Climbers Paradise oder Die Tomaten der KlettererEntsteht hier ein neuer Moloch Klettertourismus wie der Schitourismus vor 30 Jahren? Ich denke nicht. Die Felsen sind (trotz noch erheblichen Potenzials) nicht vermehrbar. Es werden jetzt schon Felsen eingebohrt, die man unter normalen Umständen nicht anschauen würde; im Ötztal ist die Felsqualität super, aber in Haiming sollte man nicht hintereinander klettern, von Nassereith sind mir ähnliche Gruselstories bekannt. Die vorhandenen Klettergärten im Ötztal können gleichzeitig etwa 400 Kletterer beschäftigen - die mehrere 10000 Gästebetten lastet das nicht wirklich aus. Zudem ist Kletterurlaub - trotz aller Bequemlichkeit mit Parkplätzen und Scheißhäuseln am Einstieg kein Faulenzerurlaub wie sich maschinell irgend wo hochschleifen zu lassen, dann runter zu rutschen und spätestens nach 3 Stunden das Komasaufen im Pisten- Ballermann anzufangen. Das "akute" (d.h. nicht von Gewohnheiten abhängige) Umweltbewusstsein der Kletterer ist hoch. Die "Mistkübel" sind reichlich frequentiert, auch abends lag kein Stückchen Abfall auf der sauber abgeweideten Wiese am Einstieg, die Toiletten sind sauber, wenn auch oft leider voll.
Eine besondere Umweltbelastung geht von den Kletterern nicht aus, sieht man mal davon ab, dass sie alle einzeln mit dem Auto angereist sind. Man kann aber davon ausgehen, dass sie sonst wo anders hingefahren wären, vielleicht sogar weiter. Durch Kletterfelsen wird die Landschaft überhaupt nicht verändert, was im diametralen Gegensatz zu Schipisten steht. Eine Lärmbelastung wird bereits in 100 Metern Entfernung durch die der Bundesstraße übertönt. Letztere ist der einzige Grund, hier nicht mehr her zu kommen.
Die Klos sind purer Luxus - wo (vor allem nach Ende der Hauptsaison, in der das nicht erlaubt ist) viele Tonnen von Gülle auf die Felder gekippt wird, wäre die Kacke von ein paar Kletterern umwelttechnisch kein Problem. An den Wanderwegen gibt es schließlich keine Klos und Wanderer gibt es immerhin noch deutlich mehr als Kletterer.
Weil nicht jeder so verständnisvolle Partner hat, die einem kurz mal eine Woche freigeben, ist der Kiwa- taugliche Zugang für viele die einzige Möglichkeit, mit Partner und evtl. Kind überhaupt das Klettern nicht ganz einstellen zu müssen.
Wer sich über so genannten Klettertourismus echauffiert, der soll mal im Sichtbereich von Schigebieten wie "Les Deux Alpes" wandern gehen. Oder im Winter eine Schneeschuh- bzw. Schitour im Hörbereich der Beschallungsanlagen am Diedamskopf (in Größe eines Einfamilienhauses) machen. Er wird dann ganz sicher ergiebigere Quellen des Ärgers finden. Da müssen wir nicht mal vom Straßenlärm reden.
Ob hochgradig alberne Events wie das passive Abseilen denn wirklich sein müssen, ist eine Frage die sich nicht stellt. Auch Klettern selbst muss nicht wirklich sein. Dass der Autor sowas als hochgradig albern empfindet, liegt Vielleicht nur daran, dass er aus seiner Heimat genug überhängende Abseilstellen kennt. Aber für viele war es ein "unvergessliches" Erlebnis. Und so lange man das in unmittelbarer Nähe des schon länger bestehenden Klettersteigs macht, sollte sich der Naturschutz auch nicht belästigt fühlen.
Was den Umweltschutz schon mehr beeinträchtigt, ist die einzelne Anreise. Normalerweise bekommen die Teilnehmer an veranstaltungen dieser Größe Teilnehmerlisten zugeschickt, um Fahrgemeinschaften zu bilden. Insbesondere für die bergfern wohnenden ist die Anreise oft der größte Brocken der Reisekosten. Man sollte den Ötztal- Touristikern mal sagen dass die Leute das gesparte Geld wenigstens zum Teil lieber am Urlaubsort lassen, an Stelle es am Weg dahin zum Auspuff hinaus zu blasen.
Für viele passt das Klettern nicht wirklich zu veranstaltungen mit 50 Leuten. Mit der in der Natur zu erlebenden Stille ist das nicht vereinbar. Auch deshalb dürften solche "Camps" nicht die große Masse der Kletterer ansprechen. Gleich bei der Anfangsbesprechung am Sonntag wurde die Frage gestellt, was denn passiert, wenn 50 Leute gleichzeitig in Oberried oder an der Engelswand einfallen. Aber es ging ohne Wartezeiten an den Kletterrouten ab.
Ganz ganz fettes Lob an das Team!!!
Das persönliche Fazit des Autors fällt auch positiv aus.
- Er konnte etwas für seine Klettertechnik tun,
- seine Sturztechnik professionell überprüfen lassen
- und für die folgenden Bergtouren noch etwas UV- Eigenschutz tanken und von den folgenden drei Tagen auf der Muttekopfhütte braunge- statt ver-brannt hemkehren.
Die einzige Frage, die auf ewig unbeantwortet bleiben wird, ist: Was haben Paradeiser (auf deutsch Tomaten) mit dem Klettern zu tun? Also warum nennen die das dann "climbers Paradeis"?