Leichte 4000er in den Walliser Alpen

Ludwigshoehe
Die SAN Hochtourenwoche im Wallis war ein voller Erfolg. Welche 4.000er dran glauben mussten und ob Hasei es verkraftet hat, dass er sich von Skifahrern überholen lassen musste, während er die 12-zackigen Rutschbremsen unter der Füßen hatte, beschreibt Eismann in seinem reich bebilderten Tourenbericht.

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Walliser Alpen / Schweiz
15.08.2009 - 21.08.2009

Sa
Anreise und Aufstieg zu den Weissmieshütten auf 2726 m.
Nach einer langen Anfahrt nach Saas Grund haben wir (Hasei, Birgit, Jens, Alex, Udo) uns an der Bergbahn zu den Weissmieshütten getroffen. Nach kurzer Auffahrt sind wir zu den Weissmieshütten aufgestiegen. Um gleich noch etwas Höhenanpassung zu betreiben gingen wir 200 hm über die Hütten hinaus. Denn wir wollten ja noch hoch hinaus ...

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Aufstieg zu den Weissmieshütten

So
Höhenanpassung auf bis auf 3600 m.
Zum Eingehen und zur Höhenadaption haben wir uns den Westgrat des Lagginhorns vorgenommen. Ohne Schwierigkeiten sind wir über einen Gletscherrest und in leichter Kletterei bis auf 3600 m gestiegen. (Axel und Udo reichte das noch nicht, ohne Führer sind sie bis auf 3620 m)

Im Abstieg haben wir auf dem Gletscherrest in herrlich weichem Firn noch Pickelbremse und Spaltenbergung bei einer 5er-Seilschaft geübt. Jens war ein begeisterter Rutscher. Wir konnten ihn kaum davon abhalten, den ganzen Gletscher zu planieren. Diese Auffrischung unserer Kenntnisse hat uns mehr Sicherheit für die nächsten Tage gegeben.

Nach der frühen Rückkehr auf die Hütte durften wir dann noch eine Rettungsaktion der Schweizer Bergwacht miterleben. 3 Wanderer hatten sich ohne Ausrüstung auf dem gegenüberliegenden Klettersteig zum Jegihorn verstiegen und mussten aus dieser misslichen Lage abgeholt werden. Zum Glück herrschte gutes Wetter und nach ein paar Versuchen konnten Sie aus der Wand geflogen werden.

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Rettungsaktion der Schweizer Bergwacht

Mo
3:45h Wecken! (ohne Worte)
Nach einem guten, nicht allzu üppigen Frühstück begann um 4:50h die Tour auf das Weissmies. Die 1300 hm, die vor uns lagen, flößten schon etwas Respekt ein. Nicht wegen der Höhenmeter (is doch ‘n Klacks), sondern wegen der endgültigen Höhe von 4023 m. Nach ca. 200 hm durften wir dann miterleben, dass man sich auf einem Wanderweg mitten in der Nacht im Schein der Stirnlampen doch verlaufen kann. Eine übermotivierte Gruppe, die nach uns gestartet war, ist an uns (Trinkpause) und der Abzweigung vorbeigezogen. Wir konnten noch eine ganze Weile die suchenden Lichtkegel der Stirnlampen beobachten, die den Weg nicht mehr fanden. Ab Hohsaas ging es dann mit Steigeisen als 5er-Seilschaft in steiler Spur hinauf auf das Weissmies. Mittlerweile konnten wir bei Tageslicht die gewaltigen Gletscherbrüche und die schöne Spaltenlandschaft bewundern. Bei phantastischem Wetter und gigantischer Fernsicht (die uns bis zum Ende der Tourenwoche erhalten bleib) standen wir auf dem Weissmies. In der Ferne konnten wir bereits unsere nächsten Bergziele ausmachen.

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In der Bildmitte ist die Signalkuppe zu erkennen

Nach kurzer Gipfelrast drängte Hasei schon wieder zum Abstieg. Nach ca. 250 hm im Abstieg wurden wir dann von einem Skifahrer überholt der mit uns aufgestiegen war. Das war für unseren armen Führer, der mit diesen schrecklichen 12-zackigen Rutschbremsen an den Füßen unterwegs sein musste, fast zuviel. Der Abstieg wurde dann durch keine weiteren Zwischenfälle gebremst und wir haben uns auf der Hohsaas-Hütte mit einer ordentlichen Rast gestärkt, denn wir wollten ja heute noch an den Lago Maggiore fahren.

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Wohlverdiente Stärkung auf der Hohsaas-Hütte mit Blick auf das Weissmies

Nach kurzer Rast und Einpacken aller auf den Weissmieshütten zurückgelassener Ausrüstung sind wir mit moderner, seilgebundener Abstiegshilfe nach Saas Grund gefahren. Von dort ging es über den Simplon Pass nach Baveno an den Lago. Eine Wellnessfraktion unserer Gruppe hat sich dort Hotelzimmer gesucht, während die harten Hunde Dolce Vita auf dem Camping Platz Parisi gemacht haben. Ein ausgiebiges Bad im Lago bei 32 Grad Lufttemperatur und optimaler Wassertemperatur hat dann auch die schmerzenden Beine des 1600 hm Abstiegs vergessen lassen.

Di
Nachdem wir keine Chance hatten, unser Ziel, das Rifugio Gnifetti, schon am Morgen zu erreichen, hatten wir am Dienstagmorgen noch Zeit zu ausgiebiger Planung unserer weiteren Gipfeltouren. Es sollten ja noch mindestens 7 weitere 4000er am Ende der Woche im Tourenbuch stehen. So haben wir uns bei 30 Grad Lufttemperatur mit Cappuchino, Baden im See und Spagetti Carbonara intensiv auf die bevorstehenden Strapazen vorbereitet.

Mittags starteten wir dann nach Alagna, wo wir uns von modernen Aufstiegshilfen innerhalb einer halben Stunde von 1190 auf 2980 m anheben ließen. Dann folgte ein langer Anstieg (eigentlich waren laut Führer nur 2 Stunden geplant) zum Rifugio Gnifetti (3647 m) an der Südseite des Monte-Rosa-Massivs. Dank Klimaerwärmung waren auf der langen Gletscherrest-Querung keine Steigeisen mehr nötig. Kurz vor der Hütte folgte dann der erste “Klettersteig” der Tour. Ein 15 m langer senkrechter Zustieg über Metallbügel zur Hütte, die mittlerweile hoch über dem Gletschereis thront.

Mi
Leider war dann schon sehr früh Schluss mit der Nachtruhe, denn wir wollten heute zur Capanna Margherita aufsteigen, der höchstgelegen Hütte der Alpen. Dabei standen noch so im Vorbeigehen zwei weitere 4000er auf dem Plan. Nach einem kargen, dafür aber viel Verpackungsabfall produzierenden Frühstück (wir waren ja jetzt in Italien), begannen wir bei milden Temperaturen unseren Aufstieg zum Balmenhorn (4167 m). Ab der Hütte gleich als Seilschaft auf dem jetzt hartgefrorenen östlichen Lis-Gletscher. Am Balmenhorn angekommen hatten wir wieder eine kurze versicherte Passage zur überdimensionalen Christusstatue zu überwinden.

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Zu Füßen der Christusstatue

Nach kurzer Rast ging es weiter Richtung Signalkuppe.

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Signalkuppe (links) und Parrotspitze.

Bergan mit leichtem Gegenanstieg in weiten eleganten Bögen ziehen sich die verschiedenen Aufstiegsspuren alle zu diesem magischen Punkt. Getreu der eisernen Akklimatisationsregel “Climb high, sleep low” haben Birgit, Udo und Hasei die Wellnessfraktion auf dem Colle Gnifetti auf 4450 m zurückgelassen um noch auf die Zumsteinspitze 4563 m zu steigen, die somit 9 Meter höher als unser Ziel, die Signalkuppe 4554 m mit der Capanna Margherita, liegt.

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Blick von der Zumsteinspitze hinüber zur Signalkuppe

Auf der Hütte hatten wir dann Gelegenheit im T-Shirt das Wettergeschehen mal von oben zu betrachten. Ebenso interessant waren 2 Kletterer, die recht mühsam den Südostgrat zur Signalkuppe heraufkletterten.

Die Sicht (hatte ich schon mal erwähnt, dass das Wetter geradezu überirdisch gut war) auf die umliegenden Gipfel war überwältigend. Klangvolle Nahmen wie Dufourspitze, Matterhorn, Dent d’Hérens, Liskamm, um nur einige wenige zu nennen. Im Südwesten der Gran Paradiso, im Westen das Grand Combin. Warum einem da die Luft wegbleibt, ist dann nicht mehr so klar ...

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Liskamm

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Und in der Ferne grüßt der Gran Paradiso

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Der Blick hinüber zum Matterhorn

Ein Kuriosum soll nicht unerwähnt bleiben. Die Margherita Hütte ist für den Fall eines Feuers mit dicken Hanfseilen ausgerüstet, mit denen man sich dann auf der Nordseite aus den Fenstern abseilen soll. Es ist aber ziemlich sicher, dass man mit den Hüttenschuhen (Skischuhe und Steigeisen sind ja unten) die ca. 150 hm der Nord-Westflanke der Signalkuppe hinabsaust. Also besser hoffen, dass die Hütte nicht abbrennt. Die Alternative auf der anderen Seite ist noch weniger attraktiv. Tritt man aus der Hüte, steht man auf einem Balkon unter dem sich die ca. 700 m tiefe Süd-Ostwand der Signalkuppe auftut.

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Der luftige Balkon der Capanna Margherita

Sehr gewöhnungsbedürftig, wenn man morgens noch ganz verschlafen nur mal schauen will, wie die Temperaturen so sind. Und dabei auch gleich noch eine Steinlawine miterleben darf und sich dann sagt, dass man Glück gehabt hat, dass die Hütte diese Nacht noch auf den paar Quadratmetern Gipfel stehen geblieben ist.

Do
Heute sollte dann der Höhepunkt der Tour folgen. Vier 4000er an einem Tag. Von 5h bis 6h gab es dann schon von der Capanna Gnifetti bekannte karge und verpackungsreiche Frühstück ... (wie gewohnt mit Zwieback, nur Hasei hat - warum auch immer - leckeres Weisbrot bekommen). Aufbruch von der Signalkuppe und zunächst 300 hm Abstieg ... um dann den eleganten Rücken der Parrotspitze 4432 m anzugehen.

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Aufstieg zur Parrotspitze

Nach kurzer Flanke stehen wir auf einem ca. 80 cm breiten Grat, den es nun zu überschreiten gilt. Hasei war bereit, uns zu sichern, aber sogar Jens, dem solch schmale Grate neu waren, hatte keine Probleme. Heldenhaft liefen wir konzentriert, sicher und langsam über die Parrotspitze. Danach folgte ein kurzer Abstieg und Zustieg zur Ludwigshöhe 4341 m.

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Die Ludwigshöhe

Dort waren wir nur kurz alleine ... dann kamen schon andere Seilschaften und drängten uns förmlich zum nächsten Höhepunkt. Dem Schwarzhorn mit seinem kurzen, aber 50 Grad steilen Anstieg.

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Blick von der Ludwigshöhe zum Schwarzhorn (Bildmitte) und zur Vincentpyramide, rechts “unten” das Balmenhorn.

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Blick von der Ludwigshöhe in Richtung Nordwesten, links der Liskamm

Wir hatten Glück. Die Verhältnisse waren optimal und so konnten wir ohne Sicherung als Seilschaft den Anstieg bewältigen und uns am Grat an die kurze Gratüberschreitung zur Gipfelmadonna machen. Hasei hat schnell ein Fixseil gelegt und wir sind alle, den Abgrund im Rücken, am Geländerseil hinübergeklettert.

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Blick vom Schwarzhorn zur Ludwigshöhe, Parrotspitze (ganz rechts), Signalkuppe (rechts), Zumsteinspitze (mitte) und Dufourspitze

Nach kurzer Rast am Gipfel haben wir uns aufgemacht zum letzten Hochtourenziel des Tages. Der breite Schneerücken der Vincentpyramide 4251 m hat schon die ganze Zeit herübergegrüßt und war eigentlich gar keine so richtige Herausforderung mehr für uns. Aber wir haben da die Rechnung ohne unseren Hasei gemacht, der oben angekommen, gleich mal den SW Grat der Pyramide für uns gecheckt hat.

Wir machten uns nach einem nochmaligen Staunen über diese phantastische Bergwelt an den SW Grat. Leichte Kletterei im 2ten Grad erwartete uns. Axel stieg gesichert ab und suchte uns den Weg. Der Rest der Gruppe folgte dann am Geländerseil. Leider kamen wir nicht so schnell voran wie wir wollten. Da der weitere Weg nicht einsehbar war und eventuell weitere Schwierigkeiten auf uns warteten, hat Hasei beschlossen abzubrechen und über den Normalweg abzusteigen. War trotzdem spannend. Wir stiegen dann an der Capanna Gnifetti vorbei ab bis zur Mantova Hütte, um dort bei einer ausgiebigen Pause zu beschließen, die Nacht im Tal zu verbringen, da für den nächsten Tag keine lohnenden Touren mehr zu machen waren. Schließlich mussten wir ja alle noch wenigstens 6h und mehr nach Hause fahren.

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Pause auf der Mantova-Hütte, wir hatten es uns verdient

Freitag blieb uns dann nur noch die Heimfahrt und ein wehmütiger Blick zurück.
Abschließend möchte ich mich bei unserer Hochtourengruppe Birgit, Axel und Jens für die schönen Touren bedanken, die sicherlich nur wegen des gegenseitigen Respekts und der aufgebrachten Toleranz so harmonisch verlaufen sind. Wir waren doch schon extrem unterschiedliche Charaktere . Ganz besonderer Dank gilt natürlich Hasei, der die Tour geplant und wie immer souverän und sicher durchgeführt hat. Ohne ihn wäre diese Woche sicherlich nicht so erfolgreich verlaufen. Nochmals herzlichsten Dank! Auch ich bin nun bestimmt einer der wenigen Alpinisten, die mehr 4000er als 3000er im Tourenbuch stehen haben. Na mal sehen, was wir im nächsten Winter unter die Tourenski bekommen. Hasei hat da so was angedeutet ...

 

mali, 16.09.2009 23:31