durch die Fenster wenn die Wolken es Ihm erlauben.
Das Blech der heulenden Hütte gibt unter lautem „pling plong“ nach und das immer dann wenn mir die Augen zufallen.
Als der Wecker um 4.00 Uhr klingelt, ich wollte ja der erste auf dem König sein, bin ich so müde, das ich ihn auf 6.00 stelle und mich noch mal umdrehe.
Bei dem Sturm geht sowieso  keiner rauf und ich komme alleine bestimmt nicht runter.
Prasseln. Scheiß es regnet, oder nein noch schlechter, Graupel.
7.30 Uhr ich muss aufs Klo, soll ich in die Flasche pinkeln? Nein zu geringe Trefferquote. Ich zieh die kalte Hose an und gehe widerwillig vor die Tür.

Da klettern Sie den Absatz zu meinem Biwak hoch. Das gibt’s doch nicht.

Rein in die Hütte, Jacke drüber, Mütze auf, Brille und Handy eingepackt, noch ‚nen Riegel mitgenommen und die versiffte Sigg Flasche mit dem Tee (Geschmacksrichtung Kinderkotze) umgeschnallt und hoch mit die Uwe.

Am Tschierfeck schon an zweiter Stelle liegend machte mir der heftiger werdende Schneesturm zu schaffen. Oben am Plateau ist gehen im liegen angesagt, die Hose zu dünn und durchgenässt, gefroren.  Kälteschmerzen in den Beinen, Uwe muss das sein?
Keine Sicht mehr (unter 5m). Ich breche mein Abenteuer ab.
Auf meinem Rückzug kommen mir zwei Holländer entgegen, die mich zum Wiederaufstieg überreden wollen, da wir schon auf 3600m sind, und es nicht mehr weit sei.
Neeeeeee, da mir die gefrorene Hose am Schenkel klebte hatten Sie keinen Erfolg.

Und wärmend Sie weiterziehen, komme ich ins Grübeln.
Ich lege mich in den Sturm und denke wie schön es sein könnte, mit Sonne und Fernsicht.
Sch…………………..
Die verwehte Spur kaum ersichtlich stieg ich weiter ab und kaum vom Tschierfeck unten riss es auf und ich konnte das Biwak und die noch aufsteigenden Seilschaften erkennen. Ich drehe mich um, blicke über die Schulter nach oben und kann Ihn sehen, dieser Scheißberg hat sogar ein Kreuz.
Vorbei mit Schnee und Graupel, nur noch Sturm und man kann sogar das Stilfser Joch sehen.
Wird wohl heute doch noch was mit uns zwei, Ortler. Auf dem Hackenzacken kehrt gemacht und wieder bergauf.
Ich eile, doch die Höhe bremst mich nach 20 m aus und ich passe meine Geschwindigkeit an, dass ich mit dem Atmen wieder hinterherkomme.

Am letzten Steilstück diretissima die Dreierseilschaft verblasen, vor mir die Holländer.
Bei jetzt guter Sicht erkenne ich, dass die erste Gruppe schon 200m vor dem Gipfel ist. (Na ja Zweiter ist immer der erste Verlierer)
Auf Höhe der Holländer bedanke ich mich für den Zuspruch mit der Ankündigung eine Runde auf der Payerhütte springen zu lassen, schmeiß mir den Riegel rein und gebe Gas.
Und während die ersten schon die Butterstullen essen, stehe ich vorm Kreuz und bedanke mich bei meinem Schöpfer. Ein schnelles Foto mit dem Handy und schon wird es wieder Nebelig. Bergheil den Holländern und wieder runter von dem Hügel.

Bei verwehter Spur und brennenden Augen (die Brille war ja in der Jackentasche) hurtig nach unten und vorbei an den Spätstartern und Nachzüglern. Beherzte Sprünge über Spaltenbrücken (man will ja nichts herausfordern) zurück zum Biwak.

Rein in meine Hütte und die Wasserpfeife hergerichtet. Wasser im Kartoffelsuppentopf gekocht und Instantkaffe (danke noch dem der Ihn dagelassen hat) rein und im Windschatten hinter der Hütte genüsslich eine geschmökert und den anderen beim Abstieg zugeschaut.
Und während die Gruppen sich an der Abseilstelle, die wegen meinem zu kurzen Seil nicht benutzen kann sich wieder von mir entfernen zieht es schon wieder zu.

Als es wieder zu regnen beginnt kommen die drei Niederfranken, die das Licht oben ausgemacht haben bei mir vorbei. Alle rein in gute Stube und bei netten Gesprächen den Graupelschauer überdauert und an die anderen gedacht die sich jetzt im Fels befinden.
Und es kommt wie es kommen muss, ein Schönwetterfenster beendet unsere Hüttensitzung. Kurze Verabschiedung und schon waren Sie weg.
Ich packte auch meine sieben Sachen ein, Knoten aus dem Seil, noch mal umgedreht und nichts liegen gelassen. Ok. Es geht nach hause.

Nicht zur Abseilpiste führt mein weg, sonder nach Süden hinab zu einem eingeschlagenen Nagel. Alte Bandschlingen und ein Vorkriegskarabiner bilden meine persönliche Abseilpiste. Doch nach dem Seilauswurf fehlte noch etwas bis zum Boden. Was mut dat mut, zur Not mit `nem Sprung. Geht ein Einfachseil Doppelt durch den HMS? Ja es geht.
Es lebe die Dynamik und am Knoten des Seilendes angekommen berührten meine Füße den Boden.
Ich Juchze den Franken zu die unterhalb von mir auch auf dem Gletscher angekommen sind, Eisen an, Seil über die Schulter und schnell runter bevor es wieder schlecht wird. Dank der viele Haken und Ösen ging alles ratz Fatz, außer am Klettersteig, da ging mir das verheddern und verklemmen des Seiles ganz schön auf den Sack.
Mensch, da hab ich mir meine grauen Zellen in jungen Jahren doch nicht vollends versoffen, den ich finde meine Weg auf Anhieb ohne mich zu versteigen.

Auf den letzten Metern zur Payer-Hütte durchschüttelt mich ein unbeschreibliches Glücksgefühl und das Adrenalin verlässt langsam meinen Körper.
Eine große Kola und ne Tafel Schokolade rücken das Budget auf 10,50€, damit die 11 voll wird kommt noch ne Postkarte mit.


Der lange Abstieg wird durch meine Siemens Luftstöcke erleichtert. An der Tabarett-Hütte treffe ich die Holländer wieder, die noch nach Bozen wollen und somit auf ein weiteres Bier dankend verzichten, was mir als Schwabe nicht unrecht ist.
Aber man weis ja nie, und die Welt ist klein, dann beim nächsten Mal.

Es beginnt wieder zu regnen und bei den hundert Wanderwegen muss die Karte herhalten, damit ich meinen brennenden Schenkeln keinen steilen Abstieg mehr antun muss. Mit Rammstein Live im Mp3 Player mach ich mich völlig apathisch
auf den Weg zur Sulden Seilbahn Talstation an der ich im strömenden Regen ankomme und von meiner Family als Held der Berge gefeiert werde.
Na ja nicht ganz, aber sie haben sich wenigstens gefreut, was will man mehr, ich bin auch schon mit wenig zufrieden.

bike-uwe

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