Tourenbericht: Niedere Tauern LWS 4

BergBärs’s Bericht von Hasei’s Skitourendurchquerung der Niederen Tauern, Steiermark, 13.02.2010 - 19.02.2010, oder halt auch nicht…

Wie an einem Fallschirm hängend schwebt Flöckchen sanft durch die Luft. Eine Wolke hat sie hoch oben ausgespuckt und nun ist sie auf der Reise zur Erde. Der Trip ist ganz cool, sind echt viele Kumpels dabei und es geht ganz sch?n was ab in der Luft. Geile Party. Jetzt machen wir mal richtig was los, denkt sich Flöckchen. Heute steppt Frau Holle. Selbst die Landung auf der Erde taugt echt, eine Menge Gleichgesinnter hat sich im Osten Österreichs schon in der Partylounge eingefunden und sie haben bereits eine ganze Gebirgsgruppe fest im Griff. Das rockt.

Gleichzeitig bahnt sich Bernie Byte seinen Weg durch Kupfer- und Glasfaserkabel. Irgendein Verrückter in Bad Reichenhall prügelt schon den ganzen Tag auf seine Tastatur ein. Erst hat er alle Schnee- und Wetterinfos aus dem Netz gesaugt wie Bob Marley den Dunst aus seinem Tabaktrichter und jetzt trommelt er auf den Buschtrommeln auf dass der ganze Urwald verrückt wird. Bernie Byte und seine Internet Paketdienst Kumpels müssen das dann wieder ausbaden. Mehr als 15 mal waren sie nun die letzten 12 Stunden wegen diesem Projekt im Einsatz. Dabei war der Rentnerwohnsitz im Bamberg noch am einfachsten zu finden. Dass der Typ in Ulm nicht daheim sondern in der Arbeit rum hängt war dann schon etwas schwieriger rauszufinden. Richtig anstrengend war es allerdings diesen Handlungsreisenden in seinem durch Süddeutschland cruisenden Passat immer wieder aufzutreiben. Bernie Bytes Kollegen vom Telefonservice haben es auch nicht leichter. Der selbe Verrückte aus Bad Reichenhall hat sich von ihnen inzwischen zu 50% aller im österreichischen Winter bewirtschafteten Hütten durchverbinden lassen.

So kommt es, dass drei Möchtegerneskibergsteiger und ihr verwegener Führer am vereinbarten Samstag nicht Richtung Wald am Schoberpaß sondern zum Matreirer Tauernhaus aufbrechen. Flöckchens Freunde Feierlaune ist es zu verdanken, dass sich die Niederen Tauern in eine Partyzone für Lawinen und zum Sperrgebiet für Skitourengeher verwandelt haben, Bernie Byte hat das mit seinen Kumpels wieder rumgerissen und zu einem Plan B verholfen. Für den Samstag morgen hatte sich besagter Führer dann aber noch eine Kennenlern- und Eignungsprüfungstour in seinen Hausbergen einfallen lassen. Nachdem die beiden jüngeren Teilnehmer selbst nach zusammengezählten 37 Stürzen auf der Latschenkiefer- und Fichtenwaldabfahrtsralley vom Zwiesel immer noch aufgestanden sind, wurden sie wohl als zäh genug für die höheren Aufgaben eingestuft. Auf der Fahrt zum Felber Tauern Tunnel wird noch der Umplanung von Durchquerung auf Stützpunkt Rechnung getragen und ein Discountmarkt um etliche Liter gerstenbasierte isotonische Erfrischungsgetränke und etliche Kilo Schoki erleichtert.

Die drei Teilnehmer auf dem Zwiesel (v.l.n.r. Reiner - BergBär, Paul, Jürgen -Jogi74)


Abfahrtsralley durch Latschen


Der Chefe - immer Online


Der Hasei hat den ersten Tag für die Erkundung der tatsächlichen Bedingungen auserkoren. Landschaftlich ist der Weg das Tal hinter nach Innergschlöß ja sehr reizvoll, dem Skifahrer aber ein Greul, da ein entsetzlicher Talhatsch. Letzen Sommer lies sich die Streckenwanderung noch durch eine Kutschfarhrt elegant umgehen, im Winter gibt es leider nicht genügend holländische Teenager und deutsche Rentner um einen kostendeckenden Fahrbetrieb aufrecht zu erhalten. Um uns nicht am ersten Tag schon zu verausgaben verzichten wir auf den Gipfel und machen an einem Sattel unter der Roten Säule Rast und kehrt. Ausblicke auf einige der höchsten österreichischen Berge, darunter der Großklockner und der Großvenediger, entschüdigen für das entgangene Gipfelglück.


Aufstieg zur Roten Säule

Ein Riesenhaufen aus Eis und Schnee: der Großvenediger (der Gipfel ist der hinterste Schneehügel)

Österreichs größter: Der Großglockner, Blick auf den Stüdelgrat


Leider notwendige allabendliche Kompensation von Energie- und Flüssigkeitsdefiziten…

Es ist Montag und endlich Zeit für einen gscheiten Berg. Haseis vorabendliche Planungssession mit Karten, Skitourenführern und Online-Wetter- und Lawinenlagebericht hatte gestern den Hochgasser, einen fast Dreitausender, ausgespuckt. Wir haben erneut ein Traumwetter und schaffen es heute auch tatsächlich auf den Gipfel. Hasei Tourenbucheintrag sagt alles: ‘Was für ein Traumwetter und Lawinensituation genau so wie am Vortag ausgekundschaftet. Sicht bis in die Heimat, aber auch die Dolomitengipfel ganz nah. Geschweige denn Großglockner, Großvenediger usw’. Der Hasei ist halt schon ein Tourenführer der Luxusklasse. Selbst bei einer völlig spontan komplett umverlegten Tourenwoche und einer dreier Lawinenlage zaubet er noch solch schöne und vergleichsweise einsame Trips aus seinem Zylinder.

Die Aussicht vom Gipfel sieht in der Praxis dann so aus:

 


Oben auf dem Hochgasser


Stimmungsaufhellende weise Substanz in Pulverform mit sechs Buchstaben? _ _ _ _ _ _


Leider physiologisch notwendige allabendliche Kompensation von Energie- und Flüssigkeitsdefiziten…

 

Während wir den Montag Abend in der Sauna ausklingen ließen hat uns der Hasei in Echtzeit in SAN Tourenbuch eingetragen und uns nebenbei die Tour auf die Ammertaler Höhe geplant. Die Erfindung der Arbeitsteilung hat tatsächlich zu einer Erleichterung der Lebensumstünde geführt. Sehr angenehm. Zumindest für manche. Erneut macht ein Traumtag mit Traumwetter seine Aufwartung. Die ca. 1350 Höhenmeter sind auch heute wieder mit einigen einsamen Streckenkilometern durch langgestreckte Seitentäler verbunden. Eine friedliche Gipfelrast wird uns allerdings auch heute wieder durch eine steife Gipfelbrise vermiest. Die Bedingungen auf der Abfahrt sind eher wechselhaft. Das vorauseilende Powdertrüffelschwein findet aber wieder einige gut versteckte unzerpflügte Traumhänge.


Windiger Materialumbau am Gipfel vor der Abfahrt


Abfahrtsfreuden


Abendliche Fellpflege: Paul wäre wohl auch eine gute Katze geworden


Rast auf einem Felsklotz

 
Es ist der Mittwoch, der zum Höhepunkt der Tourenwoche werden soll. Zum ersten mal wollen wir mit einer 1600hm Tour auf den Grauen Schimmel die 3000er Marke knacken. Um zum Ausgangpunkt der Tour zu gelangen setzen wir mit dem Auto um. Unser Auto ist das einzige an dem kleinen Partzplatz, das verspricht eine einsame Tour. Wenig später wissen wir auch warum: die ersten 400hm muss man durch engen steilen Wald, auf einem schmalen Wanderweg, zu Fuß und mit den Skiern auf den Rücken. Als wir endlich die Skier vom Rucksack nehmen und an die Füße schnallen können sind wir erst mal erleichtert. Die Freude ist aber nur von kurzer Dauer. Wir treffen auf ungespurte Hänge voller Triebschnee. Schon schnell wird unserem Tourenführer klar, dass die Wühlarbeit durch dieses haltlose Zeug verbunden mit der erheblichen Lawinengefahr nur zu einem Abbruch führen kann. Wir haben keine Chance auf den Gipfel, drehen um für eine kurze Abfahrt und tragen dann wieder die Skier auf den Wanderweg runter. Das war’s dann.
Um den jungen Tag noch zu nutzen fellen wir nach kurzer Fahrt erneut auf. Es geht auf die Staudleralm. Die Hoffnung die Murkstour vom Morgen bei einen schönen heißen Schokolade und einem Apfelstrudel auf der Sonnenterasse genießen zu können verfliegt bei der Ankunft an dieser. Wir machen zwar eine ausgiebige Pause bei Kaiserwetter, natürlich ist die Alm im Winter aber unbewirtschaftet und so müssen wir uns mit den Müsliriegeln und dem Tee aus dem Rucksack begnügen.



Fußaufstieg


Das Leben ist hart


Aussicht hat es auch keine gescheite


Der Hasei war noch nie auf der St. Pöltner Hütte und hat diese für den Donnerstag als Ziel auserkoren. In heimlicher Hoffnung auf einen Cappucino und Apfelstrudel dort sind alle sofort dabei. Bisher war nämlich für die Wellnessbergsteigerfraktion noch kein so wirkliches Einkehrschmankerl dabei, also genau genommen gab es noch gar nichts zum einkehren. Für manche stellt sich immer stärker die Motivationsfrage: warum sich denn auf den Berg bemühen, wenn es da oben nicht einmal eine kulinarische Belohnung gibt? Schnell wird klar, dass die Wahrscheinlichkeit den bei Sonnenschein auf der Terrasse genießen zu können sehr klein sein wird. Es ist wolkig und warm. Erst geht es flach das Tal in Richtung Innergschlöß hinein, dann rechts abzweigend steil einen Aufstieg durch einen Wald hinauf. Eine Kuppe mit eisigem Harschdeckel verschafft uns eine Übungseinheit für Spitzkehren im Steilgelände. Sogar unser Tourenführer muss seine Stecken bemühen um die Skier in die andere Richtung zu zwängen. Bei viel Wind und leichtem Schneefall setzt sich der Weiterweg durch ein langes Seitental mit moderater Steigung fort. Die Hochspannungsleitung, die unseren Weg teilt, surrt laut aufgrund der feuchten Luft. Sturmartiger Wind bläst uns bei der Ankunft an der in einem Joch liegenden St. Pöltner Hütte entgegen, nix Sonnenterasse. Auch die Hütte ist zu, welch Enttäuschung.
Vor die Hütte kauernd nehmen wir ein paar Bissen und einen Schluck Tee zu uns um dann schnell die Abfahrt anzutreten. Schnee und Sicht wetteifern heute darum, wer von den beiden die blöden Skifahrer am meisten ärgern kann. Hasei hat heute morgen im Aufstieg für die Abfahrt einen besonders schönen Hang ausgemacht. Dieser hat leider den Preis eines Zwischenanstiegs und was von unten so verlockend aussah wartet von nahem betrachtet mit jeder Menge schicken Bruchharsch und einigen wenigen passablen Strecken dazwischen auf. So lernt man zwar das Skifahren, der Wellnessanteil lies aber doch insgesamt sehr zu wünschen übrig.



Spitzkehre im verharschten Steilgelände, oh wie schön.


Geträumter Capucino und Apfelstrudel auf der St. Pöltner Hütte.


Um die Ernährungssituation nicht zu einseitig zu gestalten haben wir heute den Wirt Prosecco im Keller suchen lassen (v.l.n.r.: Hasei, Jürgen alisa Jogi74, Reiner alias BergBär, Paul)


Freitag ist der letzte Tag unserer Tourenwoche. Heftige Windböen um die im Tal liegende Hütte begrüßen uns an diesem Morgen. Eine recht unfeine Art uns zu verabschieden. So beschließen wir auch gleich die Tour heute nicht mehr von der Hütte aus zu machen sondern in die auf dem Nachhauseweg liegende Kitzbühler zu verlegen. Franz macht sich mit Jürgen und Paul auf den Hahnenkampl. Der Reiner hingegen kapituliert vor dem durchwachsenen Wetter und der Druckstelle an seinen Füßen, an der sich eine Niete im Skischuh inzwischen bis auf’s Fleich durchgebohrt hat. Nur so kann es passieren, dass die Tourengeher die einzige Einkehralm der ganzen Woche verpassen. Der sich mit Schaufensterskifahren und Schnäppchenjagd in Kitz begnügendem Reiner lässt es sich da kulinarisch besser gehen. Auf dem Rest der Heimfahrt erfährt er, dass der Schnee so toll war, dass die Jungs bei der Abfahrt die Rodelbahn den freien Hängen vorgezogen hatten. Wie schade eigentlich, ein eher unwürdiger Abschluss einer tollen Tourenwoche.



Schaufensterskifahren


Schnäppchen a la Kitz

mali, 16.03.2010 23:17