Erfahrungen einer 4.000er-Novizin oder Phantom-Bergsteigen im Berner Oberland
19.08.-23.08.2006


Tag 5 - Mittwoch, 23.08.2006

Heute ist richtig früh Aufstehen angesagt, die ersten verlassen um 3h das Lager, wir um 3h30. Wir würgen ein bisschen vom mitgebrachten Speck runter und trinken etwas, so ganz ohne Frühstück soll man ja doch nicht losziehen…

Um 4h30 marschieren wir los, es ist noch stockdunkel, ab und an sieht man weiter oben schon Stirnlampen durch die Gegend wandern. An einem Abzweig verlaufen wir uns noch fast im Dunkeln, aber zum Glück fällt es uns rechtzeitig auf. Als wir den Anseilplatz auf etwa 3.300m erreichen, wird es langsam hell.

© Pet 2006
Das Matterhorn in der Morgensonne

Es geht auf einen aperen Gletscher, Yak erzählt irgendwas von Knäckebrot, und tatsächlich, es knackt und knirscht, alles ist porös und durchlöchert. Bisher war ich immer nur im Firn unterwegs mit den Steigeisen, strengt ganz schön an, das Gehen auf diesem ungleichmäßigen Untergrund.

© Pet 2006
Da soll's hinaufgehen…

© Yak 2006
Wo bleibt die Sonne?

Es dauert noch eine Weile, bis wir den Schatten hinter uns lassen, hier ist dann auch wieder Schnee auf dem Eis und das Gehen wird angenehmer - aber nicht weniger anstrengend. Naja, wir sind ja auch schon auf 3.600m.
Wir erreichen das Alphubeljoch auf fast 3.800m, hier fällt die Entscheidung über Normalweg oder Eisnase. Aber Yak hat die Entscheidung ja schon am Vorabend gefällt. "Natürlich gehen wir über die Eisnase!"

© Pet 2006
Die Aussicht wird mit jedem Höhenmeter besser, man kann sich einfach nicht sattsehen!

Es wird interessanter, der Weg schlängelt sich an einem Grat entlang - nicht besonders schmal oder steil, aber trotzdem, die Konzentration steigt an. Bei diesen Bedingungen und der breit ausgetrampelten Spur muss man aber nicht wirklich Angst haben.

© Yak 2006
Am Grat Richtung Eisnase

Wir verlassen den Grat und es steilt auf, hier sind jetzt in regelmäßigen Abständen Sicherungsstangen gesetzt, aber zunächst geht es noch so. Der Hang ist schön aufgefirnt, es sind überall gute Tritte und wir stapfen bis zur vorletzten Sicherungsstange.
Hier sind aber plötzlich keine so guten Tritte mehr und ich habe Eis unter den Steigeisen, das gefällt mir nicht mehr so gut…

Yak hat sich aber eh schon auf Sichern eingestellt, und bereitet seelenruhig alles vor, während ich an der Stange gesichert anfange, rumzuzetern. "Das ist wieder typisch, du weißt doch, dass ich ein Angsthase bin, wo führst du mich hier wieder lang…"

© Yak 2006
Nur noch ein paar Meter

So schlimm ist es dann doch nicht, kann ja eigentlich nix passieren. Die letzten Meter sind schon wieder flacher, ich komme über die Kante und stehe auf einem… Fussballfeld! Kein Wunder, dass man bei schlechtem Wetter den Gipfel nicht wirklich findet, das Plateau ist ja riesig.

© Yak 2006
Geschafft! (Ein genialer Bildschirmhintergrund, oder?)

Fantastisch, die Schinderei hat sich gelohnt, der Wetterbericht hat voll zugetroffen, die Aussicht treibt mir die Tränen in die Augen. Dass wir fast 7 Stunden gebraucht haben, noch einen ordentlichen Abstieg und anschließen die lange Heimfahrt vor uns haben, ist im Moment völlig vergessen und bedeutungslos.

© Pet 2006
Blick rüber zum Allalinhorn

© Pet 2006
Ich verlasse mich auf Yaks "Ortskenntnis": Links im Vordergrund das Rimpfischhorn, links dahinter das Strahlhorn, rechts im Hintergrund Signalkuppe, Nordend, Liskamm

© Pet 2006
Die Mischabelgruppe: Täschhorn, Dom und Lenzspitze

© Pet 2006
Fletschhorn, Lagginhorn und Weissmies

© Pet 2006
Signalkuppe, Nordend und der Liskamm

© Pet 2006
Liskamm, Castor und Pollux und das Breithorn

© Pet 2006
Und noch einmal das Matterhorn…

© Pet 2006
Rechts das Weißhorn

Wir steigen nach einer schönen Pause über den Normalweg ab, und da gibt es dann doch noch ein paar feine Spalten, die mich aber nicht mehr schrecken können ;-)

© Yak 2006
Doch ganz schön tief

© Yak 2006
Ja, eigentlich sollte der leichtere hier vorgehen…

Der Weg über den aufgeweichten Feegletscher ist um diese Tageszeit nicht ohne, wir queren endlos in brütender Hitze über eine trügerisch glatte weiße Fläche… aber es hat doch ziemlich viel geschneit in den letzten Wochen, so dass wir ohne Probleme wieder zum Alphubeljoch kommen.

Der Alleingeher im T-Shirt, der um 14h noch im Aufstieg über den Feegletscher geht, ist unserer Meinung nach aber trotzdem ein Danger Freak.

© Pet 2006
Mann, ist das noch weit…

Der Abstieg zur Täschhütte zieht sich, die Knie sind wie aus Gummi, ich gehe wie auf rohen Eiern, als wir den Knäckebrot-Gletscher verlassen… Aber auch das schaffen wir und endlich sind wir auf der Hütte und ich ziehe erstmal die Schuhe aus und lege die Beine hoch.
Susan und Bernhard sind auch schon da und so stossen wir gemeinsam auf die ersten 4.000er von uns Mädels an - war ja auch mein erster "Richtiger" ohne Seilbahn ;-)

Langsam müssen wir los, also die Schuhe wieder an und den Rucksack geschultert, wir nehmen die Forststraße, da kann man einfach so vor sich hin stapfen. Aber auch das vergeht und wir kommen am Auto an, ziehen uns die am wenigsten stinkenden Klamotten an und verabschieden uns von den anderen beiden. Leider müssen wir los und haben keine Zeit mehr für ein gemeinsames Essen auf der Täschalp. Aber das holen wir nach!

Wir nehmen auf dem Weg mit dem üblichen Bergsteigeressen eines SANlers Vorlieb. Aber heute schmeckt's mir auch *g*

© Yak 2006
Man muss ja gar nicht nach Amerika, um den Mäkki zu finden…

Das waren also meine ersten 4.000er. Noch tagelang bin ich mit einem dicken Grinsen im Gesicht durch Berchtesgaden gelaufen. Der letzte Tag war wirklich der Hammer und dass ich erst um 4h früh daheim war und um 7h wieder aufstehen musste - egal!
Und auch, wenn manch einer meint, der Alphubel steht nun oft genug in unserem Tourenbuch - ich hoffe, dass er noch möglichst oft darin auftaucht, denn das bedeutet, dass sich höchstwahrscheinlich wieder einer von uns seinen Traum erfüllt hat und endlich einen 4.000er bestiegen hat. Abgesehen davon ist er ein wirklich schöner Berg mit einer traumhaften Aussicht, wenn man so Wetterglück hat wie wir.

Und auch sonst hat ja nach dem Ausstieg von Hasei alles gut geklappt. Das erste Mal in diesen Höhen hab ich super verkraftet, kein Kopfweh oder sonstige Problemchen - dass es da oben etwas anstrengender und man langsamer wird als in den Bayerischen Voralpen ist wohl normal.
Auf die "Kindergeburtstag, den bügeln wir weg"-Sprüche könnte ich verzichten, aber dafür muss sich Yak dann eben mein Gejammer anhören ;-)
Danke fü's Hochführen!

Das Wallis, das ich bisher nur vom Skifahren (ja, ganz früher bin ich auch mal auf zwei Brettern gefahren!) kenne, ist für mich also auch im Sommer das "Gelobte Land" - ich komme sicher wieder!

 

Pet

 

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