Ortler Nordwand - die längste Praline der Ostalpen!

Uwe braucht zwar deutlich länger dafür, einen Tourenbericht zu schreiben, als die Ortler Nordwand selbst zu durchsteigen, aber dafür trägt der Bericht eindeutig seine Handschrift. Hier also mal ein Bericht äber eine gelungene Ostalpenunternehmung der größeren Art, der seinen Platz auf der Startseite wirklich verdient hat. Leset und staunet ...

Die großen und die kleinen Dinge

oder was eine Mail alles verändert

 

Kapitel eins: Sie haben eine neue Mail

‘Hey Uwe, hast du nicht Lust noch zum Saisonschluss die Ortler Nordwand zu machen, die Bedingungen sind sehr gut und das Wetter soll nächste Woche auch passen.’

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Kurz und knapp war der Wortlaut von Rainers Nachricht, doch er zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Also schnell den Hörer in die Hand und erst einmal alle Unklarheiten beseitigt.
Es traf sich hervorragend dass ich kommende Woche eh meine letzten Urlaubstage in den Bergen verbraten wollte.  Eigentlich um Hasei bei den Skitouren Hm zu ärgern, aber ne Nordwand hat da eindeutig den größeren Stellenwert.
Am Mittwoch Mittag war Ich nun verabredet um meine Grenzen wieder einmal neu zu definieren und als Rainer mir noch versicherte das die slowenische Frauennationalmannschaft im Dalladingensda auch auf der Tabarettahütte sei konnte ich es kaum erwarten endlich nach Sulden zu kommen.

 

Kapitel zwei:  Warten auf Godot

Doch zunächst standen noch ein paar Touren im Kaunertal auf dem Programm,  die in Ermangelung von ausreichend Schnee sich eher im Pistenbereich befanden.  Zwei Tagen waren war genug um alles was machbar war auch zu befahren, drum fuhr ich montagabends mit meiner ganzen Familie einmal um den Block und plagte unser altersschwache Womo noch in der Nacht nach Sulden hoch.
Schön ist es dort,  auch ohne Schnee, doch ich hatte ja einen Ruf zu verlieren und so machte ich mich dienstags auf etwas Höhenluft zu schnuppern und meine Skitourenstatistik etwas aufzupimpen.
Nächstes Jahr mach ich da aber nicht mehr mit! Grrrr. Denn wie bescheuert muss man sein bei dem wenigen an weisem Gold ne Skitour zu machen.
Also mit dem Bike erstmal die steinige Piste hoch bis weit nach der Mittelstation um endlich etwas Weises zu sehen. Zu Fuß noch bis 2400m hochgestolpert um dann endlich die Ski an die Schuhe zu schnallen. Ich machte mir auch keine Illusionen das es zum abfahren reichen könnte doch es zählen ja die Höhenmeter und nicht die der Abfahrt.

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Vorbei an den tosenden Schneekanonen kam ich richtung Madritschjoch schnaubend und prustet nicht richtig in schwung und so mußte ich meine Umkehrzeit mehrmals grosszügig nach hinten verschieben um überhaupt noch auf diesen blöden Drecksgipfel von Schöntaufspitze zu kommen.
Über die Abfahrt möchte ich hier lieber kein Wort verlieren, man könnte mich sonst in schlechter Erinnerung behalten.

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Kapitel drei: Wo ist denn Slowenien

Zumindest taten mir am Mittwoch so die Knochen weh, das ich den ganzen Vormittag in der Sonne beim Shisha-qualmen vorm Womo verbrachte, während mein Engel mein Material auf Vollständigkeit und ordnungsgemäßen Zustand überprüfte. Ich sollte ja auch heil wieder zurückkommen. (Der Vorteil eines zu niedrigen Risikolebensversicherungsschutzes ).
Ein Glück das Rainer nicht lange auf sich warten lies, sonst wäre ich noch mit lauter Qualmerei an Kohlenmonoxydvergiftung gestorben.  Doch so wurde noch mal kurz ‘Hallo’ gesagt,  alles ein und umgeladen und schnell zur Kirche gefahren. Schließlich hat man Morgen Abend bestimmt keine Lust noch mal fünf Km dranzuhängen um zum Seilbahnparkplatz zu kommen.
So steuerten wir zielsicher über den Weg Nummer vier unser Etappenziel an. Ein kleines unbeheiztes und mit willigen Frauen (die in Aussicht gestellten Sloweninnen) belegtes Zimmer, mit grandioser Aussicht auf das Tal und die Berge.

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Noch was Leckeres zu Essen warmgemacht, denn dank Manu gab’s vorgekochte Pasta al Ragout, und noch etwas von dem nicht gelben Schnee gesucht, denn so ein heißer Cappu braucht’s schon bei 6°C Raumtemperatur.
Welches Bettchen nehm ich denn?  Die gab es in unterschiedlichsten Matratzenvariationen, von Waldbodenbretthart über Wasserbettschwammig bis zu Hängemattendurchhänger.
Ich Entschied mich für den Durchhänger, und während die Ecken der Matratze sich langsam um meinen Schlafsack schlangen, kam ich mir vor wie ne Fliege in der Venusfalle.

 

Kapitel vier:    Neuer Tag neues Glück

Pünktlich um 3 riss der Wecker uns aus dem Schlummer, doch das aufstehen in dem saukalten Raum war keine Freude. Ich schaffte es dann auch unter vollem Körpereinsatz mich aus meiner Falle zu befreien um mit dem Suppenfrühstück zu beginnen.
So gegen vier ging es dann hinaus in die wilde Bergwelt, noch ohne Eisen an den Füßen, dafür mit Rainers neuer ‘Lupine macht die Nacht zum Tag’ Stirnlampe Richtung Einstieg. Hätte der Volkssturm solche Leuchten gehabt, wer weiß, man hätte die Frauenkirche vielleicht nicht wieder aufbauen müssen.
Auf der nicht enden wollenden Querung brachte es Rainer sogar fertig seine Gehilfe (er ist ja schon über vierzig) mit purer Muskelmasse so zu übervordern das diese augenblicklich den Geist aufgab.
Wir bestatteten Sie artgerecht. Und nach kurzer Andacht über das viel zu kurze Leben dieses Stockes ging es auch schon tapfer durch die Dunkelheit weiter, wir hatten für heute ja noch eine Audienz mit dem König.
Aber wo zum Teufel ist den dir richtige Rinne, die zur Glückseligkeit führt?  Da kann man sich tags zuvor die Strecke noch so in Hirn brennen, in stockfinsterer Nacht sieht dann alles anders aus.
Nämlich schwarz
Na endlich. Herab rieselnder Schnee und kullernde Steine wiesen uns den rechten Weg. So stapften wir anfangs noch in kleinen Spitzkehren nach oben um uns geschützt hinter der Randkluft noch mal so richtig aufzuhübschen.
Die Schuhe wurden mit Zwölfendern geschmückt und die faden Riemen der Stöcke mussten den Edleren Schlaufen der Eisgeräte weichen, man wollte doch standesgemäß zur Majestät.
Und da man bei so ‘ner langen Tour nie Zeit genug hat und es in der unteren Engstelle auch ungemütlich sein soll wenn es von oben aus dem Eisbruch mal wieder nachschlag gibt, trieb mich Rainer vor sich her, wie er mir versicherte nicht zum spuren, sondern nur um sich zu vergewissern das meine Technik der heutigen Lehrmeinung entsprach.
‘Jetzt mehr links??’ ‘Und dann gleich wieder rechts?’  So was kannte ich sonst nur von Zuhause. Aber es war auch das einzig wahre um nicht mitten in der Schusslinie zu stehen.
Stapf-keuch-stapf-und immer wieder Steine die wie Hagel auf den Helm prallten, noch nie war Er so wertvoll wie heute. Gedanken gingen mir durch den Kopf:
‘Wie war das nochmal???’ Ach ja, wen es von oben kräftig donnert bleiben noch zehn bis zwanzig Sekunden bis das Eis bei uns unten ist. Für ‘nen letzten Anruf zu kurz, zum Schutzbunker graben wird’s auch nicht reichen.  Also muss im Falle eines Falles das Vertrauen in den halt der Haue und der Eisen herhalten. Sich lang machen, wie witzig, dabei schmerzen ja die Steinchen schon wenn sie auf den Bizeps prallen, wie ist das dann erst bei richtigen Eisbrocken?.Ich will’s gar nicht wissen.
Doch welch Wunder, der Beschuss wurde weniger als der enge Schlauch sich öffnete und man Seitlich ausweichen konnte. Endlich raus dem Scheiß und etwas Speed rausnehmen. Doch etwas komisch war das schon, auf einmal gar kam gar nichts mehr von oben. War das die Ruhe vor dem Sturm?
Nein, nicht wirklich. Denn kurze Zeit später tauchte über uns etwas Dunkles und bedrohliches auf. Ne massive Wand aus Stein, haben wir Helden uns etwa in ‘ner Eiswand verstiegen. Kratz, kratz, das darf man ja gar keinem sagen aber was soll’s.
So kamen wir in den Genuss mit den Steigeisen noch etwas auf dem Fels rumzukratzen um in die Richtige Rinne, die sich rechts hinter der Rippe befand zu gelangen. Das war auch Kratz fatz erledigt und weiter ging’s in prächtigem Trittfirn der so langsam aber sicher immer steiler wurde nach oben.
Als die Dämmerung die rabenschwarze Nacht vertrieb war es Zeit für ein paar Fotos damit wir unsern Enkeln auch zeigen können was der Opa früher für ein Held gewesen ist. Rainer war das sogar so wichtig dass er seine Digicam ausnahmsweise auch mal mit hatte. Hätte er mal lieber noch nach dem Akkustand geschaut. Es hat wohl nicht sollen sein, und so bekam ich zu meiner Haupttätigkeit (Seilträger) noch ‘nen Zweitjob, Ich war es ja schon gewohnt.

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Kapitel fünf: Das Band des Vertrauens

Über uns leuchteten die Seracs golden in der Morgensonne, der Motivationstank war wieder randvoll und es lief einfach prächtig. Ich fühlte mich großartig, ich war bereit, bereit auch mal vorzusteigen, wenn es denn nicht allzu schwer werden sollte.
Oh wie sehr man sich doch irren kann.
Nicht das ich mir Illusionen über die Länge und die Steilheit der Tour gemacht hätte. Nein, ich bin nur davon ausgegangen das ich nur zur Motivation und zum Sichern dabei sei.
Mir wurde schnell klar dass daraus nichts werden würde, als wir an der Engstelle angekommen waren und das Eis langsam aber sicher härter wurde. Von hier an mit Seil, man wollte die Mission nicht zum Scheitern verurteilen,  denn es war für einen von uns der letzte Versuch die Wand zu knacken.
Er: ’ Hast du schon mal im Eis gesichert? ’ 
Hää?    Kam da ein Problem auf mich zu?
Ich: ‘Wie denn, ich bin doch immer alleine unterwegs’
Er: ‘Auch gut,  pass mal kurz auf ich erklär’s dir g’schwind’
Schnell noch mal Reihenschaltung, zentraler Fixpunkt und noch ein paar andre Kleinigkeiten geklärt, und eh mich versehen konnte wurde ich mich mit dem Seil am Gurt und den Eisschrauben um den Hals in die ‘weise Hölle am Piz Palü’  geschickt?Scherz?es war wohl eher ein Kaffekränzchen bei seiner Eminenz.
Doch zuerst nochmal etwas getrunken und sich etwas in die Kauleiste geschoben, es würde für lange Zeit das letze Mal sein das man die Muse das hätte.
Nach ein paar Metern kam auch schon etwas Sicherheit auf und ich fand Gefallen daran meine formvollendeten Geräte in Das kalte Eis zu treiben um mich mit unbeugsamen Willen und dem Verlangen der Wand zu zeigen wer hier Herr über die Naturgesetze sei nach oben zu bewegen. Das ganze hielt aber nur bis zur zweiten Zwischensicherung, bei der ich zu der Überzeugung kam das billige Ukrainische Titaneisschrauben nur was für Wodka benebelte Osteuropäer sind.
Selten so eine Unbeugsame schraube in den Händen gehabt, die war zu blöd um zu wissen das Sie ein Rechtsgewinde besaß und weigerte sich vehement ins Eis zu gehen. Ihr war wohl zu kalt?Blödes Teil. Es schaute zwar noch die Hälfte raus, doch was so schwer rein ginge würde auch drin bleiben.
Schnell waren die 60 Meter Seil aufgebraucht und ich baute alles nach bestem Gewissen zum Nachstieg zusammen. Besonderen Spaß hatte ich bei Rainers Fluchorgie über die wie einbetonierte Drecksschraube. Doch für diese war die Tour gelaufen, den für Rest des Tages bekam Sie Gurtarrest und dufte Ihren willigeren Schwestern beim rein und raus gleiten zuschauen.
Tja selber schuld. Das dumme Teil. Apropos dumm, dumm war auch das es jetzt knapp wurde mit den Tollen Teilen, Zwei für den Stand und es blieben nur noch drei zur Mitnahme?Oh oh?davon sollten ja wieder zwei den Neuen Stand sichern.
Toll, da spart man sich das zeitraubende Zwischensichern, denn so Gruppe Eingeborener ist mit den Seilen im Rucksack an uns vorbeigezogen das man neidisch werden könnte.
Diese Cracks hatten sogar noch die Luft um sich den neuesten Tratsch aus der Umgebung zu erzählen. Na ja Schwamm drüber, die waren ja schließlich auch noch jünger.
Nach der ersten steilen Rampe an der Engstelle ging es wieder etwas überschaubarer weiter und schließlich gewöhnte man sich auch an die Steilheit. Dank der Klimaerwärmung war aus den ehemals mächtigen Eiswülsten die die Machbare Route doch sehr einschränkten nur noch laue Rampen übrig die wir dennoch gekonnt umschifften.
Mal nach links mal nach rechts ausweichend aber dennoch immer streng nach oben hatte dieses Hakenschlagen noch den unschlagbaren Vorteil dass die surrenden Eisufos des Vorsteigers am Hintermann vorbei in die Tiefe donnerten.
Und ausgerechtet am steilsten Stück durfte ich wieder ran und wie sollte es anders sein,  mitten im über 80° steilem Gelände verabschiedete sich meine Vorstiegsmoral. Alles durchatmen half nicht ich musste noch ne Schraube setzen doch zuerst hackte ich mir eine Anständige Trittstufe und versenkte das Eisgerät bis zum Schaft im Eis.
So hing ich nun einhändig da und pfriemelte mit zitternden Händen das Teil ins Eis, was mir schlussendlich auch gelang, aber zu welchem Preis und alles wegen den paar Metern, denn am Ende der Seillänge hatte ich nur noch eine Schraube über.  Folglich schlug ich die Schollen noch etwas großzügiger weg um der Schraube ein knallhartes Fundament zu geben, als Hintersicherung machte sich das Eisgerät bezahlt und sowieso wenn ich das sturzfrei geschafft hatte wäre das für Rainer ja gar kein Akt. Und so war es auch.

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Kapitel Sex (öh sechs): Voll auf die Zwölf

Das lief heute ja prima, das müsste doch auf zu schaffen sein, aber viel länger dürfte die Wand auch nicht sein. Wollte allerdings meine Beanspruchung nicht zeigen und setzte ein dauergrinsen auf, das wegen der zapfigen Kälte auch wie Permanent Makeup in der Fresse blieb.
Rainer machte sich gerade daran das nächste Steilstück zu bearbeiten, ich freute mich dass meine Finger wieder einmal aufgetaut waren und schaute interessiert den mit einem Brummgeräusch an mir vorbeizischenden Eisschollen zu die von der schnellen Truppe stammen müssten.
Mal wieder schauen was Rainer da so macht.
Ein Blick nach oben.
Noch kurz was Weises gesehen.
Und Zack, schon voll was aufs Gesicht bekommen.
Fühlte sich nicht gut an, doch nach dem abtasten der Kauleiste mit der Zunge lehnte ich mich beruhigt in die Sicherung. Alles noch drin und am richtigen Platz. Tja das hatte ich davon, von meiner relaxten Rumschauerei.

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Wie man sieht, sieht man nichts, also alles wieder mal in die Abteilung ‘Wehleidige Männer’ geschoben. So genug mit dem Selbstmitleid, die Mission hatte schließlich Vorrang.

 

Kapitel sieben: Das Licht am Ende des Tunnels

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Und wie im Führer beschrieben neigte sich die Wand auf den letzten Metern zurück in die Horizontale, wenngleich immer noch über 45° kam es und vor wie Gehgelände. Ich kam mit Seil ausgeben gar nicht mehr nach und irgendwie lag schon die Gipfel Euphorie in der Luft.
Apropos Luft, die gab es auf dem Letzten Schneegrat zu Hauf und das mit richtig viel Schwung um die Ohren. Man hätte jetzt auch aufs Seil verzichten können, wir wollten aber so kurz vor dem Ziel nichts Unnötiges riskieren und beschlossen mit langem Seil und Zwischensicherungen den Rest zu bewältigen.
Während Rainer mir noch durch den tosenden Wind zuschrie ich solle auch Schrauber verwenden, sah ich schon das nahende Ende des Schattendaseins. Es tat so gut die wärmenden Sonnenstrahlen im Gesicht zu spüren. Man o man es war vollbracht. Jetzt noch schnell den besten aller Älbler nachsichern um in überglücklich in die Arme zu nehmen. Wir beglückwünschten uns gegenseitig über die vollbrachte Heldentat und Rainers Erleichterung, dass er diese Wand endlich abhaken könnte, war Ihm wirklich anzumerken.
Und während wir es auf den letzten Meter Richtung Gipfel gemütlicher angingen Liesen, kreiste wie in einem kitschigen Berg Film ein lautlos dahingleitender Segelflieger über unsere Köpfe. Das nur mal so am Rande bemerkt

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Um schlapp kurz nach Eins sind wir dem König dann aufs Haupte gestiegen und bei toller Sicht suchten wir uns ein hübsches Plätzchen um den Rundumblick zu genießen.
Meine Mitgeschleiften Schokoriegel hatten jetzt die richtige Konsistenz und auch der Tee war nicht mehr so heiß das man sich die Gosche verbrennt.
Perfekt .
So soll es sein so soll es bleiben, so hab ich es mir gewünscht. 

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Kapitel acht: Der lange Weg der Leiden Schaft

Wir Liesen die Nordwand Begehung noch mal Revue passieren und klönten auch sonst noch über Gott und die Welt. Nur um den Abstieg über den pippi Normalweg machten wir uns wenig Gedanken. Wir hatten ja ein paar fähige Leute vorgelassen, die würden das schon richten. So war es schon zwei Uhr als wir unser Hintern wieder aus dem Schnee erhoben und uns an den Abstieg wagten.
Es ging über den oberen Eisbruch mit klaffenden Spalten die uns verschlingen wollten, doch gekonnt sprangen wir über diese und mir wurde immer bewusster was für ein Risiko ich vor ein paar Jahren bei meiner ersten Solo Begehung eingegangen bin.
Die Abseilstelle am kleinen Biwak hatten wir gar nicht benutzt da genug weises Zeugs rumlag um per Pedes ins Bärenloch abzusteigen. Man, so kack lang hatte ich das gar nicht in Erinnerung. Runter rauf und wieder von vorne.  Spassfaktor 0,0 und dazu noch der Schneebedeckte Untergrund. Echt ätzend.
Es kam sogar so weit das wir mehrmals das Seil wieder aus dem Rucksack nahmen, was mir gar nicht unrecht war. Denn nachdem ich auf ‘ner Platte ins Rutschen kam und mich grad noch so eben an ‘ner Felsnase festhalten konnte, war ich nicht unbedingt sicherer geworden.
Doch auch der Schrott war irgendwann vorbei und man sah die Payer Hütte schon in greifbarer Nähe. Nur die eine, letzte Traversierung, die war jedoch genau so ein Kack, wer kam den auf diese Drecksidee.
Mit letzter Willenskraft schleppten Wir uns (mal wieder voll übertrieben) auf die Hüttenterrasse. Rainer packte obligatorisch seinen Kocher aus um Schnee in einen anderen Aggregatzustand zu versetzten und sich ‘nen Cappu zu machen. Mir jedoch verging die Lust nach Nahrungsaufnahme als ich bemerkte das mein ganzes Gemüsebrühe pulver sich im Rucksack breit gemacht hatte, und eine feste Verbindung mit allem was sich drin befand eingegangen ist.

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Etwas Flüssiges war ja noch in meiner Blechkanne, und schließlich kann es sich ja nur noch um ein paar Minuten bis ins rettende Tal handeln. Während wir jetzt weiter auf dem nun breitem Bergweg den riesen Bogen drehten ging über dem Stilfser Joch die Sonne unter.
Schattig war es auf der Nordseite, doch der Weg gut sichtbar und nach dem Motto ‘Nur noch eine Kehre’ ging es abwärts.
Ja Leck mich am A - waren da etwa Stirnlampen an der Tabaretta Hütte zu sehen. Bloß keinen Schritt weiter, dachte ich, als eine der Leuchten Richtung unserer Notdurft Ecke unterwegs war. Das nur so am Rande bemerkt.
Das müssen sie sein! Die vierzig Jungfrauen die einem Versprochen wurden wenn man in den heiligen Krieg zieht und gegen böswillige Nordwandgeister kämpft. Oder war das die verspätete Nationalmannschaft?..Wir gingen etwas schneller, obwohl die Sohlen schon ganz schön brannten.
Nach unzähligen Geländerippen bei denen die Hütte nur sehr gemächlich näher kam erreichten wir endlich die Terrasse der Tabaretta Hütte und wurde auch sehr freundlich begrüßt. Leider waren weit und breit keine Weiblichen Wesen, doch die zwei Tschechen gaben sich alle Mühe uns Gebührend zu empfangen.
Sie hatten uns zu unserer Überraschung frischen Tee gekocht und zum Ausgleich für diese barmherzige Tat bekamen Sie von uns die neuesten Infos zur Tour. Es gab als noch genügend Verrückte auf dieser Welt die so spät im Jahr diese Wand machen wollten. Es wurde sogar noch richtig lustig wenn gleich die Verständigung sich manchmal als etwas schwierig erwies.
Doch wir hatten noch etwas Abstieg vor uns und so sagten wir ‘Ahoi’ und gingen wieder raus in die dunkle Nacht. Manchmal siegt die Faulheit, bei mir leider zu oft, darum packte ich meinen kleinen Daypack nicht mehr in den großen Rucksack um, sondern schnallte diesen Huckepack auf meinen schon mit dem Rückenmark verwachsenen gelben Warnrucksack. Welch grandiose Idee.
So wurde mir der Abstieg in die Zivilisation nicht langweilig weil ich die ganze Zeit damit beschäftigt war alles auf den Schultern zu behalten.
Der Weg Nummer vier der sollte uns ans CO- Monster bringen, das bei der Kirche stand, doch grade eben diese mit Ihrem Turm war nicht zu erblicken. Es konnte sich nur noch um Stunden handeln und eine grauselige Erinnerung machte sich in mir breit beim Gedanken an mein erstes Mal Ortler und den nie enden wollenden Rückweg. Bei letzte Mal musste ich mich in eine Art Trance Zustand versetzten um nicht völlig kirre zu werden. Doch soweit sollte es diesmal nicht kommen. Das wollte der Weg nicht zulassen und er gab sich richtig Mühe indem er das Schmelzwasser unter der Lärchennadelschicht gefrieren lies. Das durfte doch nicht Wahr sein, sollten wir hier unten im Wald etwa nochmal die Steigeisen auspacken.
Never   ever?.
Doch so manches Mal kamen wir gehörig ins Schlingern und nur die Stöcke verhinderten blaue Flecken am Allerwertesten.

 

Das allerletzte Kapitel: Wenn’s mal wieder länger dauert

Der Turm.
Die Abkürzung.
Der Parkplatz.
Und schlussendlich, das Auto.
Noch nie war es so wertvoll wie heute. Alles abrödeln die Decksschuhe runter und rein in die Wohlfühlgaloschen.
Das Leben kann so schön sein. Noch ‘ne kurze fahrt Richtung Bergbahn und sich von Frau und Kind erst mal euphorisch als Helden feiern lassen.
Da scheiß ich doch auf die Jungfrauen mit samt der Nationalmannschaft, bei so einem Hammerempfang. Manu versorge uns mit Gebäck und jede Menge frischen Espresso. Doch selbst die Aussicht auf ein warmes Bett im Womo lies Rainer nicht von seinem Vorhaben abbringen, nach der Tortur noch die Heimfahrt anzutreten.
Tja, das ist das harte Los eines Geschüftsführers*grins*. Und so verließ er uns kurze Zeit später um die Heimreise in Angriff zu nehmen. Während ich noch eine wohlverdiente Shisha im Rotzkocher dampfte um wenig später mich wie Tot ins Bett zu legen.
Doch wie immer im Leben. Die negativen Bestandteile des erlebten verdrängt man schnell und was übrig bleibt ist

Ein geiles Gefühl etwas großes geleistet zu haben

 

SPEZIAL THANKS TO
- Rainer der mir das ganze erst ermöglicht hat
- Manu die mich hat ziehen lassen
- Schutzengel der ganze Arbeit geleistet hat
- Womo das tapfer durchgehalten musste
- Zwei Tschechen für den heißen Tee
- Der SAN die mich nötigte einen Bericht zu schreiben
- Afrika weil es die Alpen auftürmte
- Meinem Schöpfer dem ich manchmal sehr nahe bin

mali, 18.12.2009 00:23