Im Schweizer Nationalpark 14.-15.07.07Bei einem unserer zahlreichen Aufenthalte im Engadin fanden wir in Zernez das Museum des Schweizer Nationalparks.
http://www.nationalpark.ch/Der Nationalpark liegt im Schweizer Kanton Graubünden und wurde schon 1914 gegründet. Er erstreckt sich über eine Fläche von 172 km² in einer Höhe zwischen 1.400 und 3.174 m.
Die Ziele des Nationalparks sind Naturschutz, Forschung, Information, Naturpädagogik. Zahlreiche Alpentiere wie Gämsen, Hirsche und Murmeltiere leben hier ungestört. Auch seltene Vögel wie Steinadler und Bartgeier fühlen sich hier heimisch, wo sie anderorts schon längst ausgestorben sind. 650 verschiedene Pflanzenarten zeugen von einer reichen Flora verteilt auf Wald, Wiesenhänge und Hochgebirge.
Das Museum liefert umfangreiche Informationen über die Lage, die Ziele, Flora und Fauna im Schweizer Nationalpark. Für Kinder ist das Museum ideal. Es gibt dort einen nach gebauten Murmeltierbau zu entdecken durch den man durchkriechen kann und sich gleich wie ein Murmeltier fühlt.
Ein virtueller Flug über den Nationalpark am PC ist einfach grandios und fordert zu Entdeckungen auf. Der Nationalpark bietet ca. 80 km Wanderwege in allen Schwierigkeitsgraden und da war es schon klar, dass wir uns dieses Gebiet unbedingt ansehen müssen. Besonders gut hat uns die Chamanna Cluozza gefallen: Eine Blockhütte mitten im Wald, die aussieht als ob sie in der kanadischen Wildnis steht.
Da keiner Zeit und Lust hatte, an diesem Wochenende mitzukommen, beschlossen wir zu dritt auf Entdeckungsreise zu gehen. Die Wegbeschreibung, die wir im Internet gefunden haben, sagte uns schon einmal, dass es sich um eine schwierige Wanderung im weglosen Gelände handelt. Also ziehen wir die festen Bergschuhe an und nehmen eine gute Schweizer Landeskarte im Maßstab 1:25.000 sowie einen Kompass mit.
http://www.engadinerpost.ch/bergsport/htmls/wandern/023.htmlDen Weg ins Engadin kennen wir gut und wir wählen diesmal die Fahrt über den Flüelapaß, wo allerdings um Davos herum immer viel los ist und wir leider sehr viel Zeit für „Seeleute“ verschwenden, die aus Angst vor der Passstrasse in unvorstellbar langsamen Tempo über den Pass gurken. Wir haben es zwar nicht eilig, aber wir müssen noch nach S-Chanf an den Zug nach Zernez, wo wir in die Tour einsteigen wollen. Das Auto lassen wir am Bahnhof zurück, weil wir auf unserem Rundkurs wieder hier eintreffen werden.
Cluozza 003 am Bahnhof
Cluozza 006 Rätische Bahn
Im Handumdrehen sind wir in Zernez und stiefeln vom Bahnhof an der Straße entlang Richtung Ofenpaß.
Cluozza 009 unser Weg zur Cluozza
Nach der Holzbrücke beginnt unser Weg zur Cluozza Hütte.
Cluozza 010 über die Brücke
Es geht ordentlich bergauf und Ann-Sophie und Sabrina kommen gut ins Schnaufen. Vor uns liegen 3,5 Stunden Aufstiegszeit und rund 700 hm. Nachdem wir den höchsten Punkt der Tagesetappe mit 2.126 erreicht haben, geht es wieder etwas abwärts bis auf 1.882m zur Hütte.
Cluozza 013 Aufstieg zur Cluozza
Wir überqueren den Bach und nach einem kurzen Steilstück, zu dem eigentlich keiner mehr Lust hat, erreichen wir die Hütte um 20:00 zur besten Essenzeit.
Cluozza 022 die letzten Meter bis zur Hütte
Die Hütte ist gut gefüllt, das Essen schmackhaft und reichhaltig (Gulasch und Kartoffelstock, wie immer in der Schweiz, anstelle der ekligen deutschen Schinkennudeln) und wir genießen den Ausblick auf die stille, schöne Abendlandschaft im Val Cluozza.
Cluozza 017 Val Cluozza
Cluozza 030 Aussichtspavillon
Cluozza 037 Abenddämmerung
Ich gehe mit Ann-Sohpie noch die Tour des nächsten Tages auf der Karte durch und wir lesen noch einmal gemeinsam die Tourenbeschreibung, damit wir wissen, was uns an welcher Stelle erwartet. Um 22:00 ist Hüttenruhe und wir beziehen unser Lager unter dem Dach mit ca. 20 anderen Übernachtungsgästen. Das kennen wir schon und bald wird es ruhig.
Morgen wollen wir früh aufbrechen, denn der Weg hat es schon in sich. Der Wegweiser gibt eine Marschzeit über einen alpinen Steig mit 8 Stunden reine Gehzeit an, aber es ist klar, dass wir etwa 10 Stunden brauchen werden. Um 08:00 starten wir planmäßig nach einem -wie üblich - langweiligen Hüttenfrühstück.
Cluozza 041 Cluozza am Morgen
Der Weg führt uns zunächst abwärts an den Bach hinunter, in dessen Steinbett wir gut 2 Stunden laufen, ehe wir an der Weggabelung rechts Richtung Fuorcla Val Sassa abbiegen. Heute werden es 1.200 hm Aufstieg werden. Mitten in den Felsen blinkt etwas, das wir zunächst nicht identifizieren können. Es stellt sich als ein einsamer Hasenluftballon heraus, der wohl schon eine lange Reise hinter sich hat und einen etwas matten und luftlosen Eindruck macht. Sabrina adoptiert das Berghasi sofort und bindet es an den Rucksack, wo es ihr beim Laufen mächtig im Weg ist. Meinetwegen kann es dran bleiben, solange sie nicht darüber fällt.
Cluozza 055 Berghasi
Nun wird der Weg steinig und wir müssen die blauen Markierungen suchen. Manchmal erahnen wir den Weg nur aus der logischen Wegführung heraus. Wir machen mit einer Gruppe von Zürchern Rast, die die Kinder sehr bewundern, da sie selbst nicht besonders schnell unterwegs sind und offensichtlich alpine Steige nicht allzu oft gehen.
Cluozza 056 Zur Fuorcla Val Sassa
Nach einer kurzen Pause geht es weiter durch das Geröll Richtung Fuorcla Val Sassa, unserem höchsten Punkt mit 2.857m. Kurz vor dem letzen Geröllhang müssen wir noch ein flaches Schneefeld queren, das sich aber problemlos ohne Steigeisen meistern lässt.
Cluozza 058 Schneefeld
Die letzten 150m geht es wirklich ans Eingemachte. Das Geröll geht in losen Schutt über, der im allgemeinen das Prinzip 3 Schritte vor 2 zurück nach sich zieht.
Cluozza 062 Schutthalde
Die letzen 50 Meter muß ich Sabrina schon ordentlich am Hosenbund bzw. Rucksack festhalten und hoch schieben. Das kann sie noch nicht allein. Plötzlich ein Schrei von hinten und Ann-Sophie ist im Schutt ausgerutscht. Sie macht das einzig richtige: flach auf dem Bauch liegen, die Fußspitzen in den Schutt rammen, sich fixieren und mit den Händen nach einem Halt suchen, den sie auch oberhalb schnell findet. Ich frage, ob sie ok. ist und das allein schafft und das geht auch gut. So brauche ich Sabrina nicht an einem Fels fixieren und wir steigen die letzten paar Meter bis zum Pass weiter.
Cluozza 067 an der Fuorcla Val Sassa
Oben treffen wir auf die Zürcher Gruppe und machen kurze Rast. 2 ältere Frauen sind dermaßen demoralisiert und wegen des heiklen Schuttaufstiegs mit den Nerven fertig. Es ist ja klar, dass es auf der anderen Seite in ähnliche Manier wieder runter geht. Ich biete meine Hilfe an, jeden einzeln über eine äußerst schmale Schuttpassage zu führen, aber sie wagen es einfach nicht und beschließen, einen Helikopter zu rufen. Ich weise sie darauf hin, dass dies kein Notfall ist, ein Helikopter kein Taxi und die Aktion dementsprechend teuer wird. Aber das ist ihnen egal und der Heli wird gerufen.
Die Kinder denken sich natürlich: oha, da müssen wir runter und die Erwachsenen kneifen schon. Ich spreche beiden Mut zu und erinnere an all die schwierigen Passagen, die wir im Laufe unseres Berglebens schon gemeistert haben und wir machen uns vorsichtig an den Abstieg. Ich nehme beide Kinder an die Hand und so schaffen wir die äußerst abschüssigen 6m. Noch kurz um einen Felsen und die nächste Schotterhalde sieht schon viel flacher und begehbarer aus.
Inzwischen ist der Heli an der Fuorcla Val Sassa eingetroffen und hat die 2 Damen in Windeseile eingeladen und bringt sie zu Tal. Die Kinder sind stolz auf sich. Dazu haben sie auch allen Grund. Sie haben schließlich mehr Nervenstärke bewiesen als Erwachsene und haben die Situation in den Griff gekriegt.
Cluozza 068 Helieinsatz
Wieder eine Lebenslektion mehr! Durchkommen, Nerven behalten und improvisieren, wenn nötig.
Cluozza 069 wildes Gelände
Nach einer kurzen Pause führt uns der Weg weiter Richtung Val Trupchun. Vor uns liegen noch ein paar Stunden Wanderzeit. Es gibt noch einmal eine heikle Stelle an der ich fremde Hilfe gern annehme. Ein Couloir, das frei abgeklettert werden muß geht in eine steile Schotterhalde über. Sabrina nehme ich an die Hand, Ann-Sophie wird von einem hilfsbereiten Bergsteiger an die Hand genommen, bis das Gelände wieder einfacher wird.
Wir sprechen noch durch, was wir gemacht hätten, wenn die Leute nicht vorbeigekommen wären: ich hätte jedes Kind einzeln über die Halde geleitet bis an einen sicheren Standplatz und dann das andere nachgeholt. Alles klar für das nächste Mal. Es kommt nicht immer jemand vorbei, wenn man ihn gut gebrauchen könnte.