alpenjogi
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Drei Tage in den Zillertaler Alpen
22. bis 24. Juni 2002
Wieder einmal kam alles anders als gedacht. Zuerst war eine Wanderung auf den Geierstein geplant. Kurzfristig hat jedoch Maria, eine Internet-Bekannte, abgesagt. Auf der Homepage der SAN habe ich etwas gelesen von einer Sonnwendfeier auf der Geraer Hütte. Die Geraer Hütte ist in den Zillertaler Alpen, aber wo? Einen uralten Wanderführer habe ich gefunden. Oh je, da muss ich ja über Innsbruck anreisen, nein, das ist mir zu weit. Hoppla, es geht aber auch, wenn man vom Zillertal kommt. Mit dem Auto nach Ginzling und eventuell weiter auf der Mautstraße in den Zamser Grund und von dort über die Alpeiner Scharte hinüber auf die andere Seite zur Geraer Hütte. Machbar ist es. Soll ich Andy und Co. überraschen? Acht Schlafplätze hat er angeblich reserviert. Ist egal, notfalls schlafen wir auf dem Boden. Wir, das ist meine Frau Lisa und ich. Es war Samstag, 11 Uhr als wir auf der A8 nach München fuhren, wir mussten zuerst nach Lenggries. Dort packten wir unsere Rucksäcke, ein Blick auf die Uhr. Nein, das geht nicht. Wir sind spät dran. Lisa packt ihr Zeug in meinen Rucksack, es ist bereits drei Uhr und wir müssen noch fast auf 3000 m Höhe steigen. Da ist es besser, wenn sie ohne Rucksack geht.
Die Fahrt durch das Zillertal ist länger als ich gedacht hatte. Der Weiterweg nach Ginzling war wild romantisch, schmale einspurige Straße mit wenigen Ausweichplätzen. An der Mautstelle zum Schlegeisstausee fragten wir nach dem Weg zur Geraer Hütte. Was?? Heute noch über die Alpeinerscharte?? Nein, die gute Frau glaubte nicht, dass dieses Jahr da schon jemand drüber gegangen ist....
Es war 17 Uhr als wir uns entscheiden mussten, direkt hoch zur Scharte, ohne Wegkenntnisse, oder die sichere Variante, auf die Olperer Hütte zu gehen und sich beim Hüttenwirt nach dem Weiterweg erkundigen. Wir entschieden uns, zur Olperer Hütte aufzusteigen. Dabei wusste ich, dass wir Andy, Jan und alle anderen heute nicht mehr sehen werden. Schade....
Ein freundlicher Hüttenwirt empfing uns 1 ½ Stunden später auf der Olperer Hütte. Ein markierter Weg führt von der Hütte zur Alpeinerscharte. Der Hüttenwirt sprach von fünf Stunden Gehzeit und dass er die Schneeverhältnisse auf der Scharte nicht kenne. Nun war es endgültig, die SANler sehen wir heute nicht mehr. Trotzdem stieg ich auf, ich wollte wenigstens wissen wie es da oben aussieht. Eine knappe Stunde später sah ich, dass es machbar gewesen wäre. Ich konnte direkt zur Scharte hinüber schauen. Die Verhältnisse sahen gut aus. Etwas traurig stieg ich wieder zur Hütte ab, nahm mein Handy zur Hand und schon bald hatte ich einen überraschten Andy am Telefon. Ich beichtete, dass wir auf der anderen Bergseite sind und dass ich versuche am nächsten Tag über den Südostgrat den Olperer-Gipfel zu erreichen. Ja, die SANler wollen über den Nordgrat den Gipfel erreichen. Na, vielleicht gibt es ein Wiedersehen auf dem Gipfel.
Am Sonntag in der Früh die gewohnte Hektik. Drei Partien wollten auf den Olperer. Die Ersten gingen bereits um 5 Uhr los, die anderen so gegen sechs, obwohl der Hüttenwirt meinte, auf den Olperer geht man nicht sehr früh, sondern wartet bis der Fels abgetrocknet ist. Ich ging daher erst um acht. Meiner Lisa war der Berg zu schwierig, sie wollte auf der Hütte warten. Ohne Rucksack, in der umgebundenen Jacke hatte ich jedoch ¼ Liter Elektrolytgetränk, zwei Müsliriegel, meinen 8x20- Gucker, ein Hemd und dazu meine Digital-Kamera.
Zügig kam ich aufwärts, das erste Schneefeld, Blockgestein, das zweite Schneefeld. Die Frühaufsteher waren bereits hinter mir. Nun wurde der Grat richtig schneidig, eine Querung nach links und dann die Schlüsselstelle...ziemlich ratlos, es ging senkrecht nach oben, wird wohl der „Turm“ sein, wie im Führer beschrieben. Ein altes Perlonseil war zu sehen, schnell sah ich aber auch, dass es an zwei Stellen beinahe völlig durchgewetzt war, es hing nur noch an Fäden...nein, bevor ich mich da festhalte, kehre ich lieber um... Irgendwie habe ich es geschafft höher zu kommen, ein Eisenbügel war zu sehen, daran hing eine verwitterte Bandschlaufe, sie hielt und ich hatte es geschafft. Zum Gipfel selbst war es nun andauernd sehr luftig, aber schön. Schon bald sah ich das Gipfelkreuz vor mir und groß war die Enttäuschung: Kein Mensch zu sehen!! Kein Eintrag im Gipfelbuch! Wo ist die SAN? Kommen die so spät? Mit dem Fernglas suchte ich den Nordgrat ab. Vergeblich, nicht eine Seilschaft war zu sehen. Bis kurz vor 10 wartete ich, dann stieg ich ab. Zuvor hat sich Jogi von der SAN natürlich ins Gipfelbuch eingetragen... Es war kurz nach 11, als ich auf der Hütte mein erstes Radler trank...der Hüttenwirt hatte mich mit dem Glas beobachtet und meinte, er hätte mich über das obere Schneefeld joggen gesehen.... stimmt aber nicht. Bergläufe macht der Andy im Chiemgau, nicht aber der alte Wander-Jogi.
Wie sollte es nun weiter gehen? Zur Geraer Hütte? Was machen wir dort? Von der SAN ist dort am späten Nachmittag niemand mehr, außerdem wollte ich mit Lisa auch einen 3000er gehen. Kurz entschlossen ging es am Berliner Höhenweg zum Friesenberg Haus. Es war sehr warm und schwül, nur jetzt kein Gewitter...
Das Wetter hielt, und ich wollte so gerne auf den Hohen Riffler. Vormittags auf den Olperer, nachmittags auf den Riffler, das wär´ doch was. Der Hüttenwirt meinte, dass das Wetter so bleibt. Mir war es zu schwül und immer wieder tauchten dunkle Wolken auf. 730 Höhenmeter, leichtes Gelände, aber ich traute mich nicht. Nein, am nächsten Morgen gehe ich ganz gemütlich mit Lisa da hoch. Nur nicht übertreiben...
Noch ein kurzes Telefonat mit Andy, sie seien nicht oben gewesen...am Olperer...Umkehr kurz unterm Gipfel...ich verstand es nicht...Ich sagte Andy, dass wir am Friesenberg Haus sind und wünschte ihm und der Mannschaft eine gute Heimfahrt.
Es war ein trostloser Morgen...ein Blick aus dem Fenster...eine einzige Milchsuppe. Der Wirt hatte in der Gaststube schon von den schweren Unwettern erzählt, die in der Nacht im Großraum Innsbruck niedergingen. Es hatte stark abgekühlt, zeitweise riss der Nebel auf und ich sprach mit dem Hüttenwart. Nein, heute ist kein Bergwetter, zu gewittrig, zu gefährlich. Hält es vielleicht noch zwei Stunden? Wie lange geht man auf den Riffler? Ja, er sei schon in einer Stunde fünf da oben gewesen und da wusste ich, es geht auch unter einer Stunde. Hält das Wetter 1 ½ Stunden? Kannst´s ja probieren, aber wenn´s finster wird, dann nichts wie runter. Ich versprach dem Wirt, dass ich beim ersten Donner sofort umkehre.
Als ich losging war der Riffler ganz frei und schön anzusehen. Wird schon halten, wenig später war unter mir die Hütte im Nebel verschwunden. Nur mit meiner bewährten Olperer-Ausrüstung ging es flott nach oben. Nach 50 Minuten hatte ich freie Sicht auf das Gipfelkreuz, ein Foto und weiter ging es. Fünf Minuten später stand ich auf dem Gipfel und plötzlich wurde es finster...ein weiteres Foto, Eintrag ins Gipfelbuch und nichts wie runter. Etwa 100 Hm unter dem Gipfel der erste Blitzschlag...Eisregen prasselte auf meine Jacke und wie Puderzucker bedeckte er den Fels. Ich sprang von Stein zu Stein, nur jetzt keinen Fehltritt...Blitz und Donner, ich wich in die Flanke aus. Das Gelände wurde schwierig, also wieder zurück auf den Grat. Die Dunkelheit wurde nur von grellen Blitzen unterbrochen, hoffentlich bleibt es mal eine Weile dunkel...wenigstens 5 Minuten, dann wäre ich weg vom Grat.. wäre in Hüttennähe... Nein, das mache ich nicht mehr. Völlig durchnässt war ich 90 Minuten später wieder auf der Hütte. 90 Minuten von denen einige verdammt lange waren... Als es aufhörte zu regnen stiegen wir ab zum Stausee und fluchtartig verließen wir das Zillertal. Um zwei Uhr nachmittags saßen wir in Achenkirch bei Kaffee und Kuchen. Mit meinen Gedanken war ich noch weit oben auf dem Berg...
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