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Bernina & Co. - Hochtour bei Omega-Wetterlage (Gelesen: 5703 mal)
Vogelfreund
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W-Nds
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Bernina & Co. - Hochtour bei Omega-Wetterlage
12.08.2014 um 19:44:15
 
Bernina & Co., 19.-26.07.2014 – Hochtour bei Omega-Wetterlage

Wieder einmal stand die Hochetage an - as every year. Viel Schnee lag noch in der Bernina, bis knapp 4 km hoch.

Vier waren wir dann. Kurz zuvor forderten die Nebenhöhlen noch ein Opfer. – Dank an Armin, Dirk & Joachim (DAV Giessen).

Via Albulapass (CH, Graubünden) gings vorweg von Punt Granda (2.251 m) zur Chamanna Es-cha (2.594 m). Kaum 2 Std. und rund 350 hm am Anreisetag, bei Sonne, blauem Himmel und guten Wetteraussichten. Die Hütte zuletzt voll. Im Süden leuchtete Pizzen voll Schnee (Palü, Bernina, Morteratsch).

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Doch welch Lärm um eins. Stimmen, Licht. Gar „meine“ Leut. Kein früher Aufbruch, ein Leitersturz war es: Platzwunde am Hinterkopf mit Blutverlust von 50-100 ml. Von Petra & Tina solide verarztet. Am späten Morgen waren beide schon weg – werten Dank nochmals. Das nächtliche Telefonat mit der Klinik empfahl eine engmaschige Betreuung des Verunfallten, evtl. Hirnbluten müsse ausgeschlossen bleiben. Also alle 15, später 30 Minuten mittels Lichtstrahl die Pupillenreaktion testen sowie befragen ob Antworten ok oder wirr; sonst käme im Dunklen noch der Heli.

Tag zwo fiel entsprechend ruhig aus. Zu dritt gingen wir so 10 Uhr gen Porta d´Esch-cha (3.008 m). Wenigstens sehen wollten wir den Piz Kesch (3.418 m). Die Cirren am Vorabend deuteten es an, nun dunkle Wolken überall. Noch an der Porta das erste Nass. Zurück zur Chamanna: Schlaf nachholen und den richtig guten Schoko-Kuchen seinem Sinn zuführen. Die Hütte perfekt geführt, Essen gut & reichlich, morgens gar selbst gemachte Marmelade und überall Nutella-Gläser, das Müsli superb.

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Jedenfalls mir tat der beinahe-Ruhetag gut, der Job zuvor richtig anstrengend, „Entschleunigung“ willkommen. Tags drauf Abstieg. Ins Samedan´er Spital kurz reingeschaut: Entwarnung für den Kopf; die 48 Std.-Ruhe-Empfehlung nahm keiner wörtlich.

Mittlerweile Dauerregen, der sollte zum Begleiter werden. Gibt ja Pferdekutschen ins Roseg-Tal, wir erwischten die regentauglichste und waren, oh Wunder, allein (23 CHF p.P., Rucksack ab 10 kg incl.). Vorbei an Madame Merkels Übungsterrain, der später zum Stockeinsatz führte. – Zuvor PKW an der Diavolezza geparkt (kostenfrei), mit dem Bähnli zurück nach Pontresina (8,20 CHF für die wenigen Kilometer bergab).

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Auf der Chm. Tschierva (2.583 m) blieb es mit rund 20 Gästen ruhig. Alles tiptop. Ein Zimmer für uns, in der Hochsaison nicht selbstverständlich. Der nächste Morgen trüb, dennoch hinauf in Höhe und Firn, wenn wir schon mal da sind. Hinein in den Nebel. Bald leichter Schneefall. Anfangs ohne Steigeisen, auf dem firnreichen Gletscher war nichts gefroren. Der Piz Morteratsch (3.751 m) war um 10 Uhr ankündigungslos auch da, jedenfalls endeten alle Spuren, welche in Zahl zu den wenigen Absteigern passten. Der Neuschnee teils 10-20 cm, die Sicht ... hellgrau.

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Die Gipfelroute war heuer eine andere als vor 8 Jahren. Keine Nordostflanke mehr, nun praktisch entlang des Nordgrates, nur einmal in die Felsen links ausweichend. – Via Fuorcla da Boval (3.347 m) steil hinab zur Chm. Boval (2.495 m), oben noch weicher Firn. Bei dieser Suppe will der Weg gefunden sein. Seilfrei oder mit Bergführer, je nach Gusto. Helm ist sinnvoll. Auf der Hütte wiederum ein eigenes Zimmer, auch sonst tiptop.

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Und jetzt? An der Boval sind die Hochtouren-Optionen beschränkt, v.a. bei dem Wetter jener Tage. Dies war eine Omega-Wetterlage, so später die Meteo´s im CH-Fernsehen, Rekord-Niederschläge verbreitend. Der „Fuß“ auf Höhe der Schweiz. Machten lange Touren da Sinn? Etwa via Fortezzagrat zum Rif. Marinelli Bombardieri (2.813 m)? Um bei Schietwetter da festzuhängen? Zudem stand der „Konditionstest“ ja noch aus. Selbst meine Waden meldeten sich (sonst unbekannt; sie hielten). Zum teils nervig überlauten bis unfreundlichen Rif. Marco e Rosa (3.597 m) wollte ich nicht, die beachtliche Schlafhöhe käme für uns Tiefländer ohnehin zu früh.

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Schließlich via Isla Persa (2.720 m) über freundliche Gletscher zum Berghotel Diavolezza (2.973 m), am 23. Juli, bei Schönwetter. Acht Jahre zuvor hingen Pers- & Morteratsch-Gletscher freilich zusammen, heuer nicht mehr. Der Gletscher längst aper, die Blicke gingen aufwärts, etwa zum Crest Agüzza (3.854 m), weit oben hinten.

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Bei guter Pause (Isla Persa) schauten alle südwärts ... auf die Gipfel sich träumend.

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Irgendwann weiter im grossdimensionalen Freilufttheater. – Mal innehaltend, den unfreiwillig Hang-rutschenden zuschauend. Doch letztlich nix passiert, vielleicht erschrocken. Ein paar setzten das Hosenbodenrutschen fort.

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Zuletzt ein Weg-wirrwarer Schuttaufstieg und bald am Berghotel Diavolezza (2.973 m): Touriland. Spiegelsaal oder „Festsaal der Alpen“ – Terrassenblick gen Süd oder Nord.  Bemerkenswert, zwei Bartgeier zogen talwärts vorbei, keine 100 m entfernt. Dirk sah sie zuerst, niemand außer uns schaute den majestätischen Greifvögeln nach. Auch Steinadler sahen wir zuvor schon, mal hier, mal da.

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An der entfernten Bellavista-„Terrasse“ unten und rechts die Spur am Fortezzagrat.

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Piz Bernina (nordseitig der Biancograt) und Piz Morteratsch, von der Terrasse aus geknipst. Dort Bier & Pommes, musste sein (letztere 8.80 CHF, dafür reichlich). Gegen 18 Uhr wieder dunkle Wolken. Vier Leut noch auf der Bellavista, vielleicht „genossen sie jeden Schritt“, kamen wohl nach 20 Uhr zur Marco e Rosa. Dorthin gingen viele, was hatten die bloß für Wetterprognosen?
Bei aller Hochtouristik unserer Unterkunft (69 CHF): Die Lager waren gut, die hier obligate Dusche nach 5 Tagen willkommen. Abendessen und Frühstück perfekt!

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« Zuletzt geändert: 12.08.2014 um 20:12:34 von Vogelfreund »  
 
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Vogelfreund
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W-Nds
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Re: Bernina & Co. - Hochtour bei Omega-Wetterlage
Antwort #1 - 12.08.2014 um 19:52:18
 
Die 3 Nervbolde um 3 Uhr übten wohl allein das aufstehen. Wir halbstündig später. Als wir nach Frühstück loszogen, eierten die immer noch herum. Ob unser Tun aber Sinn machte? Zwar kein Regen, doch pottendicker Nebel überall. Kalt war es nicht. Kaum von der Hütte weg, die Wegeführung unklar, die Route an sich bekannt. Spuren hat´s da viele. Auch Wegweiser, bloß halfen die nicht. Letztlich mussten wir hinunter auf den Gletscher. Uns folgten zwei Penetranzsabbler dichtauf, sie in nervtötender Frequenz. Das ging bald gar nicht mehr, Zwangspause, Abstand! Voraus waren sie hochgradig leiser, geht doch. GPS wäre jetzt hilfreich. Hatten die hinter uns kommenden, sogar zwei davon, folgten denen etwas ratlos. Aber warum bald in jene Höhe? Der Piz Trovat war nicht das Ziel. Laut gesagt und die LKS konsultiert. Irgendwann drehten sie um, der Bergführer: „Das habt Ihr jetzt vom Nachgehen“ (die schlossen ja auf und zogen vorbei). Später überholten sie erneut, erst aufwärts, dann wieder abwärts. Zum zweiten Verhauer der Führer nun freundlicher „ganz schön neblig hier“, jaja.

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Auf dem Gletscher lag noch eine Rekord-verdächtige Schneemenge. Die Routenführung frisch anders, erste Spaltenbrücken umgangen. Bereits gestern mittels Fernglas gesehen. Ab und an mal etwas Sicht.

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Neun Gruppen mit 23 Leut waren unterwegs zum Piz Palü (3.901 m), von P. Giuliani als „Silberschloss“ benannt (hat er´s erfunden?). Lediglich 3 per Überschreitung von Westen her (taglangweilten sich alle anderen auf der Marco-e-Rosa?).

Am Palü verblieben bereits drei Bergführer-Partien auf dem Ostgipfel (3.882 m): „Auf dem Gipfel siehst Du auch nicht mehr ...", wohl wahr, doch freilich galt das auch knapp hinter der Hütte.

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Tatsächlich der Gipfel im Bild. Wirklich! Auch mal schlapp die Sonne hoch oben. Eine halbe Stunde änderte sich aber nichts entscheidend. Bei alledem entgehen insbesondere die Tiefblicke, schade eigentlich. Das wird dem Charakter des Gipfelgrates gar nicht gerecht. Erst weit unten hebte sich das Grau. Längst im Sulzschnee, komische Bewegungen verursachend. Bei Rückkehr wieder Nebel, kaum drinnen auch Starkregen.

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Es war noch Zeit die Woche – „zurück auf Anfang“? Die Chamanna Es-cha bot Platz. Die Diavolezza-Seilbahn machte den „Abstieg“ leicht – 24 CHF. Bald erneut im trocknen Parkhaus des Samedan´er Coop umgepackt (SUV´s längst dominant). Hinauf zum Albula. Bei Abmarsch Regenende, Dank nach oben.

Reichlich Betrieb auf der Hütte. 6 kräftige Schwinger soffen ab früh-Nachmittag, so laut wie junge Menschen mit Promille überall wohl sind; zur Nacht immerhin kamen die ins Verließ ... äh ... Nebengebäude und grölten noch ein Weilchen. Die berappten an einem Tag deutlich mehr als wir an zweien.

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Piz Bernina mit Biancograt und Piz Morteratsch (gen Süd).

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Piz Palü. Ostgipfel oder Hauptgipfel. Schon ein Unterschied.

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Der nächste Morgen (25. Juli) mit ... Weitsicht. Etwas höher im Südosten zeigten sich Ortler & Co. (53 km). Die smartphone-Wetterabfragen hatten zuvor alles mögliche prognostiziert. Der Kesch stand an (3.418 m), da guckten wir ja nur. In der Hütte ein Topo mit über 10 Bohrhaken und zwei Schlingen-Abseilständen; nanu?

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Den Gletscher begingen wir am Seil, auch aufwärts zuerst mit Steigeisen, im Fels mit Helm. Andere taten all dies nicht. Vertretbar kann das gewesen sein. Spaltenstürze gab es da rezent, hieß es. Im Fels fielen auch Steine. Am Gipfelaufbau seilfrei rauf. Auch hinunter, was sich einfacher darstellte, als erwartet. Die schwierigste Stelle (II) kann am oberen Schlingenstand durchs reingreifen entschärft werden. Das Seil zwar in zwei Seilpuppen gelegt, doch wir brauchten es da nicht.

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Der Gipfel dann teils in Wolken wieder. Irgendwann runter. Allemal ein schöner Tag.


Freilich gab es am Abend wieder Regen. Und den nächsten Tag, und den folgenden Tag und ... –  Omega-Wetterlage. Juli-„Monsun“. Abreise.


Nachzutragen bleibt einer der vielleicht kuriosesten Eindrücke, reichlich Saharastaub zeigte sich auf den Gletschern.

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« Zuletzt geändert: 12.08.2014 um 20:16:28 von Vogelfreund »  
 
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Re: Bernina & Co. - Hochtour bei Omega-Wetterlage
Antwort #2 - 13.08.2014 um 20:44:47
 
Sehr cooler Bericht, prima Bilder, gern gelesen Smiley
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Viele Grüsse,
Andrea
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Re: Bernina & Co. - Hochtour bei Omega-Wetterlage
Antwort #3 - 13.08.2014 um 22:07:38
 
Vogelfreund schrieb am 12.08.2014 um 19:52:18:

Wenn ich mir vorstelle, dass die Pfeiler zum Zeitpunkt der Ersbegehung reine Eistouren waren ....
...Schon ein Unterschied!
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Re: Bernina & Co. - Hochtour bei Omega-Wetterlage
Antwort #4 - 19.08.2014 um 01:07:06
 
Daß "die Welt" vergänglich ist ... Berggänger kennen dies.
Nachfolgender Blick zeigt erneut die schwindenden Eismassen, diesmal in der Bernina. Blick etwa von der Chamanna Boval (2.495 m) gen Ost, zum (Ex-) Zusammenfluß der Gletscher Vadret Pers (gen West fließend) mit dem Vadret Morteratsch (gen Nord bzw. im Bild "nach links" fließend).
Ok, nicht ganz derselbe Standort 2014, 2006 war es von der Hütte aus.
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Vogelfreund
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Re: Bernina & Co. - Hochtour bei Omega-Wetterlage
Antwort #5 - 19.08.2014 um 01:18:11
 
Auch Historie, der Aufstieg auf den Piz Morteratsch in seiner Nordost-Flanke. Ebenfalls am 23.07.2006. Seinerzeit gingen wir links am Stau des Bergschrunds vorbei, dabei eine Eisschraube gesetzt.
2014 führte die Route praktisch entlang des Nordgrates.
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